Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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ihn rasch aufmachen und nachsehn; ich würde ihn sonst vielleicht auch Johannes nennen.

      Stader warnend, aber ebenso entschlossen, zu dem Seinen zu kommen: Ich kann Ihnen nur raten, vertrauen Sie sich Ihrem Vetter Professor Thomas an. Das ist ein Mann, dem man sich anvertrauen darf. Welch ein Ruf in der Fachwelt, hat man mir gesagt; aber daneben auch welch ein Blick für die Menschheit! Den haben die gelehrten Herren nicht immer; gerade in meinem Beruf hat man manchmal mit ihrer Geringschätzung zu kämpfen. Natürlich mit Unrecht, denn im modernen Sinn ist ein Detektiv etwas ebenso Hohes wie ein Forscher; ja etwas noch Höheres, wenn man bedenkt, daß er Menschen ausforscht. Immerhin ist da stets eine Unterstützung nötig. Er ist aufgestanden. Ich habe ihn für eine große Idee zu gewinnen. Daß Sie sich bei mir nicht an den Unwürdigsten verschwendet haben, ist bewiesen. Sie brauchen Professor Thomas nur in einer herzlichen und einladenden Weise auf mich aufmerksam zu machen als auf einen Menschen, mit dem es sich lohnt, in ständiger Verbindung zu bleiben. Wenn Sie das wollten, bliebe alles streng unter uns dreien!

      Regine: Das tue ich nicht; das bringe ich nicht mehr zustande.

      Stader: Regine, haben Sie sich nicht! Sie waren damals schlecht zu mir, aber ich habe mit dem Abstandsgeld, das Sie mir gegeben haben, mein Institut gegründet. Ich will Ihnen wohl. Aber seit ich von Professor Thomas gehört habe, finde ich keine Ruhe! Ich bin alles imstande! Ich habe unberechenbares Künstlerblut in mir! Ohne das hätte ich es in meinem Beruf nicht so weit bringen können. Seien Sie anständig!

      Regine: Ich will nicht.

      Stader: Aber ich kann Ihnen ja doch zu sehr schaden!

      Regine: Tun Sie es. Sie kennen mich ja, wie ich wirklich und wahrhaftig bin; Sie haben mich in der Hand. Ich will, daß Sie diese Mappe Seiner Exzellenz ausliefern.

      Stader: Ja, aber haben Sie denn gar kein Schamgefühl?! Das wird vor Gericht ausführlich behandelt werden! Sie müssen doch etwas Schamgefühl haben, Sie werden sich doch nicht so bloßstellen lassen! Oder Angst!?

      Regine: Hören Sie »Ferdinand«: Man kann innen heilig sein wie die Pferde des Sonnengotts und außen ist es das, was Sie in Ihren Akten haben. Das ist ein Geheimnis, das Ihr Institut nie entdecken wird. Man tut etwas und es bedeutet innen etwas ganz andres als außen. Mit der Zeit aber hat man innen doch nur das getan, was außen geschehen ist. Man hat nicht mehr die Kraft, es zu verwandeln!

      Stader: Nun, ich könnte unter Eid nur aussagen, daß Sie jederzeit sehr wirklich bei der Sache gewesen zu sein schienen.

      Regine: –?! Ja. Sie haben recht. Das ist das Entsetzliche. – Aber Sie müssen gehn; wir können hier nicht länger bleiben.

      Stader: Ja, ich habe auch schon größte Eile, ich muß zum Zug. Mit einem letzten Versuch. Professor Thomas ist bedroht! Ein dunkler Anschlag schwebt über seinem Haupte. Sie wissen ja nicht, was in dem Brief steht, den Sie gesehen haben: Anselm ist nicht Ihrethalben hier, er ist hier, um seinem Freund die Frau zu entführen!

      Regine: So? Sie müssen hier durchgehn. Da kommt eine Tür, die führt in ein Badezimmer, dann auf einen Gang und ein paar Stufen – ich werde Sie lieber selbst führen. Sie geht voran.

      Stader in der Schlafzimmertür: Ich gehe jetzt zu Seiner Exzellenz. Ich gebe es also Seiner Exzellenz. Aber bevor ich es Seiner Exzellenz gebe, wäre ich auf der Bahn noch zu treffen. Und vielleicht auch noch nachher … Solche Geschichten, das verstehe ich nicht; ein Mann hat Logik! Ich habe gedacht, Sie würden alles tun, um die Mappe zu erhalten. Ab.

