Schopenhauer. Kuno Fischer
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III. Das Zerwürfnis zwischen Mutter und Sohn
Die nächste Ursache, dass er Weimar für immer verließ, lag in seinen Verhältnissen zur Mutter. Solange er in Hamburg lebte, hatte sie zärtliche und besorgte Briefe an ihn geschrieben, reich an Mitteilungen und interessanten Nachrichten aus ihrem neuen Leben; er hatte es ihrer mütterlichen Liebe und Fürsorge zu danken, dass er das Joch des ihm verhassten Berufes abschütteln und seinem Genius nachleben durfte. In der Nähe aber hatten die schon vorhandenen wechselseitigen Abneigungen sich wieder geltend gemacht, vermehrt und am Ende zu einer Schärfe und Bitterkeit gesteigert, dass nichts übrig blieb als die Trennung. Die Wurzel dieser so unnatürlichen Abneigung war von beiden Seiten die angeerbte Gemütsart.
1. Die ökonomischen Differenzen
Dazu kamen ökonomische Differenzen, die zur Grundverstimmung des ganzen Verhältnisses sehr viel beigetragen haben. Schon von Hamburg aus hatte der Sohn zur Sparsamkeit geraten, da trotz der erlittenen großen Verluste die Mutter in Weimar als reiche Witwe lebte, Equipage und verheiratete Dienerschaft hielt und der Geselligkeit zuliebe übermäßige Ausgaben machte. Auch fürchtete er, dass eine zweite Heirat den Verbrauch des Vermögens beschleunigen könnte, denn die reiche und lebenslustige Witwe, obwohl schon etwas korpulent und schiefen Wuchses, hatte Bewerber genug, unter denen sich auch der jüngste Bruder der Frau von Stein befand. Zwar über diesen Punkt vermochte sie den Sohn zu beruhigen, nicht ebenso über die Art und Weise, wie sie mit dem Geld umging, welches sein Vater erworben und der Familie hinterlassen hatte.
Das Vermögen war keineswegs so groß, wie es nach ihrer Lebensweise den Anschein hatte. Als Arthur mündig geworden war (den 22. Februar 1809), erhielt er als sein väterliches Erbteil den dritten Teil des Ganzen, der 19 000 Taler betrug, wozu er sieben Jahre später von seinem Oheim Andreas außer einigen Ländereien in Ohra noch 2000 Taler geerbt hat. Er hatte als Student 1000 Taler jährlich, was in jener Zeit mehr als genug war, aber für einen Mann, der stets einer vollen unabhängigen Muße genießen wollte, kaum hinreichte. Mutter und Tochter lebten in einem Scheinreichtum, den die letztere, als sie zur Erkenntnis der Lage gekommen war, sehr peinlich empfand, während die Mutter diesen Zustand mit tadelnswerter Leichtfertigkeit gepflegt hat, denn sie liebte den Schein und geriet in Schulden. Hierin war die Vernunft und das Recht auf der Seite des Sohnes.
2. Die persönlichen Differenzen
Was ihn aber der Mutter nicht bloß unbequem, sondern höchst unsympathisch und unleidlich erscheinen ließ, war seine beständige, bittre Tadel- und Spottsucht über das Elend der Welt und die Dummheit der Menschen. Er führte gern Goethes »Kophtisches Lied« im Munde, welches »alle die Weisesten aller der Zeiten« einstimmen lässt:
Töricht auf Bess’rung der Toren zu harren!
Kinder der Klugheit, o habet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sich’s gehört!136
Nun waren ihm seine Spöttereien in Gotha recht übel bekommen und gaben der Mutter Gelegenheit, diese seine typische Unart mit scharfen Worten zu geißeln. »Du bist kein böser Mensch«, schrieb sie ihm, »Du bist nicht ohne Geist und Bildung, Du hast alles, was Dich zu einer Zierde der menschlichen Gesellschaft machen könnte, dabei kenne ich Dein Gemüt und weiß, dass wenige besser sind, aber dennoch bist Du überlästig und unerträglich, und ich halte es für höchst beschwerlich, mit Dir zu leben: alle Deine guten Eigenschaften werden durch Deine Superklugheit verdunkelt und für die Welt unbrauchbar gemacht, bloß weil Du die Wut, alles besser wissen zu wollen, nicht beherrschen kannst. Damit verbitterst Du die Menschen um Dich her, niemand will sich auf eine so gewaltsame Weise bessern und erleuchten lassen, am wenigsten von einem so unbedeutenden Individuum, wie Du doch noch bist. Niemand kann es ertragen, von Dir, der doch auch so viele Blößen gibt, sich tadeln zu lassen, und am wenigsten in Deiner absprechenden Manier, die im Orakelton gerade heraussagt: ›so und so ist es‹, ohne weiter eine Einwendung nur zu vermuten. Wärest Du weniger, als Du bist, so wärest Du nur lächerlich, so aber bist Du höchst ärgerlich.« »Solch eine ambulante Literaturzeitung, wie Du gern sein möchtest, ist ein langweiliges und gehässiges Ding.«
In diesen Worten konnte der junge Schopenhauer sich spiegeln; er ist geschildert, wie er leibt und lebt. Beherrschen aber konnte er die Unart, welche die Mutter ihm vorhielt, mitnichten, denn sie war der unmittelbarste Ausdruck seiner Willens- und Geistesart. Die Willensart gab den pessimistischen tiefen Grundton, die Geistesart die hellen und scharfen Töne des Witzes und Spottes. So war er und so ist er stets geblieben; er ist mit den Jahren wohl zurückhaltender, »zugeknöpfter«, wie er zu sagen pflegte, klüger vielleicht, aber kein anderer geworden. Und so verhält es sich ja nach seiner Lehre, die aus seiner Selbstergründung hervorging, mit den menschlichen Charakteren überhaupt.
