Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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hatte es ihr allerdings auf den Lippen geschwebt, ihm in das Gesicht hineinzusagen: »Ich will mit dir nichts zu schaffen haben, mit dem verheirateten Mann, zu dem mich die Gemeinheit anderer in ein zweideutiges Licht bringt! Du trägst die Schuld, weil du dich zu der Pflege des Kindes gedrängt, weil du mich von der ersten Stunde an verhindert hast, ein Haus zu verlassen, dem die Herrin fehlt, dem sie böswillig den Rücken gekehrt hat!« – Aber jetzt, wo diese tiefen Augen so nahe auf sie herabsahen, daß sie meinte, durch das köstlich schimmernde, dunkle, und doch so klare Blau in seine Seele hineinsehen zu können, jetzt fand sie nicht den Mut, dem Mann, der ihr in treuer Hingebung Stab und Stütze gewesen, dessen jedesmaliges Erscheinen sie zuletzt selbst ersehnt, egoistisch die ganze Verantwortung aufzubürden und ihm mit schneidendem Undank zu lohnen...

      »Warum noch ein Wort über die Gründe verlieren, die der ärztlichen Entscheidung gegenüber selbstverständlich fallen müssen!« sagte sie achselzuckend und sah auf die feinen Fingernägel ihrer Rechten.

      Er lächelte ironisch, bitter über dieses abermalige Ausweichen. »Ja, dieser Ausspruch hat verfügt, daß weder hinsichtlich des Zimmers, noch der Pflege irgend ein Wechsel eintreten soll,« wiederholte er langsam betonend, und sein Blick ???finerte durchdringend, fast wie in lauernder Prüfung, das Gesicht, das sich ihm plötzlich zuwandte.

      »Darüber werde ich doch noch ein Wort mit dem Doktor sprechen,« sagte sie rasch. »Oder vielmehr, wir, die Pflegenden, müssen uns über vorzunehmende Änderungen verständigen ... In den furchtbaren Leidenstagen war ich selbstsüchtig genug, Opfer anzunehmen, wo sie mir geboten wurden – das muß aufhören. Ich darf nicht länger dulden« – eine jäh aufsteigende Blutwelle überflutete ihr das ganze Gesicht – »daß Sie sich an der Pflege beteiligen –«

      »Also doch Laune, wie ich richtig vermutete!« fiel er kalt ein.

      Sie zuckte zusammen. Er hatte eine wehe Stelle in ihrem Herzen berührt, die Stelle, wo die Reue leise schlummert, um bei irgend einem Klang, einem Wort aufzuschrecken ... Ja, sie war einst, in den strahlend schönen Tagen, wo noch der breite Strom des Glückes und die Wogen des üppigsten, sonnenhellsten Lebens sie geschaukelt, launenhaft, übermütig gewesen! Alle diese Toten, die da im Bild die Ecke füllten, sie hatten die einzige Tochter des Hauses vergöttert und verzogen und dafür unter ihren wechselnden, unberechenbaren Launen oft genug gelitten! –

      »Die Lebensgefahr ist vorüber, und da gewinnen die bösen Geister die alte Macht,« fuhr er fort. »Sie wollen mir wehe tun, wie Sie vielleicht stets gewohnt gewesen sind, mit den armen Seelen zu verfahren, die in Ihren Lichtkreis treten mußten. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß Sie es hier mit einem schwerfälligen Deutschen zu tun haben – wir wissen mit dem pikanten Lustwesen ›Laune‹ – nichts anzufangen und suchen nach ehrlichen Gründen ... Und so möchte ich doch noch einmal fragen: Warum soll ich verbannt werden?«

      Sie sah deutlich, ihm kam nicht die leiseste Ahnung von ihren Beweggründen – er fühlte sich jedenfalls zu rein in seinen Absichten, um zu deuten, daß ein böses Licht auf seinen Verkehr im Krankenzimmer fallen könne. Nun führte er aber alles auf Launen ihrerseits zurück, und dieses Unrecht erbitterte sie; allein ihr unbändiger Stolz, der sie in solchen Fällen stets verhärtete, litt es auch jetzt nicht, daß sie sich auch nur zu einem Schein von Rechtfertigung herablasse ... Der böse Zug grenzenlosen Hochmutes, der die Dame im violetten Samt da oben charakterisierte, glitt in verblüffender Ähnlichkeit, abstoßend und verhäßlichend auch um den Mund der Tochter.

      »Ich habe es bereits gesagt – es widerstrebt mir, fernere Opfer anzunehmen,« versetzte sie in eintönig frostiger Wiederholung, aber ohne aufzusehen.

