Om mani padme hum. Wilhelm Filchner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Om mani padme hum - Wilhelm Filchner страница 12
Meine einzige Sorge gilt nun den Instrumenten. Der Filmapparat ist herausgefallen, auf einen Felsen aufgeschlagen und – nicht beschädigt! Noch viel besser erging es den andern Instrumenten: Der tiefe und weiche Schneepuffer hatte verhütet, dass etwas Ernstliches geschah.
Vor Dankbarkeit meinem gütigen Geschick gegenüber kann ich in dieser Nacht kein Auge schließen. Allerdings hätte ich auch so nicht schlafen können, weil wir keine wärmenden Decken mithaben und nun wie die Hunde frieren müssen.
Während der letzten Wochen ist Schnee gefallen. Der dämmernde Tag bringt Tauwetter. Der Weg wird so glatt und schlüpfrig, dass wir Mühe haben, die Wagen in die Ebene des Sairam-Sees hinabzubefördern, nach der kleinen chinesischen Siedlung San-tai am Fuß der von dem mächtigen Bergmassiv Tuchumtu gegen den See vorgetriebenen Schuttterrasse. Dort schließt ein Schmied die vielen Wunden des Wagens.
Kurz vor San-tai gehen die Pferde Iwans nochmals durch, und um ein Haar wäre der Instrumentenwagen den Steinhang hinab in den See gestürzt.
Infolge der schlechten Erfahrungen mit Iwan muss ich mich entschließen, von jetzt ab den Instrumentenwagen selbst zu kutschieren. So setzen wir vier Tage später, nachdem ich inzwischen meine ersten astronomischen und magnetischen Messungen beendet habe, den Weitermarsch programmgemäß ostwärts fort.
An einem der folgenden Abende untersuche ich Filmapparat und Kassetten auf Schäden. Gottlob, alles in Ordnung!
Neben uns lagert eine große Pferde- und Lastwagenkarawane. Die Wagen sind in Kralform aufgefahren. In der Mitte sind die Pferde und die Personenwagen geborgen. Es ist die gute alte Wagenburg, wie schon die alten Germanen sie »bauten«.
Der Weitermarsch vollzieht sich in staubgefüllter Luft über vollkommen unfruchtbares Gelände. Es geht über die niedrige Wasserscheide zwischen Sairam-nor und Ebi-nor. Hier läuft die Westgrenze der Dsungarei durch.
Der Abstieg im verwitterten Felshügelgelände führt in ein baum-, strauch-, wasser- und menschenloses Labyrinth. Antilopen in großer Zahl. Später öffnet sich das Tal, öde und kahl, ohne Wasser; es weitet sich immer mehr zu einem gewaltigen Talbecken, in dessen Mitte das chinesische Piket Sui-tai liegt.
Das Vorankommen wird langsam beschwerlich. Der Leiterwagen, den ich lenke, ist voll bepackt. Bremsvorrichtung hat er nicht, was sich bei der Talfahrt unangenehm bemerkbar macht.
Zudem werden die zwei bis drei Pferde, die sich damit abmühen, den Wagen vorwärts zu bewegen, zum ersten Mal in ihrem Leben als Zugtiere verwendet. Sie haben eine fanatische Neigung, die Deichsel zu zerschlagen, die sie nicht gewohnt sind. Und öfter gehen sie durch, ohne zu sagen, wohin.
Und diese schrecklichen Wege in Asien mit ihrer unbezwinglichen Vorliebe für ausgesprochene Gegensätze, bald Steigung, bald Gefälle, mit ihren Löchern und Unebenheiten, die schon Fußgängern Beschwerden bereiten! Außerdem absolviere ich ja auf dieser mehrere Tausend Kilometer langen Reise meine »Jungfernfahrt« als Kutscher ...
Dabei müssen wir täglich 50 bis 90 Li, also 30 bis 40 Kilometer, hinter uns bringen. Morgens in aller Herrgottsfrühe brechen wir auf und müssen sorgen, dass wir schon am Nachmittag unser Ziel erreichen, damit ich noch bei Tageslicht meine Messungen durchführen kann.
Während die Diener für Wagen, Pferde, Unterkunft und Verpflegung sorgen, laden Beick und ich die Geräte ab, stellen die astronomischen Instrumente auf, und dann beginne ich mit den Sonnenmessungen. Ist der Himmel bewölkt, bleiben mir oft nur wenige Minuten. Dieses Arbeiten unter Druck nach langem, anstrengendem Marsch ist nervenaufreibend. Nicht zuletzt auch deshalb, weil hier in Sinkiang die ganze Bevölkerung meinen wissenschaftlichen Messungen mit dem größten Misstrauen begegnet. Sobald sie die Instrumente sehen, kommen sie herbeigelaufen, stellen sich ringsherum, als wäre ein Degenschlucker angerückt, und beobachten genau, was ich anstelle. Alle glauben sie, ich sei aus Russland gekommen, um ihr Land zu vermessen, damit die feindlichen Heere später über gute Karten verfügen.
