Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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berühren könnte. Er greift wieder nach ihrer Hand.

      Maria unsicher: Wir sind ja keine jungen Menschen mehr.

      Anselm: Das heißt nur: Thomas hat Sie mutlos gemacht. Man hält es schon für unnatürlich, wenn der Weg der menschlichen Annäherung einmal nicht durch etwas führen soll, das von der Art wie Essen und Verdauen ist. Ich will Ihr Leben besitzen. Der Gnade Ihres Seins teilhaftig werden!

      Maria: Aber warum müßte es dann eine Frau sein?!

      Anselm: Weil Sie eine Frau sind. Weil es unsagbar verwirrend ist, daß Sie zu allem auch noch eine Frau sind. Daß Ihre Röcke eine Glocke von Unsichtbarem über den Fußboden wandern lassen!!

      Er vergräbt den Kopf in den Armen.

      Maria: Nein, nein, das sind Ausreden, Anselm …

      Anselm: Mehr weiß ich nicht zu sagen, liefern Sie mich Thomas aus!

      Maria berührt seine Hand, damit er aufsieht. Er tut es nicht. Sie setzt sich auf die Lehne: Anselm, es ist alles so beängstigend unnatürlich, was Sie sagen. Abgetane Kindereien. Vergrabene.

      Anselm den Kopf halb hebend: Aber so ungeheuer gleichgültig ist Ihnen ja doch alles «Wertvolle», «Wichtige», was Sie jetzt tun.

      Maria: Nein, nein! … Ja. – Aber ich will nicht!!

      Anselm richtet sich auf: Es ist etwas in Ihnen, dem das gar nichts gibt, und Sie haben nicht den Mut gehabt, dafür zu leben! Ein Leben, wie Sie es jetzt führen, hätten Sie früher verachtet.

      Maria: Damals waren einem zwei Stunden, zuviel geschlafen, als etwas erschienen, das man nie wieder einholen kann, das noch nach Tagen plötzlich schmerzend als Verlust zu Bewußtsein kommt; darin haben Sie recht. Wir fühlten, wir sind. Wir aßen wenig, gönnten dem Körper nicht zuviel Raum. Manchmal hielt ich den Atem zurück, solang ich konnte. Aber in Wirklichkeit war das doch ganz resultatlos. Sie hat es mit Kritzeleien auf einem Blatt Papier begleitet.

      Anselm: Ist das resultatlos? Fünf Minuten vor dreiviertel neun Uhr des Morgens pflegten Sie in den Park zu kommen. Ich sehe diese Zeigerstellung in meinem Zimmer noch vor mir. Ich nahm eins meiner Bücher, in das Sie Ihren schönen Namen geschrieben hatten, und zog ihn nach: Aus der Hand durch den Raum genau den Weg gehend, den Ihre Hand gegangen sein mußte. Dann lief ich Ihnen nach.

      Maria steht abstreifend auf: Das sind Kindereien, das hat mit uns doch nichts mehr zu tun.

      Anselm aufspringend: Das waren Taten! Unausdrückbare Formen der Freundschaft. Handlungen sind ja das Freieste, was es gibt. Das einzige, mit dem man machen kann, was man will, wie mit Puppen. Wunschwelt, unbegreiflich räumlich gewordene! Wieder wie von Erinnerungen erschreckt. Es ist ja alles, was mit uns geschieht, nicht zu verstehn, und nur wenn wir selbst etwas tun, sind wir geborgen, mitten drin im Unbegreiflichen selbst.

      Maria: Erkennen Sie das noch? Sie zeigt ihm ihre Zeichnung.

      Anselm unterbrochen, fast ärgerlich: Ein Zuckerhut? Ein Engel?

      Maria: Schließen Sie das Fenster. Ich habe immerzu das Gefühl, es kommt jemand durchs Fenster herein.

      Anselm einen Vorteil witternd: Sagen Sie mir zuvor, was das ist.

      Maria: Das war auch damals. Ich hatte Ihr Gesicht aus dem Gedächtnis gezeichnet, es sah nicht schöner aus als das, und wollte Ihnen zum Trost etwas Liebes tun und zeichnete mich im Nachthemd dazu.

