Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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um die Dame in der Pflege zu unterstützen, und die Abgesandte war ohne Widerrede angenommen worden.

      Das Mädchen mit dem schweigsamen, geräuschlosen Wesen paßte vortrefflich zu der Mission ... War es doch, als habe sich ihr junges, seltsam verdüstertes Gesicht förmlich aufgehellt, seit sie über die Schwelle des großen Salons gegangen war, um Tag und Nacht dazubleiben. José gewann sie lieb, und auch Donna Mercedes gewöhnte sich an das Mädchen, das nie sprach, ohne gefragt zu werden, und nie mit einem zudringlichen Blick die Dame auch nur streifte. Ganz ihrer Aufgabe hingegeben, bedurfte sie anscheinend zu keiner Zeit des Ausruhens, und nie zeigte sie das Bedürfnis, sich zu erquicken, oder auch einmal in anderer Luft aufzuatmen ... Sie schien nur außergewöhnlich empfindlich für jedes auch noch so leise Geräusch, das sich in der tiefen, behüteten Stille der Erdgeschoßwohnung bemerklich machte. Dann war es, als konzentriere sich die ganze Seele des Mädchens im Ohr, so gespannt regungslos und aufhorchend verharrte sie für Augenblicke ... Sie hemmte manchmal plötzlich wie festgewurzelt inmitten des großen Salons ihre Schritte – mit zurückgehaltenem Atem, den Oberkörper vorgebogen, und die unheimlich glimmenden Augen auf die Wand geheftet, an der sich die Ruhebank mit den grünseidenen Polstern hinzog, stand das sonst so beherrschte, herb verschlossene Mädchen da, wie eine gierig lauernde Katze, die das verborgene Nagen einer Maus hört und sich anschickt, auf das ahnungslose Opfer loszustürzen, sobald die trennende Schranke durchwühlt ist ...

      Lucile, die das Mädchen einmal in dieser Stellung überrascht hatte, behauptete, das sei offenkundige Verrücktheit, und ging ihr aus dem Wege, wo sie konnte ... Die kleine Frau kam überhaupt jetzt seltener in die Erdgeschoßwohnung – es ärgerte sie, daß man immer noch so »viel Wesens« mache; dem Jungen täte kein Finger mehr weh, und doch würde immer noch so unausstehlich geschlichen und geflüstert; und wenn sie »dem armen halbverhungerten Kerl« ein paar unschuldige Näschereien zustecke, da zanke man auf sie hinein, als habe sie ihn vergiften wollen.

      Von dem, was zwischen Donna Mercedes und dem Hausherrn vorgefallen, ahnte sie nichts. Sie fand es ganz begreiflich, daß er sich nunmehr wieder in das Atelier zurückgezogen und in sein Werk vertieft habe, um die Versäumnis der letzten Wochen auszugleichen, und es verdroß sie nur, daß er für nichts anderes mehr Augen und Ohren hatte. Er stehe wie festgenagelt vor seiner Staffelei, sagte sie, und der Blick, den er ihr seitwärts zuwerfe, wenn sie sich einmal einfallen lasse, durch die Glaswand des Wintergartens zu schielen, sei nichts weniger als einladend.

      Allem Anschein nach suchte sie sich »der aus allen Ecken gähnenden Langeweile« durch Unterhaltung in ihren Räumen zu entziehen – sie setzte offenbar ihre Tanzübungen fort. Die kleine Paula erzählte, die Mama habe Flügel wie die Englein in Josés Bilderbuch, sie habe »immer keine Strümpfe an« und lauter Gold und Silber auf ihren Kleidern ... Dabei wurden drüben große Kisten gepackt und fortgeschickt – »lauter altmodische Toiletten«, welche die Modistin in Berlin auffrischen und verändern sollte ... Lucile ging jetzt auch öfter in Begleitung ihrer Kammerjungfer aus, und nie kehrte sie zurück, ohne daß Träger mit umfangreichen Paketen ihr folgten. Sie kaufte an Stoffen und modernen Schmucksachen, was ihr gefiel, und verhielt sich den Preisen gegenüber mit der Gleichgültigkeit einer überseeischen Grundherrin, die Tausenden und aber Tausenden zu befehlen hat.

      Nun kam sie eines Nachmittags, zum Ausgehen gerüstet, in den großen Salon. Sie sah ein wenig erhitzt aus, und die Augen glänzten aufgeregt durch den Gazeschleier, den sie gegen Staub und Sonnenbrand bereits vor dem Gesicht kokett aufgesteckt hatte.

      »Meine Kasse ist leer, Mercedes,« sagte sie obenhin. »Ich habe verschiedenes zu bezahlen und brauche mindestens fünfhundert Taler.« Mit nachlässiger Gebärde hielt sie die kleine behandschuhte Rechte hin, um das Verlangte in Empfang zu nehmen.

