Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Mike White
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1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage
B. Aktuelle Bedrohungslage
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Über den wahren Umfang der Geldwäsche in Deutschland kann man tatsächlich nur Vermutungen anstellen. Es hat verschiedentlich Versuche gegeben, die Zahl von Geldwäschedelikten und das Volumen inkriminierter Gelder zu bestimmen. Bei genauem Hinsehen weisen entsprechende Studien jedoch unter Umständen methodische Mängel auf; auch diejenigen, die in den Medien häufig zitiert werden.
1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › I. Problematik von Berechnungsmodellen
I. Problematik von Berechnungsmodellen
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Wagen wir einen etwas genaueren Blick. Wie groß der Modellfehler bei der statistischen Abschätzung des Geldwäschevolumens ist, wird in der häufig zitierten sog. ECOLEF-Studie[31] deutlich. Die Studie stellt drei verschiedene alternative Ermittlungs- bzw. Schätzungsmethoden für das Volumen der Geldwäsche in einer Volkswirtschaft vor. Für Deutschland kommt sie auf Basis dieser drei unterschiedlichen Modelle zu Schätzungen von (jeweils gerundet) 1 Mrd. EUR, oder 30 Mrd. EUR, oder auch 100 Mrd. EUR. Welche der Schätzmethoden bzw. Ergebnisse ist nun vorzuziehen? Hier in diesem Beitrag kann keine vertiefte Methodenbeschreibung und -diskussion geleistet werden; aber wenn die Ergebnisse der verwendeten Modelle so weit streuen, dürfte es vermutlich vergebene Liebesmühe sein, in deren Details einzusteigen. Eher sollte man als Ergebnis mitnehmen, dass das genaue Ausmaß von Geldwäsche in einer Volkswirtschaft nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit bestimmbar ist.
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Andere Studien sind methodisch noch fragwürdiger. Im kriminologischen Bereich kennt man die sog. Dunkelfeldanalyse, bei der versucht wird, die Zahl nicht aufgeklärter, unentdeckter Taten abzuschätzen. Solche Dunkelfeldanalysen sind als Aufgabe natürlich vor allem deshalb stets dankbar, weil niemand Genaues weiß und man deshalb als Autor nur wenig Gefahr läuft, widerlegt zu werden. Es fällt schwer, nicht zu unterstellen, dass teilweise versucht wird, unter Verwendung umfangreicher Annahmen zur Faktenlage und zu anwendbaren statistischen Methoden zu im Ergebnis recht hohen Ergebnissen zu kommen. Bussmann beispielsweise zieht in seiner Dunkelfeldanalyse[32] einige spärliche empirisch gewonnene Hinweise zur Gewinnung einer Schätzung heran. Doch anstatt diese Schätzung für sich als Aussage stehen zu lassen, wird diese Zahl – so merkwürdig es sich auch anhört – im Wege der Hochrechnung und der spekulativen Vermutung einfach verdoppelt, abermals verdoppelt und dann wiederum verdoppelt, so dass unter dem Strich eine gegenüber seiner Empirie verachtfachte Zahl herauskommt; die Aufmerksamkeit der Presse und der Politik war ihm damit jedenfalls sicher.
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Diese Problematik wird allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung ignoriert. Die Medien jedenfalls stürzen sich mit Vorliebe und ausschließlich auf die in der ECOLEF-Studie genannte Größe von 100 Mrd. EUR Geldwäschevolumen in Deutschland. Das klingt in Schlagzeilen gut und löst Reaktionen der Leserschaft aus. Doch man muss ehrlich fragen: Was ist daran Fakt, was ist Fiktion?
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Letztlich ist bei der Abschätzung der Bedrohungslage vor allem Vorsicht geboten. Insgesamt wird man hierbei davon ausgehen können, dass den in Studien genannten Zahlen mit gesundem Misstrauen begegnet werden sollte. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Studie eine plakative, pressewirksame Zahl, die man sich besonders leicht merken kann, produziert hat.[33] Denn dies deutet regelmäßig darauf hin, dass nur sehr dürftiges empirisches Datenmaterial vorhanden war und der Verfasser der Studie diesen Mangel durch eigene Hochrechnungen zu heilen versuchte. Wie häufig es zu Geldwäschestraftaten in Deutschland kommt und welche Summen davon betroffen sind, kann nicht belastbar abgeschätzt werden, da zur Dunkelziffer keine verlässlichen Aussagen möglich sind.[34]
1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › II. Risikoabschätzung
II. Risikoabschätzung
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Trotz aller methodischen Schwierigkeiten und der Dominanz fragwürdiger Zahlen in den Schlagzeilen ergeben sich bei Zugrundelegung vernünftiger Maßstäbe durchaus sinnvolle Risikoabschätzungen. Man kann plausibel vermuten, welche Gefährdungspotentiale im Wirtschaftskreislauf vorhanden sein können, solange man sich aber dabei bewusst ist, dass es sich um Schätzungen mit einer breiten Fehlertoleranz handelt. Des Weiteren muss man sich darüber im Klaren sein, ob man die sukzessive Ausweitung der Vortaten der Geldwäsche in den letzten Jahren (Steuerdelikte, Sozialversicherungsbetrug etc.) schon in der Schätzung enthalten sehen will oder nicht.
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Unter diesen Voraussetzungen ist das Gefährdungspotential keinesfalls gering! Auch wenn man dabei ohne Schätzungen nicht auskommt, können wir einen Korridor von zwei bis vier Prozent des BIP an Geldwäschepotential in der Volkswirtschaft vermuten, weil die Summe aller durch kriminelle Handlungen erlangten Vermögenswerte in dieser Größenordnung liegen könnte; damit liegen wir zumindest einmal in einem realistischen Bereich.[35] Dabei sollte man aber von dem Verständnis ausgehen, dass die inzwischen erfolgte schrittweise Ausweitung des Vortatenkatalogs und insbesondere dessen Ausweitung auf Steuerdelikte schon berücksichtigt ist.
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