Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71. Jochen Oppermann

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Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71 - Jochen Oppermann

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der Artillerie unterstellt, was sich als taktisch schwerer Fehler herausstellen sollte, weil es ihren Einsatz beschränkte. Die Entwicklung dieser Waffe unterlag in den Jahren vor dem Krieg allerstrengster Geheimhaltung. Anfang Juli 1870 besaß das französische Heer mehr als 190 Mitrailleusen, doch die Mannschaften wurden erst ab August in diese eingewiesen (Kühlich, S. 330). Das Bronzerohr mit seinen 25 Läufen lag auf einer Holzlafette und wurde von hinten bedient, indem die Besatzung die 25 Kugeln mithilfe eines Patronenrahmens in die Rohre einführte (Chandler, S. 26). Diese wurden fast gleichzeitig abgeschossen, während ein Soldat an einer Kurbel drehte. Geriet man in den Streubereich der Salven war die Mitrailleuse tatsächlich eine furchtbare Waffe, doch genau darin lag das Problem für die Franzosen. Den deutschen Soldaten gelang es, nachdem sie erste Erfahrungen mit der Waffe gemacht hatten, den Streubereich einfach zu umgehen. Die Mitrailleuse war derart schwerfällig, dass es kaum gelang, sie rasch neu auszurichten. Meist feuerte sie starr auf einen ganz bestimmten Bereich. Auch das Knarren der Kurbel verriet den anrückenden Gegnern die Anwesenheit der gefürchteten französischen Geheimwaffe. Nur die wenigen gut ausgebildeten Bedienungsmannschaften konnten das halten, was sich die französischen Militärs versprochen hatten, nämlich Tod und Verheerung in die anrückenden deutschen Soldaten zu tragen. Insgesamt aber lebte die Mitrailleuse von ihrer Symbolkraft, besonders nach dem Krieg, als sie als Beute und Denkmalschmuck Verwendung in der staunenden, nun geeinten deutschen Heimat fand. Auf den Schlachtfeldern sollte sich zeigen, dass zu wenige Soldaten an ihr ausgebildet waren und die anstürmenden deutschen Truppen deshalb schnell die Furcht vor ihr verloren.

      Ganz konkrete Wirkung entfaltete dagegen die Artillerie, die ähnlich wie das Gewehr in den Jahrzehnten vor dem Krieg eine große Entwicklung mitgemacht hatte. Besonders die Umstellung von glatten Rohren, mit einer durchschnittlichen Schussweite von 1500 Metern, auf gezogene Läufe, die bis zu 3800 Meter weit schießen konnten, war signifikant. 1867 hatte die preußische Armee alle glatten Rohre ausgetauscht und durch gezogene Hinterlader ersetzt. Obwohl die Feuergeschwindigkeit mit zwei bis drei Schuss pro Minute gleichblieb, stieg die Treffgenauigkeit. Die französischen Vorderlader hatten wie bei den Gewehren das Problem, dass durch das Einführen des Projektils von vorne das Rohr etwas breiter als das Projektil selbst sein musste, was wiederum einen Verlust an Energie bedeutete. Auch wurden die Granaten mit Zeitzündern versehen, die diese auf eine bestimmte Entfernung zum Explodieren brachten. Damit hatte die Armeeführung versucht, die Aufprallwirkung mit der Splitterwirkung zu kombinieren. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass die Aufprallwirkung völlig über-, die Splitterwirkung unterschätzt worden war (Arand, S. 145). Seltsamerweise hatte Napoleon III., immerhin gelernter Artillerist, diese Waffengattung vernachlässigt. Die Geschichte des Deutsch-Französischen Krieges hätte durchaus eine andere Wendung nehmen können, wenn Napoleon III. im Jahre 1867 den Preisträger der Pariser Weltausstellung nicht nur als netten Gesprächspartner, sondern als Geschäftspartner angenommen hätte.

      Alfred Krupp (1812–1887) wurde im Nachhinein gerne als deutscher Patriot dargestellt, der seinen Anteil an der Entstehung des Deutschen Kaiserreiches hatte. Doch in den 1860er-Jahren war er nur eines: Ein Geschäftsmann, der sich überall auf der Welt den Spitznamen »Kanonenkönig« erworben hatte. Obwohl er seine Kanonen auf besagter Weltausstellung dem Kaiser persönlich vorführen konnte, ließ dieser sich von seinem Kriegsminister Edmond Lebœuf (1809–1888) überzeugen, lieber auf den französischen Stahlmagnaten Eugène Schneider (1805–1875) zu setzen (ebd., S. 195). Stattdessen bemühten sich danach Bismarck und König Wilhelm I. um Krupp, der im Juli 1870 ein großes Geschäft witterte. Nun entdeckte er auch seinen Patriotismus und bot Kriegsminister von Roon an, ihm Kanonen im Wert von einer Million Talern zu schenken. Von Roon lehnte deswegen dankend ab, weil der fein ausgearbeitete Aufmarschplan dadurch durcheinandergekommen wäre. Dennoch begann Krupp mit der Produktion weiterer Kanonen auf eigene Faust.

