Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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hat, werde ich als Bedienter bei einer Lebedame beginnen oder bei einem Börsenmann.

      Alpha: Aber das ist doch nicht Dein Ernst? Wir haben wenig Zeit, Vinzenz.

      Vinzenz: Es ist, was ich so meinen Ernst nenne. Findet man sein eigenes Leben nicht, so muß man hinter einem fremden dreingehn. Und da ist es das beste, es nicht aus Begeisterung zu tun, sondern gleich für Geld. Es gibt nur zwei Möglichkeiten für einen ehrgeizigen Mann: ein großes Werk zu schaffen oder Bedienter zu werden. Für das erste bin ich zu ehrlich; für das zweite reicht es gerade noch.

      Wenn Du aber vielleicht einmal Lust bekommen solltest – ich fürchte nämlich doch, Du könntest durch Deinen übereilten Schritt noch sehr unglücklich werden – Alpha: Soll ich wohl in das gleiche Haus kommen? Du verschaffst mir, wo Du bist, eine Stelle als Dienstmädchen?

      Vinzenz: Nein, wollte ich Dich bitten, in ein andres Haus zu gehn; wir sind einander vielleicht doch zu ähnlich.

      ende

      Vorspiel zu dem Melodrama «Der Tierkreis»

[1. Mai 1920]

      Landstraße. Schneesturm. Dunkler Abend. Mann, Frau kommen schwer ankämpfend, bleiben erschöpft stehn.

      Mann: Not, Tod! Er läßt eine schwere Hausierertrage von den Schultern gleiten und lehnt sich erschöpft darauf.

      Frau: Was treibst Du?! Seit einer Stunde sagst Du nichts als diesen Blödsinn.

      Mann: Seit einer halben erst; es muß einen Grund haben. Mein Herz ließ aus, ich hätte die verdammte Kraxe stehn lassen sollen. Jeden Besitz hab ich stehn lassen, den letzten Dreck hab ich durchs Wetter schleppen müssen! Not, Tod! Haha, nein, ich dachte, ich muß sie retten!

      Frau: Wir kommen um, wenn wir stehen bleiben. Hilf mir lieber vorwärts. Sie kann sich kaum gegen den Sturm am Platze halten.

      Mann: Ja, wir kommen sicher um.

      Frau: Komm, komm! War seit vier Stunden kein Haus, muß doch bald eins kommen!

      Mann an einen Baum gelehnt: Ich kann nicht. Ich habe mich übernommen.

      Frau: Aber was soll ich denn tun?! Soll ich hier auf der Straße verrecken – wie ein Roß?!

      Mann: Vorwärts!

      Frau: Vorwärts!

      Mann: Nein Du! Geh allein.

      Frau: O Gott, da soll ich nun alles liegen lassen!

      Mann: Vorwärts, vorwärts! Du wirst schon ein Haus finden. Vorwärts, sage ich!

      Frau: Aber ich fürchte mich vor dem Sturm.

      Mann: Vorwärts, sage ich! Sonst krepierst Du. Er schlägt sie mit dem Stock.

      Frau: Au! Du Tier!

      Mann: Sonst krepierst Du!

      Frau: Gott wird Dich strafen, daß Du mich allein in die Nacht jagst! Heulend davon … Allein in die Nacht jagst …

      Mann hinter ihr dreinschreiend: Sonst krepierst Du ja …

      Die Frau kämpft sich mühsam durch den Sturm. Ab.

      Mann: Sterben will ich allein! … Stirb Du fünfzig Schritt weiter. Lehnt sich wieder an seinen Baum. Zieht aus der Brusttasche eine halb geleerte Scbnapsflasche, hält sie gegen den Rest von Lichtschimmer. Ja, ja, noch ein bißchen, noch ein klein wenig. Wirft, ohne zu trinken, die Flasche in den Schnee. Not, Tod, bin ich das Weib los, brauch ich den Schnaps nicht; das Trinken kommt nur von der Sprache.