Zu allem Überfluss erscheinen auch noch die bildungshungrigen höheren und höchsten Beamten. Sie stellen die unmöglichsten und überflüssigsten Fragen, die man, nur um Ruhe zu haben, beantworten muss.
Natürlich erzähle ich ihnen nicht alles, was sie wissen wollen. Sonst wäre ich heute noch nicht zurückgekehrt. Aber einiges muss ich schon auspacken. – Und das soll nun auch, kurz gefasst, hier im Bericht geschehen, dem ich dabei freilich verschiedentlich werde vorgreifen müssen.
In erster Linie hatte ich mir vorgenommen, neben den völkerkundlichen und kulturpolitischen Beobachtungen vor allem astronomisch-erdmagnetische Messungen auszuführen, gleichzeitig aber auch die bisher unbekannten Strecken kartographisch aufzunehmen und sämtliche Lagerplätze und markanten geographischen Punkte der Höhe nach festzulegen.
Meine astronomisch-erdmagnetischen Messungen dienten dazu, das europäisch-westasiatische magnetische Triangulationsnetz an das chinesische und dieses wiederum an das indische anzuschließen.
Dabei waren die südöstlichsten Vermessungspunkte des europäisch-westasiatischen Netzes in jenem Erdbebengebiet zu suchen, das ich früher geschildert habe. Die nordwestlichsten Vermessungspunkte des chinesischen Netzes lagen an der chinesisch-tibetischen Grenze, am Westrand der chinesischen Provinz Kansu, in der Nähe des Kuku-nor. Das indische Netz umfasst außer einigen Punkten in Kaschmir ganz Indien südlich des Himalajas.
Diese drei großen Vermessungsgebiete mussten durch eine Kette von Stationen miteinander in Verbindung gebracht werden, und zwar in Zwischenräumen von nicht mehr als 50 Kilometern.
Die erste Kette, die zwischen dem europäisch-westasiatischen und chinesischen Netz einen Zusammenhang schaffen sollte, musste angelegt werden auf der Linie Kuldscha–Tihwa (Urumtschi)–Hami–An-hsi–Ping-fan–Sining-fu–Lussar. In den letztgenannten Städten fand ich Anschluss an die vom Carnegie-Institut durchgeführten Messungen sowie an meine eigenen, die ich vor 25 Jahren dort ausgeführt hatte.
Die Höhen der markanten geographischen Punkte wurden mit dem Siedethermometer festgelegt, die Routenaufnahmen aber, wie stets bisher, mit dem Fluidkompass vorgenommen.
In Lussar, wo ich den Winter 1926/27 verbrachte, führte ich später Serienmessungen durch zu dem Zweck, die Variationen der einzelnen magnetischen Komponenten zu bestimmen.
Im Frühjahr 1927 trat ich dann von Lussar aus den Vormarsch nach Tibet an, um zuerst möglichst weit nach Süden und Südwesten in dieses geheimnisvolle Land vorzustoßen und dann ungefähr in der Gegend von Lhasa zum Westvorstoß durch ganz Tibet anzusetzen, mit dem Marschziel Leh in Kaschmir.
Gerade diese ostwestlich verlaufende Strecke war für die magnetischen Messungen von besonderer Bedeutung. Die dort gelegte Beobachtungskette bildet eine Parallele zu meiner im Norden ausgeführten großen Vermessungslinie Kuldscha–Lussar.
Im Ganzen habe ich ungefähr 160 magnetische Stationen geschaffen. Diese Messungen basieren jeweilig auf der Festlegung der astronomischen Position mithilfe von Stern- oder Sonnenhöhenbestimmung und Monddistanzbeobachtungen. Im Allgemeinen nahm die Schaffung einer solchen Messstation fünf bis sieben Stunden in Anspruch, leidlich gutes Wetter vorausgesetzt.
Schwierig gestaltete sich die Arbeit bei Sturm, Nebel, Regen, in der Nacht, ganz besonders aber im Winter, wo das Arbeiten mit erfrorenen, völlig empfindungslosen Fingern zur Qual wurde.
Daneben habe ich auch gefilmt. Rund 20 000 Meter habe ich in China und Tibet gedreht, von Land und Leuten, ihrem Leben und Treiben, und bin dabei auch in das