      Von Roon hatte aber auch Bedenken gegen Krupps Ingenieurkunst, weil sich dessen Kanonen im Deutsch-Deutschen Krieg noch als einigermaßen unzuverlässig erwiesen hatten (Bremm, 2019, S. 64). Es gab ferner Probleme bei den Hinterladern und ihren Verschlüssen, die für die Bedienungsmannschaften lebensgefährlich werden konnten. Bei den Bronzerohren war die Gefahr eines »Rohrkrepierers«, also der Explosion des Geschosses im Lauf, deutlich geringer. Man sah in der Armeeführung in Berlin deshalb die gusseisernen Geschütze aus Essen mit großem Misstrauen. Deswegen hatte man noch Bronzekanonen mit Vorderladertechnik in der Planung – doch Krupp konnte schließlich überzeugen.

      Mit der Feldkanone C/67 hatte Krupp das anfällige Modell C/64, das 1866 zum Einsatz gekommen war, weiterentwickelt und die Probleme im Guss behoben. Ebenfalls wurde die Möglichkeit zur Ausrichtung verbessert und die Beweglichkeit erhöht (Solka, S. 39). Wenn gegen die Chassepot-Gewehre der Franzosen der Angriff ins Stocken geriet, wurde eine C/67 nach vorne gerollt und in Stellung gebracht. Neben den 8,75-Pfund-Granaten konnte man Kartätschen mit 7,5 Pfund Gewicht verschießen, die großen Schaden anrichteten. Theoretisch betrug die Feuerrate der C/67 bis zu zehn Schuss in der Minute, doch eine Schussfrequenz von drei Schuss die Minute wurde üblich (Hormann, S. 42).

      Die Franzosen vertrauten auf Geschütze des Typs »La Hitte«, benannt nach dem General Jean-Ernest Ducos de La Hitte (1789–1878), der 1858 das System des gezogenen Laufes in der Artillerie einführte (Chandler, S. 28). Auch hier war eine Steigerung der Schussweite und Treffgenauigkeit die Folge. Insgesamt aber mussten die Franzosen feststellen, dass ihre »La Hitte« den Krupp’schen Geschützen in allen Belangen unterlegen war. Deswegen konnte Napoleon III. voller Überzeugung nach der Schlacht von Sedan sagen: »C’est votre artillerie, qui a gagné la bataille; l’artillerie prussienne est la première du monde«, ›Es ist Eure Artillerie, die die Schlacht gewonnen hat; die preußische Artillerie ist die beste der Welt.‹ (zitiert nach: Revue D’Artillerie, S. 435, Übers. d. Autors).

      Hinsichtlich der Kommandostrukturen gab es zwischen Franzosen und Preußen mehrere große Unterschiede. Zunächst einmal hatte Preußen seit der ersten Reform in den Napoleonischen Kriegen einen Generalstab, womit die höchsten Kommandobehörden vereint waren (Howard, S. 23 ff.). Jeder Infanteriedivision wurde ein Verbindungsoffizier zugeteilt, der im Generalstab seinen Dienst tat. Dies ermöglichte die Koordination komplexer militärischer Manöver wie in der Schlacht bei Königgrätz. Dennoch war in den einzelnen Ebenen eigenständiges Handeln nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Beim Aufeinandertreffen riesiger Heere, wie eben bei Königgrätz, mussten die einzelnen Unterführer situativ reagieren, um das höhere Ziel zu erreichen. In der französischen Armee gab es dies so nicht. Hier musste die Befehlshierarchie streng eingehalten werden. Dadurch wurde diese insgesamt unflexibler (Shann, S. 24). Doch auch die preußische Auftragstaktik hatte ihre Nachteile. Nicht selten handelten einzelne Generäle trotz Unkenntnis der Gesamtlage eigenmächtig, was einen hohen Blutzoll zur Folge hatte. Dies sollte sich schon in den ersten Schlachten des Krieges von 1870/71 zeigen.

      Unabhängig von der Entscheidungsfreiheit der unteren Kommandoebene musste es einen übergreifenden Plan geben. Bereits seit 1857 arbeitete Moltke unablässig an verschiedenen Szenarien eines Krieges mit Frankreich. Zunächst war der angedachte preußische Aufmarsch noch rein defensiv. Gerade die Stärke des napoleonischen Zweiten Kaiserreiches machte dabei eine enge Bindung an Österreich notwendig, so wie es 1815 auch gegen das napoleonische Erste Kaiserreich notwendig war. Doch nach 1866 sahen sich die Preußen nicht als Schutzsuchende, sondern mindestens auf Augenhöhe, wenn nicht sogar als Führungsmacht einer solchen Allianz. Gerade die Erweiterungen Preußens im Westen machten eine solche Schutzmachtstellung gegenüber den kleineren deutschen Staaten vor allem im Süden folgerichtig (vgl. Nipperdey, Band II, S. 23 ff.). Aber war die Verteidigung der Bündnisstaaten am Rhein durch Preußen überhaupt realistisch? Wenn wir uns die Zeit für eine Mobilmachung Preußens in der Mitte des 19. Jahrhunderts anschauen, so stellen wir fest, dass eine Armee, die mit Aussicht auf militärischen Widerstand im Rheinland aufgestellt wird, rund 33 Tage benötigte. Berechnungen, die von einer Ausgeglichenheit der Kräfte ausgingen, gaben 7 Wochen für die Mobilisierung in Preußen an (Howard, S. 42 f.). In das Konzept der Verteidigung drang unweigerlich der sinnvolle Gedanke, die linksrheinischen Gebiete aufzugeben und sich hinter dem Rhein und dem Main zu verschanzen. Damit aber würde man im Kriegsfall garantiert keine patriotische Begeisterung auslösen. Dies war zwar auch nicht die

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