Talmi. Oskar Jan Tauschinski

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Talmi - Oskar Jan Tauschinski

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das nicht aufgefallen zu sein. Er war durch meine Unerschütterlichkeit ins Wanken gekommen.

      »Vielleicht haben Sie recht. Aber schauen Sie, es gibt doch auch andere Rücksichten … gesellschaftliche, meine ich. Ein guter Name, ein Stammbaum … solche Dinge verpflichten doch.«

      »Zu Hartherzigkeit und Intoleranz darf eben nichts verpflichten. Wenn Ihre ›höheren Kreise‹ tatsächlich die höheren sind, so haben sie vor allem die Pflicht zu einer betont humanen Haltung. Nur so können sie heutzutage ihre Überlegenheit beweisen – wenn überhaupt von einer solchen die Rede sein kann!« Ich hörte meine Worte ledern und trocken durch die Bellariastraße gellen (denn ich war natürlich nicht in den 49er eingestiegen). Sie klangen unwahr und propagandistisch wie die eines Politikers, und ich wunderte mich selbst über meine Leitartikelberedsamkeit, die ich bisher nie an mir festgestellt hatte. Im Grunde lag mir kein Thema ferner als die Pflichten und Rechte der Aristokratie. Sichtlich hatte ich mich in diesen lehrhaften Ton nur geflüchtet, um den eigenartigen Konservatismus des jungen Mannes zu bekämpfen. Nun war ich schon sicher, daß er selbst kein Aristokrat sein konnte. Wo sollte man ihn also einreihen? Vielleicht war er der Sprößling einer ärarischen Familie, die in k. u. k. Erinnerungen und in Reminiszenzen aus der Backhendelzeit plätscherte und dem Sohn gar nichts anderes mitgegeben hatte als diesen ranzigen »Grafenkrampf«. Ja, nur so konnte es sein.

      Gar nichts anderes – ist vielleicht zu streng gesagt. Gute Manieren und Anstand hatte man ihm zu Hause jedenfalls auch beigebracht, denn was sonst hätte ihn bewegen können, den freien Platz einem Krüppel anzubieten, anstatt die Gelegenheit wahrzunehmen, mit dieser jungen, hübschen Person bekannt zu werden?

      »Übrigens scheint mir«, begann ich nun in viel freundlicherem Ton, »daß ich mich gar nicht genug für Ihre große Liebenswürdigkeit bedankt habe. Es war wirklich sehr nett von Ihnen, mich in die Loge zu laden.«

      »Ach, nicht der Rede wert …«

      »O doch, doch. Ich war ja schließlich nicht die einzige im Saal, die stehen mußte, und Sie hätten sich mühelos eine erfreulichere Abendgesellschaft verschaffen können.«

      »Sie meinen die Blonde, neben Ihnen? Die kenn’ ich eh vom Sehen. Verkäuferin bei Meinl ist sie. Ich hab sie nur so angeschaut, weil ich sie zuerst gar net erkannt hab … so braungebrannt, wie die jetzt ist.«

      Das Wort »Verkäuferin« hatte wieder recht verächtlich geklungen, so daß der Protest aufs neue in mir erwachte.

      »Wenn Sie glauben, daß ich mehr bin, so irren Sie. Ich bin Manipulantin in einem Damenkonfektionshaus, und als ich so jung war wie das blonde Fräulein, habe ich auch Kunden bedienen müssen!«

      So jung wie die! – Ich war selber damals erst fünfundzwanzig, aber in meiner Körperverfassung kommt man ja schon als alte Frau zur Welt.

      Der junge Mann zeigte leises Erstaunen, das ich als Enttäuschung auslegte.

      »Komisch«, sagte er, »Manipulantin sind Sie? Und ich hätte Sie für eine Künstlerin gehalten. Ich weiß nicht warum, aber ich war sicher, Sie sind eine Malerin oder so etwas …«

