Schopenhauer. Kuno Fischer

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Schopenhauer - Kuno  Fischer Kleine philosophische Reihe

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er die Persönlichkeit Schopenhauers in jenen Jahren, wo er sein Werk schrieb. »Jetzt aber will ich dich, mein guter Arthur, der Welt keineswegs so zeigen, wie du endlich bei der Erkenntnis ihres Elends und ihrer unsäglichen Leiden bitter geworden bist. Gerade das Gegenteil habe ich im Sinn; meine Erinnerung führt mich vielmehr zu dem jungen, noch allerlei hoffenden Doktor Schopenhauer zurück, so wie ich ihm, nachdem wir beide Göttingen verlassen, in Dresden ganz unvermutet hinter der Kreuzkirche wieder begegnete, wo wir dann von da ab, trotz täglichen Streitens, unzertrennliche Gefährten wurden.« »Ich sehe dich noch im Geist unter all den Figuren auf der Brühl’schen Terrasse, hinter deren Erdendasein Zeit und Vergessenheit auch die letzte Spur schon verwehte. Du stehst wieder vor mir, mit der blonden, von der Stirn aufstrebenden Phöbuslocke, mit der sokratischen Nase, mit den stechend sich dilatierenden Pupillen, aus welchen gegen Kuhn und Kind, gegen Theodor Hell, Langbein, Streckfuß e tutti quanti der damaligen Dichtergrößen, die in Dresden le haut du pavé hielten, zerschmetternde Blitze fuhren. Ich war ganz Ohr bei euren Disputen, die mich zugleich ergötzten und unterrichteten. Dein Wissen zwang mich oft, den langen Weg aus der pirnaischen Vorstadt über die Elbbrücke bis zum schwarzen Tor hin und zurück zu machen. Wir saßen dann in deinem Zimmer, du mir vordozierend von dem und jenem, von den Erwartungen auf den Erfolg deiner Philosophie, von der vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, worüber deine Mutter dich verspottend fragte, ob es eine Anweisung für Apotheker wäre?« u. s. f.140

      Auch hat Ruhl ein von ihm gemaltes Ölbild seines Freundes hinterlassen, das Schemann geerbt und wovon er einen Stahlstich seinem Sammelwerk der »Schopenhauer-Briefe« vorgesetzt hat. Keine Spur einer Ähnlichkeit zwischen diesem Bild Schopenhauers, das Ruhl gemalt, und jenem, das er in Worten beschrieben! Keine Spur einer Ähnlichkeit in Bau, Form und Ausdruck des Gesichtes zwischen diesem Bild des dreißigjährigen und dem wirklichen Porträt des siebzigjährigen Mannes. Es gibt auch ein Bild von dem jungen Schopenhauer, aus dem Jahre 1809, welches Gerhard von Kügelgen gemalt haben soll und Gwinner in einem Stahlstich seinem obengenannten Werke einverleibt hat. Keine Spur einer Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Jugendbildern, dem von Kügelgen (wenn es von ihm herrührt) und dem von Ruhl: dieses letztere ist offenbar ein Phantasiestück, in einer Zeit gemalt, wo er das Original nicht vor Augen hatte! Keine Spur einer Ähnlichkeit zwischen diesen Jugendbildern und dem wirklichen Porträt des greisen Frankfurter Philosophen!

      Das größte Erlebnis seines letzten weimarschen Aufenthaltes war sein persönlicher Verkehr mit Goethe gewesen und der Gewinn, der ihm daraus hervorging, das Studium und die Aneignung der Goethe’schen Farbenlehre, welche er jetzt in Dresden mit den wissenschaftlichen Hilfsmitteln, die ihm zu Gebote standen, theoretisch auszubilden und aus einem einzigen Grundgedanken herzuleiten bemüht war. Eine solche Theorie hatte er in den Goethe’schen Untersuchungen vermisst. Diesem Mangel abzuhelfen, die Goethe’sche Farbenlehre im Gegensatz zur Newton’schen zu begründen, war nun die erste seiner Dresdner Aufgaben. Wir haben es hier nicht mit dem Inhalt seiner Farbenlehre, sondern nur mit ihrer biographischen Bedeutung zu tun. Er wollte nachweisen, dass die Farbe von durchaus subjektiver Beschaffenheit sei, in der Teilbarkeit nicht des Lichtes, wie Newton gelehrt hatte, sondern der Tätigkeit unserer Netzhaut bestehe und physiologisch begründet werden müsse, dass die verschiedenen Arten oder Grade des Helldunkels polare Farbengegensätze bilden, aus denen das Weiße sich wiederherstellen lasse, was Goethe im Gegensatze zu Newton unrichtigerweise bestritten und verneint habe.

      So entstand im ersten Jahre seines Dresdner Aufenthaltes die Schrift »Über das Sehn und die Farben«, die er Goethe als Manuskript im Juli 1815 und als Druckschrift den 4. Mai 1816 zugesendet hat;141 dazwischen fällt jener Briefwechsel, von dem bisher nur die Antworten Goethes bekannt waren, neuerdings aber auch die Zuschriften Schopenhauers veröffentlicht sind, die ohne Zweifel zu den besten und interessantesten Briefen gehören, die er überhaupt geschrieben hat.142 Sie sind nicht bloß wegen ihres Themas, sondern noch mehr aus psychologischen Gründen merkwürdig, da sie uns den Briefsteller in einer Lage zeigen, in welcher seine Geduld, ohne die mindeste üble Absicht von Goethes Seite, auf die grausamste Probe gestellt, sein Misstrauen auf das peinlichste gereizt, seine Hoffnungen auf das bitterste getäuscht wurden, und er sich doch bei aller Offenheit und allem Freimut die höchste Mäßigung auferlegen musste und keinen Augenblick vergessen durfte, dass es Goethe war, an den er schrieb. Er hat es nicht vergessen und diese recht schwere Prüfung in seiner Weise musterhaft bestanden.

