Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Herrlich und ungewürzt wie Wasser. Riecht so gut wie eine Bügelstube; meinethalben, wenn du willst, auch so dumpf.

      Regine: Und ich?

      Anselm: Auch Josef ist eigentlich ein herrlicher Mensch. Wir haben uns erlaubt, auf ihn hinabzusehn. Gewiß, sie sind aufreizend schwerfällig in Gemüt und Geist, diese Menschen. Aber ich will dir etwas sagen: Auch das ungewöhnliche Erlebnis ist nichts als eine umgestülpte Gewöhnlichkeit. Und selbst in einem Rindergespann ist das Leben reicher als in einem Kopf wie Thomas, und ein Kutscher, der bei seinen Pferden schläft, weiß von der Welt mehr als er und du!

      Regine: Ich soll also zu Josef zurück?

      Anselm: Gott, ich meine, vorerst einmal in frische Luft hinaus. Hier wird man diese gestockten Erlebnisse mit Johannes nie los. Wie ein Zimmer am Morgen nach einer Zecherei ist es hier.

      Regine: Also: mit dem Kopf in »herrliches« frisches Wasser! Ich will aber nicht. Ich werde mich eher töten. Hörst du? Aber nicht deinetwegen.

      Anselm: Sagt das nicht jede, wenn sie sich verlassen glaubt?

      Regine: Ich habe andere Demütigungen ertragen. Hast du dir diese lang überlegt?

      Anselm: Was heißt das?

      Regine: Hast du vielleicht unser kleines gelbes Buch wieder aus dem Koffer genommen und für Josef liegen lassen?

      Anselm: Du weißt es also? Woher? Ich könnte es abstreiten, denn du läßt ja alles liegen. Aber: ja! Ich hab’ es getan: Weil ich schon wußte, was mir mit dir bevorsteht. Du bist mir zu nahe gekommen. Du willst mir nicht mehr aus dem Weg gehn! Ich bin nicht so stark, daß ich dich auch retten könnte; gerade dich nicht. Deine verfluchten Schwächen haben alle Kerker in mir aufgewiegelt!!

      Regine: Und Josef gibst du dich preis? Diese herrlichen Menschen scheinen jetzt starken Einfluß auf dich zu haben. Dir war es doch sonst unerträglich, wenn jemand auch nur das geringste über dich wußte, als wärst du dann schon in seiner Macht. Du hast doch lieber etwas Böses über dich erlogen als etwas Gutes zugegeben, wenn es wirklich wahr war.

      Anselm: Bis Josef es versteht, wollte ich weiß Gott wo sein. Ich wechsle den Namen und fange noch einmal an. Ich will noch einmal anfangen, verstehst du! Ich muß noch einmal anfangen! Du wirst mich nicht festhalten!

      Regine: Also du wolltest wieder ein neues Leben beginnen. Und das war an dem Tag, als du dich mit der Faust ins Gesicht geschlagen und fast geweint hast. Sie äfft ihn mystisch nach. «Es ist ein Wunder, daß ich dich gefunden habe! Es hat mich niedergeschlagen wie ein Wunder. – Ich möchte mich töten, um es nicht überleben zu müssen.»

      Anselm: Ja, das war der Tag! Ich fühlte, ich muß mich retten. Wir waren so unbegreiflich eins. Mein Leben war so wiederholt in dir. Noch einmal ich, bist du an meinem Weg gestanden, und es war eine flatternde Stille um uns und ein so plötzliches Hinausgleiten in diesen Ozean in uns und um uns, daß ich fühlte: Wenn das Schiffbruch wird, kommt nur einer von uns beiden wieder ans Ufer … Wie schal klingt das heute schon. Wie schmählich sind diese vergeblichen Versuche.

      Regine: Oh, es hat sich mir jedes Wort eingeprägt und ich konnte es dem Detektiv wiederholen, so daß es heute noch Thomas und Josef genau wissen werden.

      Anselm: Was heißt das? Du fieberst?

      Regine: Es war ein Mann da; gerade bevor du kamst. Ein Detektiv, ein ehemaliger Diener. Der war einmal mein Geliebter; er hat mich verlassen, wohl auch weil ein Mann höhere Interessen hat! Der weiß alles über mich; viel mehr, als nötig ist, um Josef zu bewaffnen; er hat es in einer dicken Mappe gesammelt, und den Rest habe ich ihm gesagt. Aber er weiß auch von dir viel mehr als du Josef preisgeben wolltest, um mich ihm auszuliefern. Er hat Briefe an deine Frau, in denen du beichtest. Er kennt dein ganzes Leben. Und was er noch nicht wußte, habe ich ihm auch gesagt.

