Om mani padme hum. Wilhelm Filchner
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Ich besitze noch 17 Rubel ...
Die nächsten Tage vergehen mit der Durchführung umfangreicher magnetischer Messungen. Höhenlage 540 Meter.2
Die russische Transportgesellschaft »Dobroflot«, die den Wagenverkehr mit China besorgt, ist glücklicherweise erbötig, meinen Gepäcktransport, sobald er hier eintrifft, nach Kuldscha in der westlichen chinesischen Provinz Sinkiang weiterzuleiten. Für mich die Rettung, da ich erst in Kuldscha zu bezahlen brauche. Ich kann also wider Erwarten mit dem schäbigen Rest meines Reisegeldes auskommen.
Im nahen Hospital herrschen die schwarzen Pocken und Flecktyphus. Gut, dass ich hier nicht lange zu verweilen brauche!
Ich miete einen Wagen zur Fahrt nach Chorgos, dem russischen Grenzort gegen China. Er kostet mich zehn Rubel. Das ist noch zu machen.
Am 19. Februar lege ich die 37 Werst bis Chorgos (1 Werst = 1,066 km) in viereinhalb Stunden zurück. Es ist heute »Roter Tag«, also Feiertag der Sowjetunion. Die Arbeit ruht, überall Trubel und Feststimmung!
Wir passieren verfallene und verlassene Kirgisenstädte, müssen eisführende, tiefe Bergbäche durchqueren, wobei der Proviant verdirbt. Dann ist die Zweigstelle des »Dobroflot« in Chorgos erreicht, wo ich schon angemeldet bin.
Ich habe die Ehre, im Amtsgebäude untergebracht zu werden. Ein Russe, der als Kriegsgefangener in Berlin war, wird mir zugewiesen. In seiner dreijährigen Gefangenschaft in Deutschland hat er tatsächlich einige Sätze Deutsch gelernt, die er voller Stolz immer wieder ableiert.
Abends besucht mich ein russischer Kosak, der eben von Kuldscha kommt. Er bringt mir Grüße von der Firma Faust & Cie. aber kein Geld.
Leider kann ich nicht gleich nach Kuldscha weiterfahren, da nur Wagen nach China durchgelassen werden, die einen Erlaubnisschein des chinesischen Konsuls in Alma-ata besitzen. Ich muss also hübsch warten, bis ein solcher Wagen von dort zufällig eintrifft oder mir aus Kuldscha herübergesandt wird.
In den paar Tagen Wartezeit trifft aus Dscharkent ein russischer Kurier ein, pockennarbig, mit helmartiger Tuchmütze und dem roten Sowjetstern, Aktentasche, Säbel und Revolver. Er ist sehr freundlich zu mir, stinkt wie die Pest und säuft mir den Tee weg. Damit ich ihn besser verstehe, brüllt er aus Leibeskräften.
Er erbietet sich, auf seinem Weg nach Kuldscha drüben im Chinesischen für mich einen Wagen zu besorgen und mir hierher zu senden. Ich bin aber noch nicht sicher, ob es klappt. Meine Lage ist nicht ohne Spannung. Ich besitze noch ganze sechs Rubel.
Auch der Natschalnik der Tscheka kommt zu mir und kündigt mir baldige Hilfe an.
Wie bin ich froh, als am Vormittag des 22. Februar sich tatsächlich ein Mohammedaner bei mir meldet, der mit seiner Telega von der chinesischen Seite gekommen ist und sich erbietet, mich für 35 Rubel nach Kuldscha zu befördern!
Vorerst sind aber noch allerhand Formalitäten zu erledigen. Der Oberbeamte der Zollstation, ein Pole mit Fliegerabzeichen, erledigt die Zeremonien, die Tscheka untersucht meinen Pass. Von meinen Instrumenten werden die Plomben abgenommen. Dann kreuzt noch ein hübsches junges Mädchen aus dem Büro der Tscheka meinen Weg und wünscht mir mit freundlichen Worten viel Glück. Ich nehme das als gutes Zeichen.
Um vier Uhr nachmittags rollt mein Wagen aus dem mit der Sowjetfahne geschmückten Zollhaus hinab zum gewaltigen Schotterbett des Chorgos-Flusses, dessen Geröll sich in einer Breite von sechs bis sieben Kilometern ausdehnt.
