Hexenhammer 1 - Die Inquisitorin. Uwe Voehl

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Hexenhammer 1 - Die Inquisitorin - Uwe  Voehl Hexenhammer

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rächen, das spürte sie.

      Doch Albert schien sich nicht darum zu scheren. Zu gern hätte sie ihn gewarnt, sich vor Vincenz in Acht zu nehmen, aber es ergab sich keine Gelegenheit. Und so konnte sie nur hoffen und zum HERRN beten, dass ihr lästerlicher Fluch nicht noch weiteres Unheil auf sich zöge.

      Aber zumindest eines hatte er bewirkt: Niemand wagte es mehr, Albert das Brot zu stehlen oder auf andere Weise seinen Zorn auf sich zu ziehen.

      Kapitel 2

       Aufstehen. Antreten. Asmodi unser, der du wandelst auf Erden. Trocken Brot und Haferschleim.

      Das Abendessen fiel heute aus, denn die Nacht des Vollmonds war angebrochen. Noch nie zuvor hatte sich Lotte so davor gefürchtet wie diesmal.

      Sie hatte Schuld auf sich geladen.

      Und sie war nicht die Einzige, die es wusste. Albert starrte sie noch immer während der Mahlzeiten an, noch unverblümter als zuvor. Einmal lächelte er ihr sogar scheu zu. Es war ein dankbares Lächeln. Wusste er, dass sie Vincenz den Tod gewünscht hatte?

      Und auch Vincenz’ Blick erhaschte sie ein Mal. Er war voller Hass. Ahnte er, dass sie für sein Martyrium die Verantwortung trug?

      Eine ahnte es ganz bestimmt: die Schwester Oberin. Auch sie schaute Lotte oft auf eine so merkwürdige Art an, mit einem Lächeln auf den Lippen, so als wüsste sie Bescheid.

      Lotte lief jedes Mal rot an, und es blieb ihr nicht viel mehr, als den Kopf zu senken und zu hoffen, dass die Schwester Oberin nicht ihre allerheimlichsten Gedanken las.

      Sie alle, die hier im haus zur heiligen dreieinigkeit den Glauben des HERRN erfuhren, waren spezielle Kinder. Sie alle besaßen eine Gabe. Über welche Gabe Lotte verfügte, wusste sie nicht. Sie war noch jung, die Gabe, so sagten die Schwestern, komme erst allmählich zum Vorschein, so wie eine Blume sich zunächst mühsam aus dem Erdreich nach oben graben müsse, um schließlich im Lichte zu erblühen. Doch um die Gabe zu fördern, war es erforderlich, den Schwestern jede nur mögliche Missetat zu beichten.

      Die Schwester Oberin rief die Kinder in die Krypta. So standen sie um den gläsernen Schrein, in dem eine Kralle Asmodis aufbewahrt wurde. Die Gesänge und Gebete zu Ehren Asmodis dauerten Stunden. Zum Höhepunkt wurde ein schwarzer Ziegenbock geschlachtet und zerteilt. Das Blut wurde sorgsam in Kelchen aufgefangen. Nicht ein Tropfen spritzte auf den Mosaikboden, auf dem Asmodis Höllenscharen verewigt worden waren.

      »Besser als Haferschleim, was?«, flüsterte Melisende und stupste Lotte an.

      Lotte erwiderte nichts. Ihre Kehle war jetzt schon wie zugeschnürt, wenn sie an die Beichte dachte.

      Die Schwestern gingen zu jedem Kind und drückten ihm ein Stück blutiges, warmes Fleisch in den Mund und segneten es dabei. Das Fleisch war der Leib Asmodis, und indem sie es in sich aufnahmen, wurden sie des HERRN selbst leibhaftig.

      Jedem Kind setzten die Schwestern einen Kelch mit dem Blut an die Lippen, damit es davon trinken konnte. Auch das war eine Spende des HERRN, und sie alle drückten ihre Dankbarkeit mit umso hingebungsvolleren Gebeten aus.

      Lotte ließ ihren Blick umherschweifen. Ja, auch Angela war gekommen. Sie hatte das todkranke Mädchen seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Nun schien es wieder bei Kräften zu sein. Schwester Gertruds Heilkünste hatten Wunder gewirkt. Die roten Wangen sprachen Bände. Ebenso wie die Striemen an ihren Armen, die von Schwester Adelheids Gerte zeugten.