      Mir wurde plötzlich warm ums Herz. Niemand hatte je eine Begabung in mir gesucht. Es war bekannt, daß ich Abendkurse für Aktzeichnen an der Akademie besuchte. Manche wußten sogar, daß ich bei Aglaia Privatstunden nahm. Aber man hielt dies bei einer hoffnungslos zum Altjungferndasein Verurteilten für den begreiflichen Wunsch nach Kompensation. Nicht einmal Aglaia, die Bewunderte, Große, machte mir viel Hoffnungen. »Ich weiß nicht recht, was mit dir los ist, Suse«, pflegte sie zu sagen. »Es steckt was in dir, das sieht ein Blinder. Aber die Bildhauerei ist eine zu harte Disziplin für dich, zu streng, zu groß. Dir liegt das Dekorative mehr als das Plastische. Irgendwie sitzt dir bei der Arbeit die Manipulantin im Genick.« – Das war nicht gerade aufmunternd, und es gehörte viel Zähigkeit und Willensaufwand dazu, um nach so zweifelhaftem Lob: »Es steckt was in dir …« weiterzuarbeiten. Und gar der Professor beim Aktzeichnen, der packte mich noch rauher an. »Sö san mir die Richtige! Da schaun S’ her: die Rückenlinie da, die siecht aus, als wann s’ von einer Maus aus’bissen wär’. So g’hört ’s und so und so … Segen S’, ein Akt, dös san fünf bis zehn Linien. Alles, was drüber geht, haaßt nix! Der Busen, den S’ da g’malen haben, der is ja barock …!«

      Barock war ein Ausdruck tiefster Verachtung in der Sprache des Professors.

      Was konnte ich dafür? Unter meinen Händen wurde eben alles barock.

      Und nun hatte ein Unbefangener, Fremder mich für eine Künstlerin gehalten! Dabei wußte der eitle junge Bursche da neben mir bestimmt gar nicht, wie froh und zuversichtlich mich sein Irrtum machte.

      »… ich sehe Sie direkt in einem weißen, etwas fleckigen Kittel in einem Atelier stehen«, beendete er seinen Satz.

      »So leicht kann man irren. Jetzt sind Sie wohl sehr enttäuscht, was?«

      »Oh, nein …«

      Die zögernde Antwort brachte mich wieder in Harnisch.

      »›Oh, nein‹ heißt ›ja‹! Sie hätten eben doch Ihren natürlichen, jugendlichen Wünschen folgen sollen und die hübsche Verkäuferin in die Loge laden; stattdessen …« Ich wollte fortsetzen: ›… haben Sie sich von Ihrem Snobismus verleiten lassen und sind erst recht fehlgegangen.‹ Aber ich hielt rechtzeitig inne und sagte mit komischer Übertreibung: »… haben Sie Philanthropie walten lassen und eine Bresthafte begönnert.«

      Er sah mich verwundert an und blieb stehen.

      »Philanthropie – was ist das?«

      Nun war es an mir, zu staunen. Hatte man in dem ärarischen Elternhaus keine Fremdwörter benützt? Und warum nicht? Aus Unbildung – oder vielleicht aus Deutschtümelei?

      »Menschenfreundlichkeit, Menschenliebe, Nächstenliebe«, erläuterte ich etwas beschämt über die Lehrerinnenrolle, die mir da zufiel.

      »Wie merkwürdig Sie sich ausdrücken«, meinte er. »Philanthropie – eine Bresthafte begönnert … Nein, ich bin nicht enttäuscht, o nein, gar nicht! Ich hab ja so viel gelernt.«

      »Gelernt?«

      »Ja. Ich weiß jetzt, was eine Arie und ein Duett ist, daß die Musik, ehe der Vorhang aufgeht, Ouvertüre heißt und der Text, den die Künstler singen, Libretto – oder hab ich etwas falsch gesagt?« fragte er, als er die Verblüffung in meinen Augen las. »Ich habe auf jedes Wort aufgepaßt, das Sie in der Pause fallen ließen. Ach, man kennt ja viele Ausdrücke vom Hören und Lesen und ist nicht so ganz sicher, was sie bedeuten. Sie müssen wissen …«, er stockte verlegen, »… ich bin heute zum ersten Mal in der Oper gewesen.«

      »Aber gehen Sie …«, sagte ich, denn ich wußte wirklich nicht, was ich erwidern sollte; auch waren wir inzwischen vor meinem Haustor angelangt.

      »Ich bin nämlich …« Er setzte den begonnenen Satz nicht fort, aber es war mir, als bereitete es ihm Mühe, die unausgesprochenen Worte bei sich zu behalten. Seine Blikke vollführten einen raschen Kreislauf, als glaubte er sich beobachtet. Dabei hatte sich das linke Auge wieder ein wenig träger als das rechte verhalten. Dann sagte er: »Und auch was Philanthropie heißt, weiß ich jetzt. Nur das mit der Haltung, zu der die Adeligen verpflichtet sind, habe ich nicht ganz verstanden.«

      »Nun, das kommt schon noch«, sagte ich belustigt. »Übrigens habe ich von humaner Haltung gesprochen.«

      Man sah es ihm an, daß er gern gefragt

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