Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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schwach und beginnt zu weinen.

      vorhang

      Zweiter Aufzug

      Die Szene stellt Thomas’ Studierzimmer dar. Die Wände vom seltsamen Muster der Buchrücken bedeckt. Im Hintergrund schräg ein großes geöffnetes Fenster. Park. Sich vertiefendes Dunkel. Anfangs brennt nur eine kleine Lampe.

      Von der Darstellung dieser Szene gilt das gleiche wie im ersten Akt. Nur sind die Möbel spärlich und wuchtend; seelisch übergewichtig. Über und an manchen Stellen sogar zwischen den Büchern Sternennacht.

      Anselm kommt vom offenen Fenster: Wie die Bäume rauschen. Man weiß nicht, ist es das Meer?

      Maria: Wir warten vergeblich, Thomas muß aufgehalten worden sein.

      Anselm: Weshalb in Wahrheit ist er in die Stadt gefahren?

      Maria: Er hat es nicht gesagt. Kurz nach dem Gespräch mit Josef ist er weggefahren.

      Anselm: Der Empfang war kläglich, das Fest! Josef hätte vom Eingang des Parks bis zu seinem Zimmer durch eine Allee der Desillusionierung wandern sollen! Allee des vergleichenden Jahrhunderts! Warum hat Thomas dann nicht Grammophone aufgestellt, die aus den Büschen Liebesschwüre in ausgestorbenen Sprachen hauchten?! Attrappen schöner Frauen, die zu Knochenstaub zerfallen, sobald man sie ansieht?! Seine Frösche und Mäuse ausgelassen?! Ins Beratungszimmer ein Röntgenbild der schönen Regine gehängt?! Gedärme um die Äste gerankt!!

      Maria: Abscheulich! Sie wühlen immer wieder in solchen Vorstellungen!

      Anselm: Weil ich voll Zorn bin! Wenn ich so denken wollte wie Thomas, nicht an den unsterblichen Teil glauben: ich könnte es viel besser. Ich könnte endlos Schmutz ausbrechen! Er geht wieder zum Fenster.

      Maria: Es sah auch so unsinnig genug aus. Und war doch nichts, das fühlte er selbst; er war nicht bei der Sache. Sie sind schuld, Anselm! Sie hatten versprochen, vorher zu ihm zu gehen.

      Anselm kehrt unterwegs um: Und Josef hat überhaupt nicht davon Kenntnis genommen, hat es gar nicht bemerkt, sagen Sie?

      Maria: Er sagte sofort: Ich habe dir Mitteilungen zu machen, die deine Haltung ändern werden. Man hatte den Eindruck, er sah und hörte nichts zuvor.

      Anselm: »Wichtige« Mitteilungen, sagte er?

      Maria: Nun ja, wahrscheinlich doch?

      Anselm: Er hätte ja auch gesagt haben können: schreckliche. Oder: abscheuliche …?

      Maria: Quälen Sie doch nicht wieder! Was soll es heißen, daß Sie selbst mir einreden, in dieser Mappe stehn unwürdige Dinge. Ich habe fast das Gefühl – Sie wollen mich vorbereiten.

      Anselm: Und dann schaltete Sie Thomas aus? Das hätten Sie nicht zulassen dürfen!

      Maria: Hetzen Sie nicht; Josef wollte mit ihm sprechen.

      Anselm: Von einem Detektiv stammt die Mappe? Thomas hätte Ihnen den Inhalt mitteilen müssen, bevor er in die Stadt fuhr, um Stichproben auf die Richtigkeit zu machen!

      Maria: Aber wer sagt, daß er das tut?! Ich finde diese Voraussetzung unvernünftig und unwürdig!

      Anselm geringschätzig: Er ist eifersüchtig!

      Maria: Er fürchtet mehr als Grund ist.

      Anselm: Er ist auf meine Ideen eifersüchtig. Und möchte mich von der Moral her vernichten wie ein Spießbürger!

      Maria: Bloß weil Sie heimlich tun.

      Anselm: Geben Sie mir die Mappe!

      Maria: Ich habe doch kein Recht dazu.

      Anselm: Ist sie hier im Schreibtisch?

      Maria: Ja. Aber den Schlüssel der Lade hat Thomas.

      Anselm: Öffnen Sie die Lade!

      Maria: Unaufrichtig, ohne mit ihm gesprochen zu haben, tue ich nichts. Sie steht unwillig auf und geht zum offenen Fenster.

      Anselm beim Schreibtisch: Tue ich nichts, tue ich nichts! Wir sind im Dunkel, in einer namenlosen Katastrophe: Folgen Sie mir!

      Maria: Ich will nicht mitschuldig werden!

      Anselm: Man muß den Mut zu Abkürzungen haben. Gerade so werden Sie sich schuldig machen.

      Maria: Das wäre Diebstahl!

      Anselm: Sie glauben, es müsse immer alles, was man tut, aussprechbar und benennbar sein; das ist das Verhängnis Thomas’! Aber man muß so handeln, daß man es nicht sagen, nicht denken, nicht einmal begreifen kann, sondern nur tun! Kein Mensch versteht ja heute zu handeln.

      Maria wendet sich ab, dann rasch wieder zurück: Wo ist Regine?

      Anselm verstockt: Ich weiß nicht … Nein, ich weiß: Sie hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen.

      Maria: Noch immer? Weint und schreit? Läßt niemand ein?

      Anselm: Vermutlich.

      Maria: Horchen Sie! …? Ich glaube, ich habe schon vorhin schreien gehört. Verstört vom Fenster fort. Ich halte das nicht aus; noch immer rauschen die Bäume so sinnlos.

      Anselm: Wie Wasser!

      Maria: Nein, der Wind läuft durch die Bäume; wie mit Füßen; läuft, läuft. Es ist so sinnlos.

      Anselm: Und geschieht? So viele Dinge in der Welt geschehen. Als ob lauter Uhren im Raum hingen und gingen und jede andere Zeit zeigte.

      Maria: Läuft, läuft ohne Atem zu holen, hören Sie! Es ist zum Fürchten.

      Anselm: Es ist auch zum Fürchten! Warum fiel dieses Blatt jetzt am Fenster vorbei? Bilden Sie sich nicht ein, daß irgend jemand es weiß. Überall zwei, drei Schritte weit Antwort, dann Nebel. In jeder Sekunde gleiten Forderungen an Sie heran, Tatsachen mit roten, grünen, gelben Augen und Nebelhornrufen. Drohen Entscheidungen und entgleiten im Nebel. Er hat seinen Kopf mit beiden Händen gefaßt. Mein Leben, Gott, wenn ich über mein Leben nachdenken wollte, es ist voll solcher Lichter!

      Maria: Was für ein Anfall ist das bei Regine?

      Anselm: Kleinmut. Nerven … Wilde Ohnmacht!

      Maria: Aber das wäre doch geradezu Hysterie!

      Anselm: Oder Zügellosigkeit. Ich mag nicht daran denken!

      Maria: Und Sie wissen bestimmt: Nur diese Aufzeichnungen sind schuld daran?

      Anselm: Sie müssen ihr entwendet worden sein; sie stellen sie bloß.

      Maria: Und was steht darin?

      Anselm: Ich habe sie ja nicht gelesen.

      Maria: Und über Sie? Über Sie – steht

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