Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Einem Landstreicher opfern!

      Alpha an der Brust der Freundin: Sie verstehn noch immer nicht, daß man sie nicht braucht. Sie beleidigen mich durch ihren Schutz. Sie deutet ihnen bloß zornig mit dem Fuße, daß sie gehn sollen, von Eigensinn geschüttelt.

      Freundin: Aber Alpha! Das wußte ich ja gar nicht? Alpha! Hast Du es Dir überlegt?

      Alpha zornig verweint: Was?

      Freundin: Du willst wirklich wegen Vinzenz –?

      Alpha: Was? Was?

      Freundin: Nichts.

      Alpha: Was weißt Du? Die Freundin streichelt sie immer zärtlicher. Du weißt etwas?! Faßt sie fragend an den Schultern.

      Freundin: plötzlich von Liebe, Scham, Reue überwältigt, fällt ihr erst um den Hals, sinkt dann vor ihr in die Knie: Er ist Deiner nicht würdig! … Er ist ein Verführer …!

      Alpha macht sich kalt los: Du? – Du hast – etwas mit ihm gehabt?

      Freundin auf den Knien: Du weißt, es ist meine Schwäche! … Aber er … er …

      Alpha: Pfui … Oh, bist Du mir widerwärtig. Wie ein nasser Fetzen, der sich jedem Mann anklatscht. Und am Ende noch dazu hier? Hier?

      Freundin: Es war so – Es war soviel Menschenliebe dabei. Es fing so allgemein an …! Sie umfassend. Verzeih mir. Verzeih! Ich liebe Dich ja so!

      Alpha ihr plötzlich in die Haare fahrend, ins Gesicht schlagend, usw.: So liebst Du mich, so!!! Sie ringen.

      Freundin wimmernd: Bitte, bitte, ich liebe Dich so …

      Alle sind aufgesprungen, wollen trennen, werden beinahe umgerissen, es ist unzweifelhaft keine schöne Szene. Von dem Lärm herbeigerufen, ist Vinzenz aus dem Nebenzimmer eingetreten. Freundin am Boden. Alpha verstört abseits kniend.

      Alpha: Ich schäme mich … Von einem zum andren sehend. Oh, was denken Sie von mir –? Sie ist nahe daran, verzweifelt in Weinen auszubrechen.

      Vinzenz: Nun, was denken Sie, – darf ich es sagen? Alpha wirft ihm einen hilflosen Blick zu. Die Freundin springt auf und stürzt an Vinzenz’ Brust. Vinzenz legt sie dem Musiker in die Arme. Nur für einen Augenblick! Zu allen. Ein ungewöhnliches tragisches Talent!

      Alpha sieht ihn an und versteht die Rettung.

      Alle ungläubig: Das war gespielt?

      Vinzenz: Nun selbstverständlich. Er hilft Alpha auf. Dabei zur Freundin. Sie müssen verzeihen, Sie konnten wegen der Natürlichkeit nicht verständigt werden. Zu allen. Es gibt nichts, wie Sie wissen, wofür Alpha nicht übernormale Begabung hätte, aber man verlangte eine Probe. Es war gefordert, daß sie den nächstbesten geringfügigen Anlaß zu einer «Szene» ausgestalten solle. Denn wir benützen nur Szenen, die aus dem Leben selbst hervorgehn; nur die haben volle Natürlichkeit. Wir denken sogar daran, mit unsrem Kapital Schicksale so zu beeinflussen, daß wir sie dann aufnehmen können. Kein Berufsschauspielertum mehr! Ich bin nämlich seit einiger Zeit in Verbindung mit dem Film: «Licht und Liebe, Gesellschaft zur Herstellung wahrheitsgetreuer Filmaufnahmen im Rahmen der Gesetze.» Wir dürften soeben in Alpha eine verblüffende Kraft gewonnen haben.

      Alpha: Eines ist wahr: unsre Filmschauspielerinnen haben zu wenig Menschlichkeit, es sind banale Fratzen.

