Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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der nimmer schweigenden Stimme, die mir zusprach. Aufspringend, wild. Ich glaube es nicht, Vinzenz! Auf ihn sinkend. Mach mit mir, was Du willst …!

      Vinzenz trägt wehmütig, selbst berauscht lächelnd, die ohnmächtig Hingegebene in den Alkoven und zieht die Vorhänge zu.

      Freundin nach einem Augenblick des Spähens und Lauschens sich hereinstehlend, geht an Alphas Schreibtisch und nimmt – Hut am Kopf – Papier und Schreibzeug. Das Geschriebene teils mitlesend, teils laut prüfend: Verzeih mir, Geliebte, daß ich gelauscht habe. Ich bin unglücklich. Nein, ich bin glücklich. Doch bin ich unglücklich. Ich bewundere Dich noch viel mehr, seit er Dich liebt. Aber ich bin unglücklich. Es ist der einzige Mann, den ich je erblickt habe. Du weißt, leider, ich habe viele gesehn. Wenn einer vor mich trat – mit seinen hungrigen, von Sympathie feuchten Augen: .. so rührt es mich immer im Grunde an. Sie weint. Ich weiß nicht mehr, wie ich leben soll. Ich werde ihm mein Vermögen vermachen, um zu Eurem Anfangskapital beizusteuern. Ich könnte auch mit Fürst … sprechen. Oder nehmt mich als Gesellschaftsdame an … Ach, ich weiß, daß man ein solches Wunder nicht teilen kann! Eure vernichtete, tief unglückliche – sei nicht böse, wenn ich tiefunglücklich sage, ich weiß ja, daß ich Eurer nicht wert bin – Es tritt Bärli ein; in Gegensatz zu seinem früheren Verhalten unheimlich ruhig; von oben bis unten schwarz, feierlich verstört, in der Hand eine Browning. Er stößt auf die Freundin, welche sich erhoben hat, und gerät sichtlich aus dem Konzept.

      Bärli heiser: Was wollen Sie da?

      Freundin: Ich? Herr Bärli?

      Bärli: Ja.

      Freundin: Aber!

      Bärli: Fort!

      Freundin: Aber?

      Bärli: Sofort! Er hebt die Pistole gegen die Gelähmte. Sie stören mich!

      Die Freundin flüchtet mit einem fürchterlichen Schrei aus dem Zimmer. Alpha öffnet erstaunt und entrüstet den Vorhang.

      Bärli: Aah! Er verbirgt die Pistole am Rücken.

      Alpha: Aah! Sie haben schon wieder eine Pistole! Vinzenz!!

      Vinzenz schon an der Tür: Ich hole Hilfe! Ich bin gleich wieder da! Er macht das Zeichen der Geistesgestörtheit. Ab.

      Alpha nachrufend: Vinzenz! Vinzenz!

      Bärli treibt Alpha schwarz, schweigend und langsam durch das Zimmer, die Pistole am Rücken. Düster: Machen Sie keinen Lärm, Alpha, es nützt nichts mehr.

      Alpha will zur Tür, er treibt sie wortlos in die entgegengesetzte Ecke, Alpha will zum Fenster, das gleiche. Endlich hält Alpha eingeschüchtert still.

      Alpha: Wa – was wollen Sie?

      Bärli: Sphinx.

      Alpha: Sphinx? Oh Gott, Sie sind krank, Bärli. Lassen Sie mich jemand rufen.

      Bärli: Tötete, wer ihre Fragen nicht beantworten konnte. Wenn Sie bloß fünfundzwanzig Prozent meiner Fragen beantworten, töte ich mich allein. Lieben Sie das Leben, möchten Sie noch einmal sechzehn Jahre alt sein?

      Alpha: Ja sehen Sie, da müßte man … Oh, Gott! Das kann man doch nicht so einfach fragen …!?

      Bärli winkt ab, die Frage ist unbeantwortet: Ist es nach dem Tode zu Ende oder nicht?

