Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Zusammengehören, wie Reisende in einem Abteil. Ohne Zwang und Leidenschaft! Ich will nicht denken! Man kann auch anders etwas sein! Thomas, was dich gepackt hält und zerrt und schüttelt, bist du selbst! Die Scham über die Stunden, wo du nicht denkst; wo du zu mir kommst, weil du nicht denken willst, entblößter als nackt in diesen schändlich «schwachen» Stunden, wo die Eingeweide heraustreten. Was hast du aus uns gemacht! «Du du» und «da da», «Mausi und Katz», «kitzi kitzi, kleiner Mann und Mädi»!

      Thomas: Still! Still! Es ist grauenvoll! Ich kann es nicht anhören! … Spürst du nicht das ungeheuer hilflose Vertrauen darin? Alles, was dir ein Mensch geben kann, liegt in dem Bewußtsein, daß du seine Neigung nicht verdienst. Daß er dich gut findet, für den in alle Ewigkeit kein Grund zu finden ist, der ihn als gut beweist. Daß er dich, der sich nicht sprechen, nicht denken, nicht beweisen kann, nimmt als Ganzes. Daß er da ist; hergeweht; zur Wärme, zur Aufrichtung für dich! Hast du es nicht so empfunden?! Warst du immer anders?

      Maria: Daß du noch stolz darauf bist! Du hast mich den Mut zu mir selbst verlieren lassen!

      Thomas: Und Anselm gibt dir einen gefälschten!! Du wirst eine ungeheure Enttäuschung erleben!

      Maria: Vielleicht fälscht er. Aber ich habe ein Recht darauf, daß man mir vorredet: so ist es! Daß – und wenn es nur eine Täuschung wäre! – etwas stärker als ich aufwächst. Daß man mir Worte sagt, die nur wahr sind, weil ich sie höre. Daß mich Musik führt, nicht daß man mir sagt: vergiß nicht, hier wird ein Stück getrockneten Darms gekratzt! Nicht, weil ich dumm bin, Thomas, sondern weil ich ein Mensch bin! So wie ich ein Recht darauf habe, daß Wasser rinnt und Steine hart sind und Schweres in meinen Rocksaum genäht, damit er nicht schlottert!

      Thomas: Wir reden aneinander vorbei. Wir sagen das gleiche, aber bei mir heißt es Thomas und bei dir Anselm.

      Maria: Ist das alles, was du antwortest? Nie, nie, nie steht etwas da, groß, aufregend, notwendig, nach der Hand greifend! Du nimmst mich nicht einmal fort von ihm.

      Thomas: Man kann niemand fortnehmen von dort, wo er steht. Du wirst aber – er sucht Worte und findet kein besseres – eine unsagbare Enttäuschung erleben.

      Maria: Sag es mir, wenn du etwas wirklich weißt! Laß mich doch nicht so allein!

      Thomas: Beweisen läßt es sich nicht.

      Maria trotzig gemacht: Ich meine, der einzige Beweis für und gegen einen Menschen ist, ob man in seiner Nähe steigt oder sinkt.

      Anselm stürzt aufs äußerste erregt herein, jede Rücksicht ungeduldig preisgebend: Ich muß Maria noch einmal sprechen. Ich muß rasch Maria noch sprechen.

      Thomas: Ich werde euch allein lassen.

      Maria: Thomas, nicht so! Es ist so gleichgültig für das Entscheidende, daß er ein Mann ist.

      Thomas: Und wenn das seine Spezialität wäre? Anselm, hast du gehört?! Hast du verstanden, daß Josef im Haus wartet?! Da Anselm ihm nicht antwortet, überwältigt ihn Wut, er packt die Kissen des Diwans und schleudert sie auf den Fußboden. Legt euch doch auf die Erde … da! … da! … Tut es ab, bevor wir weiterreden! Blut durchqualmt euch den Kopf! Das noch nicht vereinigte Mark steht in der Tiefsee der Körper wie Korallenwald! Vorstellungen rinnen hindurch wie die wandernden Wiesen blumenhäutiger Fischscharen! Du und Ich pressen sich geheimnisvoll vergrößert ans Kugelglas der Augen! Und das Herz rauscht dazu!

      Maria beginnt in sich hineinzuweinen: Schämst du dich nicht?

