Schopenhauer. Kuno Fischer

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Schopenhauer - Kuno  Fischer Kleine philosophische Reihe

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Leistungen bezeichnet, in Marienbad gelesen und gelobt, ein Jahr bevor er hier die letzte seiner eigenen Wahlverwandtschaften erlebt hat, woraus aber kein Roman, sondern die »Marienbader Elegie« hervorging (1823).

      1. Die letzten Jahre in Hamburg

      Während Mutter und Tochter in Weimar eine zweite Heimat gefunden hatten, worin sie sich mit jedem Tage wohler und behaglicher fühlten, wurde der Sohn in Hamburg von Tag zu Tag unzufriedener mit seinem Los und schrieb verzweifelte Briefe. Es ging ihm wie Descartes, aber umgekehrt. Dieser stand mit sechzehn Jahren am Ende der Schulzeit und brannte vor Begierde nach dem Buch der Welt; Arthur Schopenhauer hatte in ungefähr gleichem Alter in dem Buch der Welt schon viel geblättert und vielerlei gelesen; jetzt brannte er vor Begierde nach dem Unterricht der Gelehrtenschule und den Büchern der Weisheit als nach dem Stoff, dessen sein Gestaltungsvermögen bedurfte.

      Er trieb in Hamburg allerhand Allotria, womit er seinen Lehrherrn hinterging; eifrig und heimlich hörte er alle Vorlesungen, welche Gall über seine Schädellehre hielt; in Gemeinschaft mit seinem Freunde Anthime de Blésimare, der zur Erlernung der deutschen Sprache nach Hamburg gekommen war, gab er sich lockeren Genüssen und Ausschweifungen hin, die seinem erhabenen Selbstgefühl recht zur Beschämung gereichten. Man darf sich überhaupt seine pessimistische Grundstimmung ja nicht als dumpf und elegisch vorstellen, dazu war in ihm zu viel Naturkraft und Geisteslebendigkeit. Wenn er in Klagen ausbrach, äußerten sich dieselben bitter und spottsüchtig.

      Um eine Natur, wie die seinige, für den kaufmännischen Beruf zu gewinnen, war eine Reise durch die weite große Welt, wie sie der Vater ihm hatte angedeihen lassen, ein sehr zweckwidriges Mittel gewesen. Und die Briefe, die jetzt die Mutter an ihn schrieb, von und über Weimar, die Schilderungen ihrer Gesellschaftsabende und der geistigen Interessen, die sie belebten, das Bild, das sie ihm von Goethes bezaubernder Persönlichkeit, von seiner Vorlesung des standhaften Prinzen entwarf – »ich wünschte, du könntest das einmal hören« – alle diese Mitteilungen waren gar nicht geeignet, ihm das Comptoir in Hamburg erträglicher zu machen. Um so schmerzlicher verwünschte er sein Schicksal und bestürmte die Mutter mit Klagen.

      Diese, besorgt und zärtlich, wie sie damals für den Sohn gesinnt war, wünschte ihm zu helfen. Die Frage war, ob er im zwanzigsten Lebensjahr noch eine Laufbahn ergreifen könne, die mit dem Gymnasium beginnen musste. Darüber beriet sie sich mit ihrem Freunde Fernow, der aus der eigenen Erfahrung am besten urteilen konnte: er, der mit zwanzig Jahren die ersten bedeutenden Kunstwerke gesehen, mit dreißig die ersten akademischen Vorlesungen gehört hatte und ein berühmter Kunstgelehrter und Kunstschriftsteller geworden war! Fernow erteilte ihr seinen Rat in einer eingehenden Denkschrift. Noch sei für den Sohn keine Zeit verloren, da bei den Sprachkenntnissen und der Bildung, die er schon habe, derselbe wohl imstande sein werde, die alten Sprachen in zwei Jahren so weit zu erlernen, dass er in zwei weiteren Jahren die Reife für das akademische Studium erlangen könne. Nur möge er sich über seinen Drang zur Wissenschaft keiner Einbildung und Selbsttäuschung hingeben.

      Die Mutter schickte ihm Fernows Brief und ließ ihm die Wahl frei (28. April 1807). Der plötzliche Eindruck, dass die neue ersehnte Lebensbahn sich ihm öffne, erschütterte ihn so, dass er in Tränen ausbrach. Während sonst seine Unentschlossenheit, die natürliche Folge seines Misstrauens, ins Grenzenlose ging, war jetzt sein Entschluss auf der Stelle gefasst. Schon in ihrem Brief vom 14. Mai wünschte ihm die Mutter mit herzlichen Worten Glück zum neuen Lebensberuf. Ein merkwürdiger Lebenslauf: erst die Wanderjahre, dann die Lehrjahre!