      Alpha: Ja, sehen Sie, der Professor … – aber der Nationalrat sagt: –

      Bärli: Wen lieben Sie von Ihren Freunden am meisten?

      Alpha: Keinen! Wirklich keinen!

      Bärli: Wen schätzen Sie am meisten?

      Alpha: Aber doch jeden in seiner Art.

      Bärli: Warum lieben Sie Musik?

      Alpha: Ja das kann ich doch nicht wissen!

      Bärli: Warum machen Sie dann Musik?

      Alpha sieht ihn sprachlos an: Sie sind krank, oh, Gott, Bärli, lassen Sie mich jemand holen.

      Bärli: Bereuten Sie nie etwas?

      Alpha: Be –?

      Bärli: Ja. Be–reu–en! Ich meine: Sind Ihnen alle Sünden Ihres Lebens leid, vom Grund Ihres Herzens?

      Alpha: Oh gewiß. Sicher. Vieles.

      Bärli: Was?

      Alpha: Ja, das hab ich doch lang wieder vergessen.

      Bärli: Sie sind sich also nicht klar über das stündlich wachsende Maß von Sünden, Reue, Gutem, bessernden Vorsätzen, als das Sie leben?

      Alpha heftig: Nein! Nie! Das kann man nicht wissen! Niemand!

      Bärli eine neue Walze einlegend: Würden Sie töten, stehlen, ehebrechen, Ihrem Beleidiger verzeihn?

      Alpha: Das hängt davon ab!

      Bärli: Sind Sie hoffärtig, mißgünstig, rachsüchtig, schadenfroh?

      Alpha: Das kann man nicht so einfach sagen!

      Bärli: Sie antworten vor meiner Pistole. Antworten Sie mir positiv! Nach welchen Grundsätzen richten Sie Ihr Handeln?!

      Alpha: Das kann man nicht so einfach sagen!!! Das hängt davon ab!!! Das richtet sich danach!!!

      Bärli: Darf ich also heute den Arbeitslohn vorenthalten? Auch nicht zum Teil? Wann habe ich andren etwas weggenommen und wann nicht? Warum ist Wahrheit besser als Lüge? Lust besser als Leid? Sittlichkeit besser als Unsittlichkeit? Soll man Kinder haben? – Alpha: Oh Gott! Sie verkriecht sich, von Entsetzen geschüttelt, in eine Decke, die sie über den Kopf zieht.

      Bärli ohne sich bremsen zu können: Soll man selbstlos sein? Soll man national oder übernational sein? Weshalb gehe ich ins Kino? Sehe gern Akrobaten? Er bemerkt jetzt erst, was Alpha inzwischen getan hat, hebt langsam die Pistole empor, jedes Wort wägend. Sie haben mit Ihrem Geist, Alpha, meinen erschüttert. Durch Ihren Einfluß hat mein Dasein seinen Sinn verloren. Ich wollte in mich gehn und über mich nachdenken. Aber welche Antworten auf meine Fragen haben Sie?! Ich befreie mich von Ihnen!

      Alpha aus der Decke hervorkommend: Da müssen Sie doch anders fragen! Das muß man im Gefühl haben wie einen Tanz! Sie sieht sich vor der Pistole. Aaaa … a!!!

      Bärli gibt in rascher Folge drei Schüsse gegen Alpha ab. Wilder Schrei Alphas, sie versucht zu flüchten und stürzt auf das Gesicht. Ein Stuhl fällt um, und ein großer Stehspiegel zerbricht.

      Bärli zaudert, schüttelt den Kopf: Das muß man anders fragen? Muß man verstehn wie einen Tanz? – Verdammt will ich sein, wenn das nicht wieder etwas Neues ist? Diese Situation macht mich bloß lächerlich; ordentlich schämen muß man sich vor der Vernunft der Möbel, wenn man sich zwischen ihren Füßen wälzt. Aber was hilft es!! Er gibt zwei Schüsse gegen sich ab und stürzt auf den Rücken,

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