Gesammelte Werke. Robert Musil

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Robert Musil страница 100

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke - Robert Musil

Скачать книгу

und -runden und die Röcke zusammennehmen, so daß Sie gar nicht mehr zu verstehn sind; wie bei einem Unglücksfall! Aber Sie sind zu schön, um sich so etwas zu traun.

      Maria: Aber was fällt Ihnen jetzt wieder ein?

      Anselm: Daß Sie da geschlafen haben durch Jahre!!

      Maria: Unsinn! Augen schließen! Geben Sie mir Ihre Hand! Ab. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer.

      Regine eintretend: Wenn Sie wirklich glauben, dann hier herein; hier wird uns jetzt niemand stören.

      Fräulein Mertens: Oh, ich weiß, daß es Ihnen kaum erträglich erscheint, einem fremden Mann Vertrauen zu schenken. Wer sollte Sie besser verstehen als ich?! Ich weiß, was es heißt, sich in sein Inneres verschließen, Sie zarteste Heilige!

      Regine: Thomas hat wohl etwas von einem Detektiv gesprochen …? Aber ich mag das nicht leiden!

      Fräulein Mertens: Nein, natürlich ist es nicht recht von Doktor Thomas; einer seiner kalten Einfälle! Sie sehen es!

      Regine: Feststellen! Beobachten! Was will man denn damit erreichen! Das ist so dumm.

      Fräulein Mertens: Aber vielleicht kann Ihnen der Mann nützen: er hat ausdrücklich nach Ihnen verlangt. Sie winkt bei der offenen Tür hinaus. Und wenn er auch etwas gewöhnlich aussieht, hat er doch kein unsympathisches Gesicht. Ich werde Sie allein lassen. Sie läßt an sich vorbei Stader eintreten und zieht sich zurück. Stader tritt näher, mit allen Organen den Raum beschnüffelnd. Er war einmal ein hübscher Junge und ist jetzt ein tüchtiger Mensch. Seine Kleidung ahmt die Korrektheit eines wohlhabenden Gelehrten nach, aber mit einem kleinen schwarzen Künstlerschlips. Er legt beim Eintreten einen grämlichen, alten Ausdruck aufs Gesicht und rückt an einer großen blauen Brille, als hätte er sie eben aufgesetzt.

      Regine: Sie schickt … ein Bureau? Wollen Sie Platz nehmen.

      Sie setzen sich. Stader zögert dabei und räuspert sich. Da es ihm nicht gelingt, Reginens Aufmerksamkeit in die gewünschte Richtung zu lenken, nimmt er die Brille ab und macht ein natürliches Gesicht.

      Stader: Wie doch diese überholten, altmodischen Mittel noch immer wirken! Eine Brille, ein wenig Meisterschaft im Ausdruck und es genügt schon für einfache Fälle! Sie erkannten mich also nicht.

      Regine: Ich weiß noch immer nicht …? Sie betrachtet ihn, er grinst allmählich über das ganze Gesicht. Was meinen Sie?

      Stader: Sie erinnern sich nicht?

      Regine: N…ein. Ach ja … Sie waren Diener bei uns?

      Stader: Hrr mja; nun ja gewiß; ich war Diener … Stader, Ferdinand Stader, … Ferdinand!? Aber schon damals in der freien Zeit etwas Besseres, Sänger und Dichter.

      Regine: Ich weiß. Sie sind nachts in Gastwirtschaften als Sänger aufgetreten, obgleich Sie das eigentlich nicht durften. Das gefiel mir.

      Stader: Und wie oft haben Sie mir einen Kuß ins Haar gehaucht und gesagt, du –

      Regine: Benehmen Sie sich doch nicht abgeschmackt!

      Stader: Abgeschmackt? Mit den Zähnen und allen zehn Fingern haben Sie in mein Haar gebissen und gesagt: Du in –, du in –; Herrgott, bis vor kurzem hab’ ich’s noch gewußt und jetzt hab’ ich’s vergessen! Es war etwas mit Genie.

      Regine: Du – ingénu. Mein Gott! Sie schlägt die Hände vors Gesicht. Anspeien könnte ich mich heute!!