      Es war durch Fernow ausgemacht und vorbereitet, dass er das Gymnasium in Gotha besuchen, bei dem Professor Lenz wohnen, von dem Direktor Döring Privatstunden im Lateinischen erhalten und an dem Klassenunterricht in der Selecta teilnehmen sollte, wo Friedrich Jacobs den deutschen Unterricht gab. Alles ging auf das Beste. Der neunzehnjährige Jüngling, der mit »mensa« beginnen musste, machte die schnellsten Fortschritte, Jacobs erstaunte über die Vortrefflichkeit seiner Aufsätze; da verdarb er sich alles durch die Spottsucht. Seine Spottverse auf einen Professor, der die Selecta getadelt hatte, wurden bekannt, und Döring kündigte ihm den Unterricht. Nun war auch seines Bleibens in Gotha nicht länger.

      Nach bitteren und verdienten Vorwürfen von Seiten der Mutter wurde ihm die Wahl des Gymnasiums zwischen Altenburg und Weimar gelassen. Frau Schopenhauer würde um ihretwillen Altenburg vorgezogen haben, er wählte Weimar. Hier wurde er von dem Direktor Lenz im Gebrauch der lateinischen Sprache geübt und von dem jüngst berufenen, nur drei Jahre älteren Professor Franz Passow im Griechischen unterrichtet; er wohnte mit dem letzteren in demselben Haus und arbeitete unter seiner Leitung. Im Beginn des Jahres 1808 war er nach Weimar gekommen, im Herbst 1809 hatte er, dank seiner Begabung und Energie, das Ziel der Schule erreicht, und zwar in der Hälfte der Zeit, die Fernow berechnet hatte.

      Die segenreichste Frucht seiner weimarschen Gymnasialzeit war eine gründliche und gewandte Kenntnis der klassischen Sprachen, eine unauslöschliche Begeisterung für das klassische Altertum, welches er in Hamburg noch keineswegs zu schätzen gewusst hatte; in Weimar dichtete er eine Art Vaterunser auf den Homer und schrieb es in sein Handexemplar. Sein erstes Jahr in Weimar war das letzte im Leben Fernows, dem er noch die ersten Anregungen zum Studium der italienischen Literatur zu danken gehabt hat; ich nenne besonders das Studium Petrarcas, der einer seiner Lieblingsdichter geworden und stets geblieben ist.

      Die Beschäftigung mit den Werken der klassischen Literatur war mit der Schulzeit nicht etwa beseitigt, sondern wurde auf der Universität fortgesetzt und hat ihn durch das Leben begleitet; er durfte sich rühmen, dass er die meisten seiner Freunde, darunter manche Philologen von Fach, an Sprachkenntnis und Belesenheit übertroffen habe. Aber er strebte nach universeller Erkenntnis und bedurfte jetzt der naturwissenschaftlichen und philosophischen Studien.

      In Göttingen, wo er sich den 9. Oktober 1809 in der medizinischen Fakultät immatrikulieren ließ und die vier ersten Semester studiert hat (1809 – 1811), hörte er sämtliche Fächer der Naturgeschichte bei Blumenbach, Physik und physische Astronomie bei Tobias Mayer, Chemie bei Strohmeyer, eine Reihe historischer Vorlesungen bei Heeren, Psychologie und Logik bei Gottlob Ernst Schulze, dem Verfasser des »Änesidemus«129, der ihm riet, zuerst und vor allem Kant und Plato zu studieren und erst später Aristoteles und Spinoza.

      Dass er diesen »weisen Rat« befolgt hat, müssen wir als die folgenreichste Begebenheit seiner geistigen Bildungsgeschichte bezeichnen. Erst das Studium Kants hat in seiner wissenschaftlichen Laufbahn die philosophische Epoche und Richtung begründet, von welcher letzteren er nie mehr gewichen ist. Als er die kantische Lehre durchdrungen hatte, sah er die Aufgabe vor sich, die zu lösen war. Zu ihrer Lösung hat das Studium Platos ihm den Weg gezeigt. In der Synthese der kantischen und platonischen Weltansicht sollte der Charakter seiner eigenen künftigen Lehre bestehen. Wir können hier nicht kürzer und bündiger, auch nicht seinem Sinn und Ausdruck gemäßer das System kennzeichnen, welches auszubilden und festzustellen das Thema seines Lebens gewesen ist. Noch während er in Göttingen studierte, hatte er sich für die philosophische Laufbahn entschieden und sah das Ziel in der Ferne.

      Dafür gibt eine Unterredung, die er mit Wieland auf dessen Wunsch gehabt hat, ein denkwürdiges Zeugnis. Als der achtundsiebzigjährige Dichter ihm die philosophische Laufbahn ausreden wollte, antwortete der dreiundzwanzigjährige Student: »Das Leben ist eine missliche Sache; ich habe mir vorgenommen, das meinige damit hinzubringen, über dasselbe nachzudenken«. Diese Antwort gefiel und imponierte dem greisen Wieland so sehr, dass er den Philosophen von Beruf in ihm erkannte. Als er kurz nachher bei einer Cour am Hofe der Mutter begegnete, begrüßte er sie mit den Worten: »Ich habe neulich eine höchst interessante Bekanntschaft gemacht!

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