      Die Bühne bleibt einen Augenblick leer, bevor bei der andren Türe Anselm eintritt. Er sieht sich vorsichtig um, geht rasch zur Schlafzimmertür und versinkt, auf den Türrahmen gestützt, in Betrachtung. Sein Ausdruck ist der der visio beata. Plötzlich weicht er zurück wie bei einer unerlaubten Handlung betreten und sucht sich eine harmlose Haltung zu geben. Regine ist durch das Schlafzimmer zurückgekehrt, tritt ein und steht ihm gegenüber.

      Anselm: Du warst im Zimmer?

      Regine: Nein, ich bin von außen gekommen, aber du hast mich nicht gleich bemerkt.

      Anselm: Ja, ja, ich suchte dich; ich habe sie stehengelassen, aber ich fand dich nirgends.

      Regine: Das ist ja nicht wahr.

      Anselm blickt sie überrascht an, dann sagt er ruhig: Maria? Aber was denkst du! Sie amüsiert mich.

      Regine: Sie wartet auf dich?

      Anselm: Ich sollte ihr etwas holen, ein Schultertuch; aber sie kann lange warten. Sie sieht in mir einen romantischen Helden und erwartet mittelalterliche Aufmerksamkeiten von mir; sie begreift etwas schwer wie fast alle stattlichen Frauen.

      Regine verstellt: Hast du ihr essen zugesehn? Sie kaut langsam wie eine Kuh. Am liebsten möchte sie immer auch blumige Gespräche, große grüne Wortlandschaften zum Grasen; das machst du übrigens großartig.

      Anselm sucht sie zu überbieten. Und da er sich nach den vorausgegangenen leidenschaftlichen Szenen mit Maria in der Gegenphase des geistigen Ekels befindet, spricht er anfangs überzeugungsvoller: Ja, sie braucht Lyrik, geradezu mit der Butterspritze. Das macht mich rasen. Thomas wirkt, nach ihr genossen, trocken herrlich wie Wüstenwind. Verstehst du, ich halte es gar nicht für ausgeschlossen, daß sie ihn plötzlich verläßt, wenn der Geist über sie kommt; diese über achtzig Kilo schweren Seelen fallen wie die Säcke um.

      Regine: Würdest du sie gern so sehn? Sie fordert dazu heraus, ihr irgendwie Paprika in den Körper zu praktizieren und sie hüpfen zu machen, um ihr dann zu sagen: Meine liebe Maria, ein hygienischer Geruch von Tugend umgibt Sie wie die reine Karbolluft Spitäler, solche Sprünge sind nichts für Sie!

      Anselm: Hopsen Sie nicht so, alte Tugend! Ich würde da gern ihr Gesicht sehn.

      Regine: Erinnerst du dich noch, wie dünn ihre Beine waren, und die Höschen hingen dem Musterkind immer vor. Jetzt kann man das nicht sehn, aber seit wir hier sind, verfolgt mich die Frage, ob die Beine noch immer zu dünn sind?

      Anselm kann nicht mehr mit: Von früh bis spät beisammen: Sprechen wir nicht mehr von ihr; es schüttelt mich, wenn ich an sie denke.

      Regine: Siehst du, du lügst! Oh, wie du lügst!

      Anselm: Würde ich so über sie sprechen können?!

      Regine: Ach du! Du sprichst doch über einen Menschen nur gut, solange er dir gleichgültig ist. Wenn du etwas für ihn empfindest, so beschmierst du ihn mit Schmutz, damit du es versteckst! Sie bricht plötzlich ab. Komm fort!

      Anselm unwillig: Warum?!

      Regine: Komm fort, Anselm! Wir reisen! Wir fliehn! Wenn Josef da ist, sind wir schon weg. Du hast dich hier verstrickt, du kannst von Maria nicht los.

      Anselm: Sei doch nicht gleich so gräßlich weibisch. Er überlegt. Du müßtest im Gegenteil Maria bitten, daß sie mit uns kommt.

      Regine: Und?

      Anselm: Wenn wir außerhalb dieses Hauses zusammenleben, kann dein Mann uns die größten Unannehmlichkeiten bereiten; wenn du mit deiner Schwester reist, kann er gar nichts tun.

      Regine: Und–?! Das schlag dir aus dem Kopf. Ich mache euch nicht noch länger die Mauer.

      Anselm:

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