Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Mike White
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I. Aufdeckung von Geldwäscheaktivitäten
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Wie wir also soeben feststellen konnten, hat die verstärkte Meldetätigkeit des Finanzsektors in den letzten Jahren nicht dazu beigetragen, tatsächlich mehr Fälle der Geldwäsche aufzudecken. Annähernd 95 % der staatsanwaltlichen Rückmeldungen auf durch Verdachtsmeldungen gekennzeichnete Verfahren sind Einstellungsverfügungen.[48]
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Besorgniserregend ist außerdem, dass diese Quote sich im Zeitverlauf schon immer ähnlich schlecht dargestellt hat.[49]
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Es verbleibt ein verschwindend geringer Anteil wirklich relevanter Verdachtsmeldungen. Wie schon erwähnt, blieb seit 2009 die Zahl der Urteile, Strafbefehle, Anklageschriften stets konstant bei oder unter ca. 500 Fällen pro Jahr, während im Betrachtungszeitraum 2009–2018 aber die Zahl der Verdachtsmeldungen um das Siebenfache anstieg.
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Nun wäre als Erklärung noch denkbar, dass trotz einer Rückmeldung einer Einstellungsverfügung bezüglich der Geldwäsche noch Ermittlungen wegen einer Vortat weitergeführt und möglicherweise auch befördert wurden. Die Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften geben hierüber keine Auskunft.[50] Es sind jedoch aus weiteren Zahlen Rückschlüsse möglich: Wenn Verdachtsmeldungen letztendlich trotz Einstellungsverfügung bezüglich der Geldwäsche zu einer verbesserten Verfolgung von Vortaten führen würden, dann wäre zu erwarten, dass Sicherstellungsmaßnahmen im Rahmen von verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen – aufgrund des Informationsgehalts der Verdachtsmeldungen – gefördert werden und einen Anstieg erfahren. Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen sind solche, bei denen die Sicherstellungsmaßnahmen direkt oder indirekt aus Erkenntnissen resultieren, die die Strafverfolgungsbehörden aus Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz erlangt haben.[51] Ein Anstieg in 2016 gegenüber 2015 ist auch zu verzeichnen, allerdings beträgt dieser mit Blick auf das Volumen sichergestellter Gelder nur 10 %.[52] Das entspricht in keiner Weise der Größenordnung des Zuwachses der Zahl der Verdachtsmeldungen im selben Zeitraum. Zahlen jüngeren Datums werden diesbezüglich nicht mehr veröffentlicht.
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Trotz eines erheblichen Mehraufwandes der Meldepflichtigen, der insbesondere durch stetige Verbreiterung und Vertiefung der gesetzlichen und behördlichen Anforderungen ausgelöst wurde, ist es also nicht gelungen, entsprechend mehr Geldwäschefälle im Bereich des Finanzsektors auszumachen und einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen. Die gestiegene Wachsamkeit hat nicht dazu geführt, einen größeren Anteil an Transaktionen als solche mit kriminellem Hintergrund zu enttarnen. Stattdessen liegt der Schluss nahe, dass infolge der gestiegenen regulatorischen Anforderungen nur Verdachtsmeldungen verminderter Qualität produziert werden, die vor allem Aufklärungs- und Verfolgungskosten nach sich ziehen.
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Formulieren wir vorsichtig: Es gibt keine Hinweise darauf, dass die durch und in der Folge der Dritten GeldwäscheRL in Deutschland eingeführten Neuregelungen die Bekämpfung der Geldwäsche in den hiesigen Instituten verbessern konnten, wenn man auf den Ermittlungserfolg auf Basis des Verdachtsmeldewesens abstellt. Der Mehraufwand an regulatorisch verursachten Kosten hat lediglich dazu geführt, dass zahlenmäßig mehr, aber vielfach unbegründete, Verdachtsmeldungen produziert wurden. Nur als Randbemerkung sei hierzu erwähnt, dass dies auch die Grundrechte der betroffenen Kunden in erheblichem Maße beeinträchtigt, allein schon durch die Tatsache, einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt zu sein.