      Thomas: Und Josef wartet dazu!! – In dieser Lage hat Scham keinen Sinn mehr. Zu Anselm. Sag nur ein aufrichtiges Wort; ein Wort, das unschuldig wie ein kleines Tier in dir herumschlüpft. Damit ich weiß, Maria wird es streicheln können, Maria wird nicht frieren vor Enttäuschung! Ein Wort, damit ich glauben kann: Demütigungen waren es nur, weil sie zu erleiden unser Schicksal ist, das Vorrecht des Geistes zwischen den Pächtern der Welt! Und ich will alles tragen! Will Josef abwehren statt ihn zu holen, und Maria trösten in ihrer Angst und in ihrer Verachtung für mich und ihr sagen, man ist nie so sehr bei sich, als wenn man sich verliert.

      Maria: Mir sagst du, glaub ihm nicht; ihm bietest du mich völlig an: du hast keine Würde mehr!

      Thomas in höchstem Entsetzen, schüttelt den reglosen Anselm am Ärmel: Es ist widerlich, wie du vor mir stehst. Widerlich, wie wir alle dastehn. So außerordentlich körperlich. So außerordentlich körperlich zwischen uns allen ist es, wie du Maria geistig beherrschst. Etwas widerlich Geschlechtliches von Mensch zu Mensch ist zwischen uns! Was scherst du mich! Was will Maria von mir! Fleischtürme steht ihr da! Ab, um Josef zu holen.

      Anselm einer wahnsinnigen Erregung endlich freien Lauf lassend: Weinen Sie nicht!! Ich habe mich nicht rühren können vor ihm! Damit er nichts errät! Aber ich töte mich eher, als daß ich Sie weinen lasse!!

      Maria: Anselm! Bei allen Heiligen! Werden Sie mich nie anlügen?! Ich würde zugrundegehn, wenn Sie lügen …!

      Anselm mißtrauisch erkaltend: Hat man Ihnen etwas gesagt?

      Maria: Wie soll ich Vertrauen haben …?

      Anselm: Wir dürfen keine Minute mehr verlieren. Kann ich Ihren Glauben durch ein Opfer wiedergewinnen? Ihren Glauben an sich! Drohend. Ich tue alles, ohne zu zögern!

      Maria: Aber ich werde die Ahnung nicht los: Sie wollen mich bloß verleiten, anders zu sein, als ich bin. Ich fühle das. Gewiß müssen Sie immer ähnlich gewesen sein.

      Anselm: Ja. Ich habe immer Menschen verleitet, besser zu sein, als sie sind. Aber ich habe Qualen gelitten.

      Maria: Auch gegen Regine ähnlich.

      Anselm: Ja. Aber ich hasse sie deshalb!

      Maria: Sie werden auch mich hassen! Ihr Leben war immer voll von Freunden und Geliebten.

      Anselm: Hat man Ihnen so etwas gesagt? Dann wissen Sie: aus Ungeduld. Aus Schwäche, die nicht länger warten will. Aber die Enttäuschung schon in sich trägt. Den Haß schon in sich trägt; der nur aus Angst versucht, Liebe zu werden! Schon als Kind, als kleinen Jungen haben sie mich alle geküßt, diese Mütter, Kindsfrauen, Mägde, Schwestern, Freundinnen. Die Dickhäuter, in deren Haut der Pfeil der Sehnsucht nach dem Menschen steckenbleibt und zu einer gutmütigen Verdauungsfreude einheilt! Ich kann nicht ohne Menschen sein! Und das bekommt man dafür! Sie wissen es ja selbst.

      Maria: Thomas sagt, Sie wollen geliebt werden; nur weil Sie nichts leisten. Oh, er ist fürchterlich, man traut sich selbst nicht mehr.

      Anselm: Und Sie werden mich doch verstehn: Mein ganzes Leben ist dadurch zerstört worden. Wie oft hat mich schon Hoffnungslosigkeit angerührt. Der Wille wider mich. Gehetzten, Verrückten, mittendrin Ausgeschlossenen. Ich habe vielleicht manches getan. Aber wenn auch Sie mich enttäuschen, der einzige große Mensch, den ich gefunden habe, gibt es nur noch ein Mittel: eine Leine; eine sanfte, weiche Leine. Und eine seidenglatte, grüne Seife; mit der reibe ich sie ein. Das doch noch einmal tun zu können, ist die letzte große Beruhigung für mich. Die Verwesung ist nicht feindlich; sie ist mild und weich; Allmutter, still und farbig und ungeheuer; blaue und gelbe Streifen werden meinen Leib überziehn –

      Maria: Wie soll ich Vertrauen haben, wenn Sie wieder in solchen kranken Ekelbildern schwelgen!

      Anselm unterbrochen, sieht sie bös an:

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