      Ein schwacher, sich ausbreitender Lichtschimmer wird von der Flasche ausgegossen und in dem stehn plötzlich die zwei Worte da. Mittelgroße Gestalten in dunklen Kapuzenmänteln, anfangs zu einem Umriß zusammengewachsen.

      Mann: Seit wann kenn ich Euch? An der Wiege seid Ihr mir nicht gesungen worden! Verfluchte Worte! Ihr wart der Wurm im Apfel meines Lebens! Wie schön war trotzdem der Apfel.

      Not: Hast Du nicht gelacht, wenn alte Leute zitterten?

      Mann von der Vorstellung erheitert: Ja, ja.

      Not: Wenn Du ein Gesicht sahst, das von Kummer und Krankheit entstellt war?

      Mann: Ja, ja. Und ich lache noch, wenn ich dran denke. Das ist eine dumme Wichtigtuerei mit dem Leiden, man soll davor das Gesicht ziehn wie man den Hut zieht.

      Not: Dich liebe ich! Wer so sprechen kann wie Du, den habe ich immer geliebt!

      Mann: Bei Gott, erst seit ich dreißig Jahre alt war, hast Du mich zu lieben begonnen. Und wie bescheiden Du’s eingefädelt hast. Erst nur ein-, zweimal alle paar Monate eine flüchtige Visite, das hält war, ohne zu übermüden. Dann ein paar Stunden Gesellschaft im Tag. Und mit einmal bist Du jede Nacht bei mir im Bett gelegen und warst nicht mehr aus den Schrägen zu drücken.

      Not: Wenn ich Dir einen Arm um die Brust und einen um den Bauch schlang, wie wandest Du Dich, mein Knabe und hieltst Dich doch hin. Wie durchschnitt mich Dein Stöhnen, wenn ich Dir auf dem Hals ritt!

      Mann: Hast mir die Polster verkauft und das Leintuch weggezogen. Mußtest dann selbst auf barem Stroh liegen!

      Not: Und kein Nachthemd mehr und bald überhaupt nur ein Hemd. Und kein Bad und kein warmes Wasser und bald keine Seife mehr. Wie hast Du zum Schluß schon gestunken, mein Junge, bei lebendigem Leib; wie Wildpret. Und warst doch früher in Batist gegangen.

      Mann: Als ich dem Hund das stehengelassene Futter aus der Schüssel fraß, das richtete mich wieder auf. Welch ein Genie ist der Mensch doch auch nach unten! Können ruhig andre meine Seidenhemden tragen.

      Not: Genug, Liebling; damit langweilst Du mich schon, ich war Dir zu lange treu wegen Deiner philosophischen Einfälle. Ich habe Gesellschaft.

      Mann: Wohl der Herr Zuhälter?

      Not: Ja; der erschlägt Dich jetzt. Ich habe nicht Zeit, mich länger mit Dir abzugeben.

      Mann: Oh, mein Fledermäuschen, verdien ich das?

      Not: Hast Du je etwas verdient?

      Mann: Aber dann doch auch nicht einen so stattlichen, kühnen Tod wie Deinen Herrn Zuhälter?

      Not: Solang es Dir gut ging, hast Du den Armen in die hingehaltene Hand gespuckt, und als Du selbst den Bettlerhut anhalten mußtest, hast Du ihn rasch aufgesetzt, wenn ein Reicher vorbeikam. Darum mach nicht so langsam, es hilft Dir doch keiner. In einem Flackern des Lichts sieht es einen Augenblick lang aus, als stünden ein Zuhälter und seine Freundin unschlüssig vor dem hingesunkenen Mann. Dann erlischt das Bild.

      Das Licht leuchtet wieder auf und neben einem Bildstock steht wie herausgestiegen eine schöne Frau. Blau-weißes barockes Seidengewand, Goldkrone auf dem Haar. Der Mann hat sich an seinem Stock aufgerichtet, als wollte er weiter.

      Die Himmlische:

      Halt an, mein Kind, wo gehst Du hin?

      Weißt

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