Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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nickte der Bauer. »Ich hätt’ net gedacht, daß man vom Klavierspielen solche Muskeln bekommt…«

      Thomas schaute ihn nichtverstehend an. Muskeln? Wieso…?

      »… in den Fingern«, vollendete Wenzel lachend und gab Fersengeld, weil sein Bruder mit einem lauten Indianergeheul auf ihn losging.

      Später saßen sie beim Frühstück, friedlich vereint, rund um den Tisch in der Küche. Drei Knechte und zwei Mägde gehörten zum Haushalte auf dem Burgerhof. Anni, die älteste der beiden Frauen, war schon seit einer halben Ewigkeit als Magd angestellt. Seit jeher war sie fürs Buttern und Brotbacken zuständig. Thomas hatte schon gestern beim Abendessen von ihrem Rosinenbrot geschwärmt, das man so nirgendwo bekommen konnte. Natürlich stand es heute früh auf dem Tisch. Dazu ein großes Glas herbsüßes Quittengelee.

      »Gehst nachher mit zum Gottesdienst?« fragte Sonja ihren Schwager.

      Thomas, der zwischen Phillip und Ann-Kathrin saß, nickte.

      »Freilich geh’ ich mit«, antwortete er. »Mal sehen, ob ich noch ein paar von den Leuten wiedererkenn’.«

      *

      Die Kirche war bis auf die letzte Bank besetzt. Pfarrer Trenker schaute zufrieden auf seine Gemeinde. Er entdeckte Thomas Burger in der Reihe, in der die Familie seit Jahren ihre Plätze hatte, ging aber in seiner Predigt mit keiner Silbe darauf ein.

      Es hatte ohnehin viel Aufregung um den jungen Musiker gegeben. Thomas meinte, nie zuvor in seinem Leben so viele Hände geschüttelt zu haben, und er wunderte sich, daß er tatsächlich viele wiedererkannte, mit denen er früher oft zu tun gehabt hatte, seien es Schulkameraden oder Nachbarn gewesen. Sie alle waren ziemlich stolz darauf, daß solch ein berühmter Künstler nicht nur unter ihnen weilte, ganz besonders auch, daß er aus ihrer Mitte stammte.

      Neugierig, was wohl aus Andrea geworden sei, hatte er immer wieder Ausschau nach ihr gehalten. Doch vergeblich, von der einstigen Freundin war nichts zu sehen. Dabei hatte Sonja versichert, daß Andrea Hofer keine Sonntagsmesse versäumte.

      Nach der Kirche folgte der obligatorische Gang ins Wirtshaus. Während Sonja mit den Zwillingen nach Hause fuhr, nahm Wenzel am sonntäglichen Stammtisch teil. Thomas hingegen winkte ab.

      »Sei net bös’«, sagte er zu seinem Bruder. »Ich möcht’ mich hier und in der Umgebung ein bissel umschau’n.«

      Zielstrebig schlenderte er durch das Dorf, schaute hier und da, erkannte Altes wieder und machte Veränderungen aus. Es hatte sich schon einiges getan in den zehn Jahren seiner Abwesenheit. Doch die Veränderungen waren meist positiv, wie er feststellen konnte.

      Langsam führte ihn sein Weg aus St. Johann hinaus, über weite Wiesen, an Felder vorbei. Allmählich ging es bergan, erst nur eine leichte Steigung, dann immer steiler. Schließlich stand er auf einer Almwiese und blickte hinunter ins Tal, wo das Dorf lag. Ohne es wirklich zu merken, hatte Thomas Burger den Weg zum Höllenbruch genommen, einem Bergwald, unterhalb der Hohen Riest. Hier hatten sie als Buben oft herumgetobt, oder Beeren und Pilze gesammelt. Und später, als das Herumtoben nicht mehr so interessant gewesen war, da war der Höllenbruch oftmals Zeuge erster, scheuer Küsse gewesen.

      Thomas vermochte nicht mehr zu sagen, wie oft er hier mit Andrea entlang spaziert war. Versonnen setzte er sich auf einen Felsbrocken am Wegesrand und ließ in Gedanken die alte Zeit wieder auferstehen.

      Früher hatte er gelacht, wenn die Erwachsenen den Kindern sagten, sie würden sich später einmal nach ihrer Kindheit zurücksehnen. Nun, er sehnte sich nicht unbedingt danach zurück, aber schön war sie doch gewesen, diese Zeit.