      Vinzenz: Und was gewöhnlich in der Wirklichkeit geschieht, gehört bestenfalls ins Kino.

      Politiker: Aber Licht und Liebe? Das ist eine Erfindung! Das ist ja der Name einer Missionsgesellschaft!

      Vinzenz: In der Tat? Möglich. Aber Sie müssen zugeben, daß es auch ein fabelhafter Titel für ein Filmunternehmen ist.

      Musiker zu Vinzenz: Und Sie? Und wir?

      Politiker zuckt die Achseln und schickt sich zum Gehn an.

      Musiker: Und die Heirat? Und Halm?

      Vinzenz: Ich hoffe.

      Alpha die sich inzwischen gefaßt hat: Ihr seid mir alle grenzenlos gleichgültig. Ihr seid alle geistig gestorben für mich. Auch Vinzenz.

      Vinzenz: Wir dürfen hoffen. Sie mißtraun mir mit Unrecht. Es wird sich klären. – Aber lassen wir vorläufig die beiden Künstlerinnen allein. Er begleitet die Freunde zur Tür hinaus. Alpha und die Freundin haben währenddessen vor dem Spiegel Haar und Toilette wieder geordnet.

      Freundin ängstlich: Du warst so roh … Heimlich. Aber Du hast mich so begeistert!

      Alpha: Wir müssen uns aussprechen. Ich habe mich ja seltsam benommen. Es war sogar etwas sehr Seltsames … Du darfst natürlich nicht glauben –: Wenn Du Vinzenz willst –? Mir hat er nie viel bedeuten können.

      Vinzenz kehrt vorsichtig, nach der Stimmung spähend, zurück; Überrock und Hut, Köfferchen in der Hand.

      Freundin: Ach, Du bist mir ja jetzt erst nahe gekommen!

      Alpha: Wir werden also heut abends sprechen. Hier ist der Schlüssel. Warte – Sie sucht vergeblich nach einem Schlüssel. Vinzenz legt still den seinen ihr vor die Hand. Freundin nimmt den Schlüssel und geht rasch, ohne Vinzenz anzusehn, ab.

      Vinzenz: Also jetzt soll ich wohl auch gehn?

      Alpha beginnt wieder unruhig auf und ab zu gehn wie in der ersten Szene: Du brauchst Dir nicht einzubilden, daß ich Dir etwas nachtrage. Soll ich Dir mit etwas aushelfen? Du hast ja schließlich Deine Stellung verloren, während Du bei mir warst.

      Vinzenz: Gib mir die Hand. Er hält ihr die seine hin. Es hat mich doch recht angestrengt, das Wiedersehn mit meiner Seele.

      Alpha nimmt nicht die dargereichte Hand. Vinzenz geht zum Spiegel und bürstet nachdenklich seine Haare.

      Vinzenz: Aber wenn ich Dir zum Abschied etwas raten darf: Ruf diese netten Herrn wieder zurück.

      Alpha: Das hat ein Ende! Das muß ein Ende haben!

      Vinzenz: Schau! Er hält ihr die Bürste an beiden Enden und mit allen Borsten hin. So viele Enden! Erinnerst Du Dich nicht mehr?

      Alpha: Wenn alles an Dir so treu wäre wie Dein Gedächtnis für die Fehler andrer, dann wäre es nicht so weit gekommen. Sie nimmt ihm die Bürste aus der Hand und setzt ihren Weg wieder fort.

      Vinzenz: Ach, liebe Alpha, es handelt sich um andres, schau! Er zeigt ihr etwas, das er noch immer zwischen den Händen hält.

      Alpha: Was?

      Vinzenz: Das Ende ist das letzte: ein weißes Haar.

      Alpha nimmt es ihm schnell aus der Hand: Das ist von meiner Freundin.

      Vinzenz: Vielleicht ist es von mir. Das nächste wird von Dir sein. Man kommt in die Jahre, man kann nicht ewig

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