      »Du hast vor kurzem erst eine gleich große Summe geholt–« versetzte Donna Mercedes erstaunt – sie wollte offenbar noch etwas hinzufügen, allem die kleine Frau unterbrach sie sofort.

      »Oh bitte, rege dich doch ja nicht auf um einer solchen Kleinigkeit willen,« sagte sie boshaft und winkte beschwichtigend mit der Hand. »Aber auch fünfhundert Taler!« wiederholte sie mit Pathos. »Ein Heidengeld! Meiner Mama freilich fielen fünfhundert Taler nur so durch die Finger, wenn es galt, auf den Gastreisen Trinkgelder zu geben – das könnten wir arme Schlucker natürlich nicht... Bah, möchtest du mir nicht auch die paar Bissen, die ich esse, in den Mund zählen, Donna Mercedes?« – Sie streckte bitter auflachend die Hände gen Himmel. – »Das ist die glänzende Versorgung, die man mir vorgespiegelt hat, als ich mich entschloß, mit nach Amerika zu gehen!... Übrigens« – sie fuhr mit einer sprechenden Gebärde mit der Hand über den Kais – »ich will gleich meinen Kopf verwetten, daß dir nicht das Recht zusteht, meinen Geldverbrauch in der engherzigen Weise zu kontrollieren; und deshalb werde ich mich endlich einmal beschweren –«

      Sie verstummte – dort auf dem Schreibtisch, an welchem ihre Schwägerin saß, lag bereits das Geld hingezählt. Donna Mercedes zeigte schweigend mit dem Finger auf die Banknoten – kein Muskel ihres Gesichts bewegte sich.

      Lucile strich das Geld zusammen und ließ es in ihre Tasche gleiten. »Ich werde Paula mitnehmen,-« – sagte sie – »das Kind braucht notwendig einen neuen Hut –«

      »Paula hat sich im Garten müde gelaufen – sie schläft drüben in der Kinderstube.«

      »So werden wir sie wecken.« – Sie flog, als habe sie keinen Augenblick Zeit zu verlieren, durch das Krankenzimmer in die Kinderstube; allein Donna Mercedes folgte ihr auf dem Fuße und hielt sie an der Tür zurück. »Welche Torheit, Lucile!« zürnte sie. »Um einer Laune willen das Kind aus seinem erquickenden Schlaf aufzuschrecken!«

      Aber schon hatte die kleine Frau förmlich erbittert die zurückhaltenden Hände abgeschüttelt; sie stieß die Tür auf und lief geräuschvoll in die Kinderstube hinein.

      Deborah saß strickend am Fenster, und die kleine Paula lag ausgekleidet in süßem Schlummer in ihrem Bettchen.

      »Dummheit!« zankte Lucile im höchsten Arger die schwarze Wärterin aus. – »Was fällt dir ein, das Kind zu einer kurzen Mittagsruhe bis aufs Hemd auszuziehen! ... Auch das noch!« stieß sie in namenloser Ungeduld hervor und stampfte mit dem Fuß den Boden.

      Sie riß die hingeworfenen Röckchen vom Stuhl und fing an, das Kind zu schütteln. »Paula, Paula, wach auf!« rief sie – es klang etwas wie Angst und prickelnde Unruhe aus diesen Tönen. Aber die Kleine schlief den Schlaf tiefster Ermüdung; sie schlug die Augen nicht auf, und das Köpfchen sank schlaftrunken auf das Kissen zurück.

      Inzwischen hatte sich die Schwarze erhoben und stellte sich beweglich bittend und protestierend vor die kleine Schlummernde.

      »Ich weiß nicht, was ich von dir denken soll, Lucile,« rief Donna Mercedes, ganz betroffen über das aufgeregte Gebaren ihrer Schwägerin.

      »Denke, was du Willst! ... Ich werde doch wahrhaftig so viel Recht haben, mein Kind mitzunehmen, wenn es mir beliebt!... Du wirft Paula sofort anziehen, Deborah!« befahl sie. – »Dabei wird die kleine Schlafmütze schon aufwachen.«

      »Das Kind bleibt in seinem Bett,« entschied Donna Mercedes mit kalter Ruhe.

      »Ach, Tante, was ist mit Paula?« rief José mit seiner schwachen Stimme ängstlich erregt herüber.

      Bei diesen Lauten erschrak Donna Mercedes. »Lucile, sei vernünftig,« sagte sie beschwichtigend, als spreche sie zu einem widerspenstigen Kinde. »Gehe später – dann kannst du Paula mitnehmen.«

      »Ich will aber nicht.« – Eine dunkle Röte bedeckte das zarte Gesicht unter dem Schleier, und es sah fast aus, als kämpfte die kleine Frau mit aufsteigenden Tränen.

      In

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