      Er trat mit einer ungestümen Bewegung vom Schreibtisch weg. »Ich könnte Ihnen entgegnen, daß Felix sein Kind so gut unter meinen Schutz gestellt hat, wie unter den seiner Schwester, so daß da, wo die Pflicht gebietet, von einem freiwilligen Opfer gar nicht die Rede sein kann – wir erfüllen eben beide nur unser gegebenes Wort,« sagte er, ihr das Gesicht über die Schulter zuwendend. »Ich habe aus dem Grunde dieses Zimmer –« er zeigte nach der Krankenstube – »bisher als vollkommen neutralen Boden betrachtet, auf dem wir einmütig wirkten: und müßte ich befürchten, daß mit meinem Ausscheiden aus der Pflege auch nur der mindeste Nachteil für José erwüchse, so wiche ich nicht um eine Linie von meinem Posten – sicher nicht! Ich weiß jedoch das Kind wohlbehütet, und so gehe ich! –«

      »Sie gehen im Zorne!« sagte sie mit blassen Lippen: allein sie stand da, als sei ihre schlanke Gestalt zu Marmor geworden – sie machte nicht die leiseste Bewegung, ihn zurückzuhalten; auch ihre Stimme klang trotzig und gereizt, fast, als gefalle sie sich im Widerstand. »Ja, ich grolle; aber zumeist mit mir selber, mit meiner Vertrauensseligkeit, die mich täppisch, gegen besseres Wissen, in eine demütigende Lage gebracht hat... Ich habe schon böse Worte von Ihren Lippen gehört – Sie haben mich schnöde verurteilt, ohne den geringsten Einblick in die wahre Sachlage –«

      Sie dachte cm ihre rücksichtslosen Bemerkungen im Atelier, und sich abwendend, schob und rückte sie mit unsicherer Hand an den verschiedenen Gegenständen auf dem Schreibtisch.

      »Ihr vernichtender Ausspruch über die unglückliche Negerrasse klingt heute noch in mir nach, wie er mich neulich in tiefster Seele empörte; –« fuhr er unbeirrt fort – »und doch ließ sich mein Urteil einlullen, weil ich Sie bewunderungswürdige Großmut und Selbstverleugnung gegen die Frau Ihres Bruders üben sah, weil Sie die tiefste Zärtlichkeit, einen rückhaltslosen Opfermut für seine Kinder an den Tag legen ... In Ihrer Seele ringen zwei Mächte – die Gottesgabe einer edlen, großangelegten Natur, und die Folgen der Erziehung. Unter den letzteren, der Wandelbarkeit der Laune, lassen Sie augenblicklich auch mich leiden; aber ein zweites Mal wird es nicht geschehen – ich habe wenig Neigung zur sklavischen Unterwürfigkeit in mir.«

      Er verbeugte sich und ging in das Krankenzimmer. Dort trat er an das Bett – Deborah war bei Erscheinen des Arztes hinausgegangen – und die Dame im Fensterbogen sah mit verstohlenem Seitenblick durch die Tür, wie er sich in tiefer Bewegung über das schlafende Kind beugte. Einen Augenblick legte er seine schöne, schlanke Rechte auf die Stirne des Knaben, dann verließ er durch die Kinderstube die Erdgeschoßwohnung.

      Donna Mercedes horchte auf seine verhallenden Schritte, als wolle sie den Klang in sich aufnehmen, weil – sie ihn in diesen Räumen nicht wieder hören sollte. – Sie hatte eben eine Sprache hören müssen, wie sie das verwöhnte, umschmeichelte Ohr der überall siegenden spanischen Schönheit noch nicht berührt ... Und doch war sie nur insofern im Unrecht, als sie ihre wohlbegründete Erbitterung und Gereiztheit nicht besser gezügelt – aber hatte sie es der Männerwelt gegenüber je der Mühe wert gehalten, sich liebenswürdiger zu zeigen, als sie augenblicklich empfand? ... Der da im Bronzerahmen, der Nabob von Südkarolina, der hochmütigste, anmaßendste unter den Pflanzerbaronen, er war in der Tat ihr Sklave gewesen – ihr Lächeln hatte Sonnenschein über ihn ausgebreitet, ihr kaltes Zürnen ihn in finstere Nacht gestoßen – jetzt glitt ihr Blick achtlos über ihn weg ...

      Sie verließ in stürmischer Bewegung den Fensterbogen, und vor Josés Bett niedersinkend, vergrub sie die glühende Stirn in das kühle Linnen der Decke. –

      22.

       Inhaltsverzeichnis

      Mehrere Tage waren verstrichen. Die Genesung des kleinen José schritt sehr langsam, kaum merklich vorwärts. Er lag matt und kraftlos in den Kissen, und nach wie vor mußte jedes laute Geräusch, jeder starke Lichtschein streng vermieden werden, denn die zurückgebliebene Schwäche des Kindes war groß. Man ging infolgedessen in der Nähe des Krankenzimmers immer noch auf den Zehen, im Vorgarten durften die Gasflammen noch nicht angezündet werden, und das Stroh auf dem Kiesweg vor der Säulenhalle war

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