      Stader: Beruhigen Sie sich. Sie haben mir zwar schweres Unrecht zugefügt, als Sie mich so einfach … na ja, hinauswerfen wollte ich sagen. Ich wußte ja nicht, daß feine Damen so sein können. Aber ich trage Ihnen nichts nach. Denn Sie haben mich dadurch auf den Weg der Wahrheit gestoßen. Und der Wahrheit verdanke ich meinen Aufstieg! Sie hatten sich nämlich nicht in mir geirrt, und Ihr Wort, daß ich ein Genie bin, das hat mich begleitet und gestärkt; es nützt Ihnen nichts mehr, wenn Sie es heute zurückzunehmen versuchen. Ich war nie bloß nur Diener, ich habe das gleich danach aufgegeben. Ich war vielerlei. Präparator, Klavierspieler, Paukdiener, Photograph, sogar Hundefänger; ich war ein vielseitiger Mensch, schon bevor ich meinen Beruf entdeckte. Und ich muß sagen, man braucht für ihn auch außer der Strenge der Forschung etwas Künstlerblut: Heute bin ich Inhaber des größten neuzeitlichen Ausforschungsinstituts.

      Regine: Ausforschungs?

      Stader: Detektivinstituts.

      Regine: Sie wollen Geld?! Wieviel? Ich habe keins.

      Stader würdig: Betrachten Sie mich, bitte, als in ritterlichen Beziehungen Ihnen gegenübergestanden! Ich wollte Sie bloß um eine Gefälligkeit ersuchen. Mit herablassender Zärtlichkeit ihren Irrtum verbessernd. Keine solche; Sie haben sich doch noch immer nicht geändert. Mein Institut ist das größte und neuzeitlichste Ausforschungsinstitut der Gegenwart: Newton, Galilei & Stader. Früher hätte man so etwas Argus genannt; weil ich weiß, was ich der neuzeitlichen Wissenschaft schulde, habe ich ihre beiden Begründer in den Namen der Firma aufgenommen.

      Regine die sich nicht zurechtfindet: Ja also, dann sind Sie aber der Detektiv, von dem mein Vetter Thomas gesprochen hat?

      Stader: Ihr –? Wer ist Thomas?!

      Regine: Mein Vetter Doktor Thomas – nun, Sie befinden sich doch in seinem Haus! Er hat davon gesprochen, einen Detektiv kommen lassen zu wollen.

      Stader sehr beunruhigt: In der Angelegenheit Seiner Exzellenz Ihres Gatten und eines gewissen Doktor Anselm Mornas?

      Regine: Wahrscheinlich doch!

      Stader in äußerster Gemütsbewegung: Er hat einen Detektiv! Und nicht mich! Ich bin vernichtet!

      Regine: Aber ich weiß ja gar nicht sicher, ob er es wirklich getan hat.

      Stader: Es ist noch nicht sicher?! Sie müssen mir sofort eine Aussprache mit ihm vermitteln. Ich bin der Detektiv Seiner Exzellenz; aber ich will ihm alle meine Geheimnisse verkaufen, schenken will ich sie ihm, wenn er mir Gehör leiht! Sie müssen mich ihm sofort auf das herzlichste empfehlen!

      Regine: Aber das ist ja unmöglich.

      Stader: Unmöglich? Sie meinen wegen –? Vorbei ist gewesen. Ein Mann hat größere Interessen! Hören Sie mich an: Mein Institut arbeitet mit den neuzeitlichen Mitteln der Wissenschaft. Mit Graphologik, Pathographik, hereditärer Belastung, Wahrscheinlichkeitslehre, Statistik, Psychoanalyse, Experimentalpsychologik und so weiter. Wir suchen die wissenschaftlichen Elemente der Tat auf; denn alles, was in der Welt geschieht, geschieht nach Gesetzen. Nach ewigen Gesetzen! Auf ihnen ruht der Ruf meines Instituts. Ungezählte junge Gelehrte und Studenten arbeiten in meinen Diensten. Ich frage nicht nach läppischen Einzelheiten eines Falls; man liefert mir die gesetzlichen Bestimmungsstücke eines Menschen und ich weiß, was er unter gegebenen Umständen getan haben – muß! Verstehen Sie? Die moderne Wissenschaft und Detektivik engt den Bereich des Zufälligen, Ordnungslosen, angeblich Persönlichen immer mehr ein. Es gibt keinen Zufall! Es gibt keine Tatsachen! Jawohl! Es gibt nur – wissenschaftliche Zusammenhänge.

      Ja, das ist aus Ihrem »kleinen Neapolitaner«, aus Ihrem »Straßensänger« geworden!

      Seine Exzellenz, Ihr Herr Gemahl, hat uns nun, angezogen von dem

Скачать книгу