1. Kapitel Einleitung › C. Effektivität der Regularien › II. Terrorismusfinanzierung
II. Terrorismusfinanzierung
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Die Financial Intelligence Unit (FIU) Deutschland verweist in ihrem Jahresbericht 2016 schon einleitend darauf, dass es von Juli bis Dezember 2016 mehr Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund in Deutschland gegeben habe als im gesamten Jahrzehnt zuvor.[53] Diese Anschläge haben ein großes Medienecho gefunden und wurden in der Öffentlichkeit und in der Politik intensiv diskutiert. Aufgrund des medialen und polizeilichen Fokus auf das Thema wurde das Risiko, Opfer eines islamistisch-terroristischen Anschlags zu werden, von vielen Menschen ausgesprochen stark überschätzt. Wir wissen heute, ca. vier Jahre später, dass diese Welle von Anschlägen zunächst einmal vorübergehender Natur war und durch eine Welle rechtsradikalen Terrors abgelöst wurde. Dies sollte Anlass sein, den Terror durch Deutsche in den Mittelpunkt der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus zu stellen.
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Der Verdachtsgrund „Terrorismusfinanzierung“ wurde über die Jahre konstant in etwa ein bis zwei Prozent der Verdachtsmeldungen angegeben. Im Jahr 2016 betraf das 784 Fälle.[54] Im Übrigen sind jedoch nur wenige Daten veröffentlicht worden. Die Zahl der Verdachtsmeldungen, die von der Abteilung „Polizeilicher Staatsschutz“ des BKA überprüft worden sind, lag in 2016 deutlich höher (1233). In 203 Fällen wurde eine Relevanz für den Bereich „Politisch Motivierte Kriminalität“ festgestellt.[55] Die Zahl der Verdachtsmeldungen mit Bezug auf Terrorismusfinanzierung oder Staatsschutz addierte sich auch im Jahr 2018 auf 6% oder 4516 Stück.[56] Ob sich dagegen im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung oder Staatsschutz aber zielführende Hinweise aus dem Verdachtsmeldewesen erkennen ließen, dazu schweigen leider die Berichte der FIU.
1. Kapitel Einleitung › D. Sicht der Institute und Fazit
D. Sicht der Institute und Fazit
1. Kapitel Einleitung › D. Sicht der Institute und Fazit › I. Kosten und Nutzen der Geldwäschebekämpfung
I. Kosten und Nutzen der Geldwäschebekämpfung
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Die Banken müssen vermeiden, sich zur Geldwäsche missbrauchen zu lassen. Die öffentliche Bloßstellung, Geldwäschern oder gar Terrorismusfinanzierern Möglichkeiten geboten zu haben, würde für Institute neben zu gewärtigenden aufsichtlichen Sanktionen und Maßnahmen in einem Imageschaden münden, der sich als Reputationsrisiko auf die Geschäftstätigkeit niederschlägt. Je zahlreicher und/oder voluminöser die Einzelfälle, desto größer dürfte dieser Schaden ausfallen.
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Infolgedessen ist unbedingt zu fordern, dass Institute sich mit geeigneten und erforderlichen Maßnahmen gegen dieses Risiko wappnen. Der europäische Richtliniengeber und der Gesetzgeber versuchen dies anhand der Vorgaben der FATF um- und durchzusetzen. Über dieses Ziel besteht Einigkeit, die Geeignetheit der gewählten Mittel muss aber stets aufs Neue evaluiert werden. Dass die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise ihre Schwächen hat, wurde anhand des Zahlenmaterials der FIU oben gezeigt. Die Frage nach der Geeignetheit und Erforderlichkeit gesetzgeberischer und aufsichtlicher Maßnahmen muss daher stets neu gestellt werden, zumal dann, wenn die politische Zielsetzung der Gesetzgebung immer