      Anselm: Du warst nicht bei Verstand. Da muß doch sofort etwas geschehn, um den Mann zum Schweigen zu bringen. Wo ist er hin?!

      Regine: Nein! Josef soll es nur erfahren!

      Anselm: Was heißt, nein?! Willst du, daß wir hier vor Thomas und Maria daliegen wie ein Krötenpaar?

      Regine: Ja!

      Anselm: Wegen einer blöden Eifersuchtsgeschichte! Einer Liebesgeschichte, pfui Teufel! Hast du überhaupt eine Vorstellung von dem, was du anstellst? Alle diese Sinnlosigkeiten, die nur im Dunkel zwischen zwei Menschen möglich waren, sollen nun – erschöpft, wie sie sind – an den Tag kommen?!

      Regine: Anselm, du leugnest. Du hast nicht mich, du hast uns Josef preisgegeben! Weil du damals Mut hattest. Es war der Ausbruch aus dem Kerker der Vernunft! Oh, gleich als du kamst! Dein erstes Wort war, als ich dich fragte, wie dein Leben ausgefallen ist: Es ist eine einzige Demütigung gewesen. Und aus dem brünstigen Gewölk der Erinnerungen, aus dieser Bocksherde, deren stinkendes Gewimmel mir den Himmel verhüllt hatte, fuhr der Blitz: Demütigungen erleiden – das sind wir!

      Anselm: Sag nicht: wir! Du sollst dich nicht an mich pressen, als wäre ich du! Ich hasse deine Demütigungen! – Ja, ja, ich weiß, du hast mir diese Geschichte von Johannes erzählt und ich habe dich darin bestärkt.

      Regine: Und du hast ebensowenig daran geglaubt wie ich.

      Anselm: Und es ergriff mich unsagbar! Dieses Gespenst, das immer zusehn muß, wenn du dich andren hingibst, war unser Gespenst. Die Angst vor dem Alleinbleiben.

      Regine: Und die Angst vor dem Nichtalleinbleiben. Vor dem Beglotztwerden. Dem Beschleimtwerden! Bist du nicht lebenslang zitternd auf der Lauer gelegen und zugestoßen auf sie wie ein Hecht, um ihnen ein Stück des ihren aus dem Fleisch zu reißen, bevor sie dich fassen können? Schüchterner, du, Gescheuchter. Jeder Mensch kommt grausig zu seinem Bruder wie ein Fisch zur Leiche. Und jeder trägt ein Meer um sich!

      Anselm: Du hattest mich angesteckt mit diesen Einbildungen! Ich sah nur noch so. Als ob alle Sympathie, alle ursprüngliche Natur nur Angst und Verderben wäre!

      Regine: Dir drückt doch nur die Angst vor Thomas und Maria jetzt das Herz ab. Und die Scham über alles, was du getan hast. Bestie, du! Anselm! Wir sind nichts Wirkliches! Ob wir lügen oder nicht, gut sind oder uns wegwerfen: es ist etwas mit uns gemeint, das wir niemals richtig auslegen können. Das hast du gewußt und hast all unser Wirkliches dahingegeben. In dem einzigen Augenblick, wo du Mut hattest!

      Anselm: Ich kann es nicht mehr hören. Man kann etwas, das der Vernunft dermaßen widerstrebt, nicht ewig aufrechterhalten. Das ist heute so unerträglich verlogen und unnatürlich. Wo ist der Mann?!

      Regine sieht auf die Uhr: Ich weiß nicht, wo er ist.

      Anselm: Ah, du bist nichts als eine eiternde Wunde, die sich nicht schließen will!

      Regine: Einmal hattest du den Mut. Sollen wir wieder zurücksinken? Laß uns lieber jede Erniedrigung auf uns nehmen. Wenn man nicht mehr die Kraft hat, etwas andres zu sein, als man tut, ist man kein Mensch mehr!

      Anselm: Wo der Mann ist, will ich wissen?!!

      Regine: Das Tuch, Anselm! Du hast dich ja für das Tuch zu interessieren. Du mußt Maria das Schultertuch bringen!

      Anselm: Wo der Mann ist, will ich wissen!!!

      Regine sieht nochmals zur Uhr: So,

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