Ein richtiger Weg besteht nicht. Das Geröllfeld selbst bildet den Weg. Für meine Sorgenkinder, die Instrumente, ist’s eine heikle Sache, diese Hindernisbahn gewaltiger Geröllblöcke heil zu überwinden.
1 Unter Inklination oder Neigung der frei schwebenden Magnetnadel ist die Abweichung von der waagerechten Richtung zu verstehen.
2 Sämtliche in diesem Buch angeführten Höhen sind vom Verfasser bestimmt worden, und zwar in China mittels Siedethermometer und Aneroiden, in Tibet dagegen ausschließlich mithilfe des Siedethermometers.
2.
NACH KULDSCHA
Es war nicht gerade ein Einzug mit fliegenden Fahnen. Man kommt von Russland aus nicht einfach nach China hinein, indem man seinen Pass an der Grenze vorweist und den Kopf schüttelt, wenn die schlitzäugigen Zöllner, die Hand an der Mütze, fragen: »Haben Sie nichts zu verzollen?«
Der Übergang ist unangenehm, selbst auf den Hauptrouten, weil Chinesen und Sowjets gerade in der Gegend um Chorgos wie Hund und Katze einander gegenüberstehen. Jeder wird argwöhnisch untersucht und keiner durchgelassen, der irgendwie verdächtig scheint.
Die Grenzwächter sind mit der Waffe schnell bei der Hand. Der Schmuggel blüht hier wie kaum anderswo.
Meine Expedition begann noch mit besonderem Pech. Zwar besaß ich ein Visum von der Chinesischen Gesandtschaft in Berlin, zwar hatte diese für mich einen großen Pass in Peking angefordert, zwar war auch durch die Sowjetbehörden alles musterhaft vorbereitet – aber der Hauptpass, der mir von Peking aus quer durch China entgegengeschickt wurde, erreichte mich viel zu spät.
Gerade da, wo man dieses Dokument am nötigsten braucht, an der chinesischen Grenze, saß ich fest!
Ich säße heute noch dort, wäre ich nicht den Zollwächtern in längeren Aussprachen als völlig »harmlos und ungefährlich« erschienen.
Dann nochmals Kontrolle an einem chinesischen Fort in Rechteckform mit acht Meter hohen Mauern. Militärisches Trompetensignal. Die Tore werden geschlossen. Die Sonne geht unter. Wir aber fahren weiter nach dem nahen Ort Schin-pan-dsi, wo wir die Nacht im Hof eines Sarten verbringen. Nachts werde ich drei Mal geweckt – durch die Polizei.
Tags darauf fahren wir weiter. Mein mohammedanischer Wagenführer leiert fast ununterbrochen singende Gebete herunter, dazwischen schiebt er gelegentlich einen Fluch ein oder eine Aufmunterung an die Pferde.
Auf schlechten Wegen, die durch den Nachtfrost steinhart geworden sind, kommen wir über sumpfige Stellen, die glücklicherweise gleichfalls gefroren sind, und fahren ansteigend am Rand vereister Wasserrinnen zwischen mannshohen gelben Schilfwäldern hindurch. Manchmal glaubt man sich in den Dschungel versetzt.
Hinter Tata-chan hört der Sumpf auf. Wir meiden größere Orte, um schneller vorwärtszukommen. Dann passieren wir die chinesische Festung Kure im Südwesten der Stadt Suidun und schlagen unser Quartier in der östlichen Vorstadt von Kure auf, im Mohammedanerviertel. An den starken Mauern der Festung finde ich Sprengspuren und höre von einem heroischen Vorgang aus jüngster Zeit.
Der Kommandant der Festung war während der Revolution ein Mandschu, der die neue Regierung nicht anerkennen wollte. Übergeben wollte er die Festung nicht. Er sprengte sie mit dem Pulvermagazin in die Luft und kam dabei samt seiner ganzen Familie ums Leben.
Am nächsten Tag wird der Weg besser. Es geht auf die 18 Meter hohe Terrasse des Ili-Tals, dann wieder hinab in die Ebene, und von Neuem hinauf über Lößboden.
In der Ferne eine breite Baumfront und ein Fabrikschornstein. Es wird warm, die vereisten Schneewege verwandeln sich