      *

      Andrea Hofer lief im Wohnzimmer unruhig auf und ab. Sie war alleine auf dem Burgerhof, ihre Eltern, der Bruder Lukas und die Knechte und Mägde waren unten im Dorf zum Kirchgang. Obwohl sie kaum einen Gottesdienst versäumte, hatte Andrea heute eine Ausrede gebraucht, um nicht mitgehen zu müssen.

      Bestimmt würde er auch in der Kirche sein, und genau das wollte das Madel nicht – den so lange Entbehrten vor aller Augen begrüßen zu müssen.

      Sie machte sich seit der letzten Nacht Gedanken, wie sie ihm überhaupt gegenübertreten sollte, wenn es denn soweit war. Seit sie von Thomas’ Rückkehr gehört hatte, war ihr ganzes Leben durcheinander geraten. So stark wie nie zuvor, spürte sie, daß sie ihn immer noch liebte.

      Und wie würde es bei ihm sein? Andrea gab sich keinen Illusionen hin. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, und Thomas war ein Mann, der sich nicht verstecken mußte. Bestimmt gab es mehr, als nur eine Verehrerin. Nein, sie glaubte nicht, daß er sie noch liebte. Sie wäre schon froh, wenn er sich überhaupt an sie erinnerte.

      Seit der letzten Nacht stiegen auch immer wieder die Erinnerungen an die Zeit auf, die sie zusammen verbracht hatten. Sie sah sich wieder, zusammen mit ihm, durch den Höllenbruch spazieren, oder die Hohe Riest hinaufwandern.

      Wie lange war sie schon nicht mehr dort gewesen!

      Einer plötzlichen Eingebung folgend, nahm Andrea ihre Jacke vom Haken und schlüpfte in ihre festen Schuhe. Was konnte sie besseres tun, als an solch einem Tag voll von Erinnerungen, die Stätte ihrer Jugend wieder aufzusuchen, an der sie so glücklich gewesen war?

      Eilig lief sie aus dem Haus. Die Sonntagsmesse war seit einer halben Stunde beendet, und schon bald würden die anderen aus der Kirche zurück sein. Andrea wollte es vermeiden, ihrer Mutter dann langatmige Erklärungen abgeben zu müssen.

      Sie wanderte den Pfad hinterm Hof entlang, lief dann über die Weide, auf der die Kühe grasten und erreichte den Rand des Bergwaldes. Zu Hause würde man sie wahrscheinlich suchen und nach ihr rufen, doch hier vermutete sie bestimmt niemand.

      Sie schmunzelte. Es war beinahe so wie früher, wenn sie sich heimlich fortstahl, um Thomas zu treffen, anstatt irgendwelche Arbeiten zu erledigen, die die Mutter ihr aufgetragen hatte. Ihr war es dann stets gelungen, den gutmütigen Bruder zu überreden, diese Aufgaben zu übernehmen.

      Langsam schlenderte sie weiter, die Anhöhe hinauf, von wo man einen weiten Blick über das Tal hatte. Unten lag St. Johann in der sonntäglichen Mittagsruhe, und von drüben winkten die weißen Spitzen des Zwillingsgipfels, die Wintermaid und der Himmelsspitz. Andrea erinnerte sich, oft mit Thomas hiergewesen zu sein. Zuletzt am Tag vor seiner Abreise. Sie blieb einen Moment stehen. Ewige Liebe hatten sie sich geschworen, und bittere Tränen hatte sie vergossen, als sie, in der Kreisstadt, auf dem Bahnsteig stand und dem Zug hinterherwinkte, der ihn nach München brachte.

      Andrea ließ ihren Blick schweifen, schaute vom Tal hinüber zu den schneebedeckten Gipfeln und wieder zurück, hinauf zur Almwiese, von wo aus ein Weg auf die Jenner- und die Korber-Alm führte.

      Und dann glaubte sie für einen Moment, ihr Herzschlag setzte aus. Mit weit aufgerissenen Augen starrte das Madel auf die Gestalt, die da, etwas oberhalb von ihr, auf einem Felsbrocken saß und vor sich hinträumte.

      Noch einmal schaute sie. Nein, es war kein Irrtum – dort saß niemand anderer als Thomas Burger!

      Ihr Herz hämmerte vor Aufregung in der Brust. Sie spürte den Schlag bis zum Hals hinauf, als sie emporstieg. Beinahe hastig zuerst, dann bremste sie ihren Schritt.

      War es wirklich Zufall, daß er jetzt hier saß? Oder hatte er die selben Empfindungen wie sie verspürt? Noch hatte Thomas sie nicht bemerkt. Erst als sie wenige Schritte von ihm entfernt stehenblieb, sah er auf.

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