      Der Brief, der die Zusendung des Manuskripts begleitet hat, fehlt. Offenbar hatte Schopenhauer gewünscht, Goethe von der Richtigkeit seiner Theorie zu überzeugen und seine Schrift durch ihn oder gemeinsam mit ihm herauszugeben: er wollte als sein Schüler, als einer »der ersten seiner Proselyten« und der zweite Begründer seiner Farbenlehre erscheinen. Er hatte sich vorgestellt, dass Goethe noch ebenso lebhaft von der Sache erfüllt sei wie damals, als er sie ihm vortrug; war doch kaum ein Jahr seitdem verflossen. Aber der Dichter weilte schon in einer ganz anderen Region. Als Schopenhauer acht Wochen vergeblich auf Antwort gewartet hatte und sich endlich nach dem Schicksal seiner Schrift erkundigte (3. September 1815), wohnte Goethe auf der Gerbermühle bei Frankfurt und lebte nicht in der Farbenlehre, sondern bei Suleika und im west-östlichen Diwan.

      Man fühlt in den Ausdrücken Schopenhauers, wie Ungeduld und Misstrauen schmerzhaft erregt und mühsam unterdrückt sind. Mit einer in Bescheidenheit verhüllten Ironie schreibt er: »Ew. Excellenz haben mich bisher keiner Antwort gewürdigt, welches ich mir hauptsächlich daraus erkläre, dass die mannigfaltigen Umgebungen Ihres öfter veränderten Aufenthaltes, dabei der Umgang mit regierenden, diplomatischen und militärischen Personen Sie zu sehr beschäftigt und Ihre Aufmerksamkeit einnimmt, als dass meine Schrift anders als sehr unbedeutend dagegen erscheinen oder zu einem Briefe über dieselbe Zeit übrigbleiben könnte«. »Ich weiß von Ihnen selbst, dass Ihnen das literarische Treiben stets Nebensache, das wirkliche Leben Hauptsache gewesen ist. Bei mir aber ist es umgekehrt: was ich denke, was ich schreibe, das hat für mich Wert und ist mir wichtig; was ich persönlich erfahre und was sich mit mir zuträgt, ist mir Nebensache, ja ist mein Spott.« »Mir ist diese Ungewissheit über etwas, das zu dem gehört, was mir allein wichtig ist, unangenehm und quälend, ja in manchen Augenblicken kann meine Hypochondrie hier Stoff zu den widrigsten und unerhörtesten Grillen finden. Um allem diesem und der Plage einer täglich getäuschten Erwartung ein Ende zu machen, – bitte ich Ew. Excellenz, mir meine Schrift nunmehr zurückzuschicken mit oder ohne Bescheid, wie Sie für gut finden: in jedem Fall glaube ich jedoch noch diese Bitte mit Zuversicht hinzufügen zu dürfen, dass Sie mir zugleich in zwei lakonischen Worten anzeigen, ob außer Ihnen irgend jemand sie gelesen hat oder gar eine Abschrift davon genommen ist.«

      Goethe vertröstete ihn auf seine Rückkehr nach Weimar, von wo er eingehend antworten werde; die Antwort kam, aber keine eingehende; er hat die Schrift noch fünf Monate behalten und erst den 28. Januar 1816 zurückgeschickt, ohne sie je einem andern gezeigt, aber auch ohne je sich selbst in einem eingehenden, von Schopenhauer inbrünstig ersehnten Urteil darüber ausgesprochen zu haben. Er fühlte sich teils schon dem Gegenstande selbst, dieser »geliebten und betretenen Region« der Farbenlehre entfremdet und von dem Widerspruch, den er erfahren hatte, ermüdet, teils auch durch die Abweichungen Schopenhauers, wie in Ansehung der Farbenpolarität, der Herstellung des Weißen, der Entstehung des Violetten unangenehm berührt. Es schien ihm, dass der Schüler bereits den Meister spielen wollte, und er hat sich in einigen Epigrammen von bitterem Geschmack darüber ausgelassen.143 Es half nichts, dass Schopenhauer jene Differenzen für nebensächlich erklärte und von seiner Farbenlehre sagte, sie verhalte sich zur Goethe’schen wie die Frucht zum Baum, wie der Scheitelpunkt zur Pyramide, dass er der treuste und gründlichste Verteidiger der Goethe’schen Farbenlehre gewesen und stets geblieben ist.

      Den Vorschlag Goethes, die Schrift seinem Freunde Thomas Seebeck, dem Entdecker der entoptischen Farben, mitzuteilen144 und ihn zu einem Urteil aufzufordern, lehnte Schopenhauer sehr entschieden ab, voller Angst und Misstrauen, dass es ihm mit Seebeck ergehen könne, wie es Goethe in Ansehung seiner Entdeckung der Bildung und Zusammensetzung des Schädels mit Oken

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