      Anselm schlägt rasch das Fenster zu, um die Situation auszubeuten. In dem Augenblick, wo das Fenster geschlossen ist, hört man aber ganz nah eine Tür.

      Maria wie ertappt: Das ist Thomas! Gehen Sie! Sie löscht sinnlos das Licht aus. Gehn Sie fort, ich ertrage das nicht! Nein, bleiben Sie, drehn Sie das Licht auf, ich habe es schon zerrissen. Er kennt diese Zeichnung, ich habe es ihm einmal erzählt. So drehn Sie doch das Licht auf!!

      Anselm verwirrt: Ich finde das Licht nicht …

      Thomas tritt in das dunkle Zimmer. Nur in der Nähe des Fensters ist noch etwas Helligkeit. Dort bewegt er sich hin und her. In der dunkelsten Zimmerecke vermutet er Anselm und Maria.

      Thomas: Ist jemand hier?

      Anselm: Ich, Thomas; guten Abend.

      Thomas: Bist du allein da?

      Anselm: Nein, wir haben auf dich gewartet, Maria ist hier. Gezwungen leicht. Wir haben uns verplaudert und können jetzt das Licht nicht finden. Er tastet an der Wand.

      Thomas: Wozu auch; es ist ja ganz schön im Dunkel.

      Pause.

      Thomas: Aber warum unterhaltet ihr euch nicht weiter? Störe ich wieder? … Aber unterhaltet euch doch um Himmels willen weiter; wovon habt ihr gesprochen? Darf ich es nicht wissen?

      Maria: Es war nicht so schön; Regine ist nicht wohl.

      Thomas: Und Anselm hat hier auf mich gewartet, um damit zu erklären, warum er nicht zu mir gekommen ist.

      Maria: Ich werde Licht machen.

      Thomas: Ich bitte dich, laß es dunkel. Das ist ja wahrhaftig eine merkwürdigere Sache, als du glaubst, zwei Männer im Dunkel. Kann uns dein Auge unterscheiden: nein. Du hörst bloß noch nicht: einer sagt auch genau das gleiche wie der andre. Ich versichere dir aber: so ist es. Denkt das gleiche. Fühlt das gleiche. Will das gleiche. Der eine früher, der andre später, der eine denkt es, der andre tut es, der eine wird gestreift, der andre ergriffen. Aber ob man der Detektiv ist oder der Verfolgte, der Brennende oder der Löschende, wahr oder lügt: Wenn man überhaupt einer ist, ist es immer das gleiche Spiel Karten, nur anders gemischt und ausgespielt.

      Maria als wollte sie entsetzt fragen: du bist betrunken?: Thomas, du …?

      Thomas: Was, Thomas du! Man hat Freunde, damit man nicht eitel wird. Laß dich nicht täuschen. Es ist nur ein Irrtum, daß man sich wegen der Verschiedenheiten totschlägt. Die Ähnlichkeit ist das Furchtbare! Der Neid, weil man sich unterscheiden will, trotzdem man an einem Block festklebt. Gesteh das zu, Anselm!

      Schweigen.

      Oh, nur Dunkelheit und Schweigen. Er wartet.

      Aber da in der Lade liegt meine Pistole. Seit wir Knaben waren, wolltest du immer stärker sein als ich. Wenn ich nun schießen würde? Auf das etwas dunklere Schwarz dort kann ich ganz gut zielen … Er wartet. Schweigen.

      Natürlich, du hältst gut aus. Du beißt die Zähne zusammen. Du läßt nicht locker. Maria soll glauben, du hast Gefühle, die den Tod selbst überdauern … Aber hast du jetzt gehört? Ich habe den Schlüssel gedreht … Jetzt habe ich die Lade auf … Noch zwei Minuten und ich bin dich los, ich kann dein Gehirn an die Wand schmieren! Er wartet.

      Wenn du nicht geantwortet hast, bis ich hundert zähle, hat es dich nie gegeben. Eins … Zwei … Du warst nur eine Einbildung, oh, ich wäre so glücklich. Drei … Er hat ja kein Werk, er hat nichts geleistet! Er kriecht herum und reibt sich an Menschen. Verstehst du, Maria, er hat keine Bestätigung, er muß geliebt werden wie ein Schauspieler. Aber er kann doch geliebt werden? Nicht? Er kann doch?!

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