      Als sie alle auf Geheiß der Schwestern ihre Gewänder ablegten und splitternackt vor dem Schrein standen, sah Lotte, dass nicht nur Angelas Arme von Schwester Adelheids Austreibungen gezeichnet waren. Beide Schwestern hatten auf ihre Art die Krankheit aus Angela getilgt.

      Die Schwestern begleiteten die Kinder zum Teufelshügel unweit des Klosters, um dem Mond so nah wie möglich zu sein.

      Sie alle waren aufgeregt und gespannt, die Jungen waren besonders vorlaut, aber heute wurde manche Verfehlung geflissentlich übersehen, selbst unerlaubt das Wort zu ergreifen, wurde nicht wie sonst auf der Stelle bestraft.

      Auch Lotte spürte die verlockende Berührung des Mondes. Die feinen Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf, als sein Licht auf sie fiel. Gleichzeitig fühlte sie eine unerfüllte Sehnsucht, die der Mondschein in ihr entfesselte, wie ein leises, aber dringliches Flüstern, dass da eine noch viel tiefere Wahrheit war als jene, die die Schwestern im haus zur heiligen dreieinigkeit verkündeten.

      Für ein paar Momente vergaß Lotte sogar die Furcht vor der Beichte. In der aufgekratzten Stimmung fühlte sie sich stark genug, der Schwester Oberin ihre Sünden zu gestehen und eine jede Strafe zu ertragen. Strafen waren etwas Vergängliches, doch der Mond und die Gefühle, die er in ihr hervorrief, waren ewig.

      Sie alle spürten seine prickelnde Macht. Einige der Kinder wälzten sich wie junge Hunde auf dem schneebedeckten Boden, andere tanzten und jauchzten, bis die Schwester Oberin sie endlich zur Ordnung rief.

      »Wir alle müssen nun Asmodi, unserem Herrn, Zeugnis ablegen von unseren Verfehlungen.«

      Mit diesen Worten begann zunächst die Befragung der Schwestern durch die Schwester Oberin. Wie immer waren sie rein und hatten keinerlei Schuld auf sich geladen.

      Einige der Kinder beichteten hernach, unreine Gedanken gehegt zu haben, wie die Arbeit niederzulegen oder während des Unterrichts wegzuhören.

      Ein Junge bekannte, den Schwestern die üppigen Speisen geneidet zu haben, ein anderer sprach davon, dass er im Traum den Wunsch verspürt habe, einen Menschen zu töten.

      Sie alle kamen mit milden Strafen davon. Schwester Adelheid verpasste ihnen einige Schläge, und ein paar von ihnen mussten zwei Tage lang ohne Brot oder Haferschleim auskommen. Einem anderen Kind wurde eine glühende Nadel in die Zunge gestochen, weil es sich während der Morgenandacht beim Gebet versprochen hatte …

      »Damit du nie wieder die Worte des HERRN vergisst«, sprach die Schwester Oberin. Sie strich mit der Hand ein Mal über die Opfernadel, die sogleich gleißend hell erglühte, und stieß sie in die ausgestreckte Zunge des Mädchens und segnete es mit den Worten: »Im Namen des HERRN, des Allmächtigen und Gewaltigen, dessen Kraft alles Körperliche und Geistige übertrifft, dass ihr keine Erdenmacht verglichen werden kann, nach dem Worte: Es ist keine Macht auf Erden, wie sie größer nicht existiert. Nema.«

      »Nema«, antworte ihr der Chor der Kinder und Schwestern.

      Als Nächstes ließ die Schwester Oberin Angela vortreten. Sie kniete nieder, den Kopf gesenkt.

      »Was hast du dem HERRN zu beichten?«

      Angela hob den Kopf und sagte: »Ich habe zugelassen, dass die Krankheit in meinen Körper kriecht. Er, dessen Name verflucht ist, hat sie mir geschickt.«

      Die Schwester Oberin strich ihr über den Kopf. »Du bist noch unreif und auf dem Wege, mein Kind. Ein Dämon entbehrt aller körperlichen Eigenschaften, deshalb empfindet er weder Schmerz noch Krankheit, wenn er den Weg zur höchsten Vollkommenheit beschritten hat. Du wirst die Exerzitien nun strenger befolgen. Schwester Adelheid wird dich durch ein Tal der Schmerzen führen, doch am Ende wirst du Seligkeit erlangen.«

      Angela lächelte ergeben, und Schwester Adelheid bekräftigte: »Sie ist bereits auf gutem Wege, Schwester Oberin.« Um ihre Worte zu untermauern, versetzte sie Angela einen

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