Mutter und Sohn standen so zueinander, dass im Widerstreit mit dem Naturgesetz ihre wechselseitige Anziehung mit der Größe der Entfernung zunahm; in der nächsten Nähe wirkte nur die Repulsion. Arthur sagte oft zu seiner Mutter: »wir beide sind zwei!« Er sollte ihrem Wunsch gemäß das Gymnasium nicht in Weimar besuchen, sondern in Gotha; er sollte in Weimar nicht bei ihr, sondern außerhalb ihres Hauses wohnen. Als er sich für Weimar entschieden hatte, schrieb sie ihm (den 13. Dezember 1807): »Es ist zu meinem Glücke notwendig zu wissen, dass Du glücklich bist, aber nicht ein Zeuge davon zu sein. Ich habe dir immer gesagt, es wäre sehr schwer mit Dir zu leben, und je näher ich Dich betrachte, desto mehr scheint diese Schwierigkeit für mich wenigstens zuzunehmen.« »Auch Dein Missmut ist mir drückend und verstimmt meinen heiteren Humor, ohne dass es Dir etwas hilft. Sieh, lieber Arthur, Du bist nur auf Tage bei mir zum Besuch gewesen, und jedes Mal gab es heftige Szenen um nichts und wieder nichts, und jedes Mal atmete ich erst frei, wenn Du weg warst, weil Deine Gegenwart, Deine Klagen über unvermeidliche Dinge, Deine finsteren Gesichter, Deine bizarren Urteile, die wie Orakelsprüche von Dir ausgesprochen werden, ohne dass man etwas dagegen einwenden dürfte, mich drücken, und mehr noch der ewige Kampf in meinem Innern, mit dem ich alles, was ich dagegen einwenden möchte, gewaltsam niederdrücke, um nur nicht zu neuem Streit Anlass zu geben.« »Höre also, auf welchem Fuß ich mit Dir sein will. Du bist in Deinem Logis zu Hause; in meinem bist Du ein Gast, der immer freundlich empfangen wird, sich aber in keine häusliche Einrichtung mischt. Um diese bekümmerst Du Dich gar nicht, ich dulde keine Einrede, weil es mich verdrießlich macht und nichts hilft; an meinen Gesellschaftstagen kannst Du abends bei mir essen, wenn Du Dich dabei des leidigen Disputierens, das mich auch verdrießlich macht, wie auch alles Lamentierens über die dumme Welt und das menschliche Elend enthalten willst, weil mir das immer eine schlechte Nacht und üble Träume macht, und ich gern gut schlafe.«
Es gibt kein Bild, das der Frau Schopenhauer so sprechend ähnlich sein könnte, wie dieser Brief an ihren Sohn im Augenblick, wo derselbe in ihre Nähe kommt. Scharf und schneidend ist der Ton, den sie gegen ihn anschlägt; es rührt sich kein Laut mütterlicher Zärtlichkeit und Liebe, jedes Wort sucht ihn fernzuhalten und abzuwehren, um die Behaglichkeit und Ruhe ihres eigenen Daseins zu sichern und ihm gegenüber gleichsam zu ummauern. Jedes Wort beweist, dass sie ihn nicht liebt. Und auf der andern Seite ist es sehr erklärlich, dass eine Frau wie Johanna Schopenhauer, die mit Goethe und Wieland auf freundschaftlichem Fuß verkehrt, der Fernow sich geistesverwandt fühlt, die von einer Reihe bedeutender Männer sich umgeben und gefeiert sieht, die bald auch als