Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71. Jochen Oppermann

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Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71 - Jochen Oppermann

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[…]« (zitiert nach: Deuerlein, S. 49). Für diese »Ehre« mussten in den nächsten Monaten zigtausende Männer ihre Gesundheit ruinieren oder ihr Leben lassen. Gleich, ob Deutsche oder Franzosen.

      EXKURS: WAFFEN, TRUPPEN, PLÄNE

      »Keinen Augenblick waren wir vor den feindlichen Kugeln und Bagonetten sicher vielweniger das wir einmal mit Ruhe schlafen können.«

      Reservist Peter Joseph Peters

      Die Schusswaffe unterlag im 19. Jahrhundert einem unablässigen Wandel (Haselhorst, Waffe, S. 229). Hauptziele waren die Verbesserung der Reichweite und der Zielgenauigkeit. Auch das Laden änderte sich, indem es effektiver und schneller wurde. Zeitgleich kämpfte man aber noch wie hundert Jahre zuvor. Das hieß vor allem, dass sich die Soldaten in Linien aufeinander zubewegten, während die Kavallerie mit gezücktem Säbel Attacken ritt und die bunten Uniformen bei den nun genauer feuernden Gewehren zum treffsicheren Schießen einluden. Die Geschosse rissen furchtbare Wunden, da sie sich aufgrund ihrer weichen Beschaffenheit im Körper verformten und damit ungeheuren Schaden anrichteten, dem die Feldchirurgie völlig überfordert gegenüberstand. Was diesen Aspekt des Leidens betraf, muss man z. B. den Krimkrieg und den Amerikanischen Bürgerkrieg als besonders grausam charakterisieren, auch wenn das 20. Jahrhundert noch ganz andere Schrecken bereithalten sollte. Da sowohl die französischen als auch die deutschen Soldaten oftmals Kriegserfahrung hatten, wussten sie, auf was sie sich im Sommer 1870 einließen. Die Begeisterung hielt sich besonders bei den Deutschen in Grenzen (Howard, S. 55). Auch wussten weder der einfache französische Soldat noch der deutsche etwas Genaues über ihren Gegner. Da halfen auch die Infobroschüren wenig, die zu Beginn des Krieges verteilt wurden. Zumal diese meist nur den Offizieren zugänglich waren (Bremm, 2019, S. 133). Gerade die Wirkungsweise der jeweiligen Waffen sollte rasch auf blutige Weise in Erfahrung gebracht werden.

      Der aus dem thüringischen Sömmerda stammende Büchsenmacher Nikolaus von Dreyse (1787–1867) hatte für die Preußen ein Gewehr entwickelt, bei dem ein federgetriebener Stift das Pulver entzündete (Chandler, S. 137). Dazu musste das Zündmittel nun direkt mit der Patrone verbunden sein, damit die Zündnadel diese aktivierte. Dabei bestand die Gefahr, dass beim Einführen in den Lauf von vorne, was die damalig übliche Ladetechnik war, die Patrone zu früh auslöste. Dreyse eliminierte diese, indem er von Vorder- auf Hinterlader umrüstete. Im übrigen Europa dominierte noch bis in die 1860er-Jahre das Vorderladergewehr, das ebenfalls stetig verbessert wurde. Dennoch zeigte sich spätestens im Deutsch-Deutschen Krieg von 1866 die Überlegenheit des Hinterladers, vor allem weil dieser Typ eine höhere Schussfrequenz aufwies. Die in Schützenreihen anrennenden Österreicher mussten dies schmerzlich erfahren. Dreyse versah den Lauf bei seinen Gewehren mit »Zügen«, also spiralförmig eingearbeiteten Rillen im Inneren des Laufes, die dem Projektil einen Drall und damit eine stabilere Flugbahn und größere Reichweite gaben. 1840 wurden die ersten Gewehre dieser Bauart für die preußische Armee bestellt. Der Soldat konnte nun aus der Deckung schießen und nachladen, während man sich beim Einführen von Patrone und Schießpulver bei einem Vorderlader aufstellen musste. Auch geschah das Laden nun viel schneller, sodass geübte Schützen auf zwölf Schuss in der Minute kamen. Dies konnte aufgrund der Technik des »Dreyse« nicht lange durchgehalten werden, weil sich in der Kammer immer wieder Rückstände sammelten, die mühsam entfernt werden mussten. Die dünne Zündnadel, die dem Gewehr seinen Namen gab, deformierte schnell, da sie der ständigen Explosion ausgesetzt war. Sie musste je nach Schussrate häufiger gewechselt werden. Probleme konnten auch beim Abschuss des »Langbleis« – so wurden die preußischen Projektile genannt – auftreten, wenn dieses nicht mittig im Lauf lag. Wenn die Kammer nicht völlig dicht war, entwichen Explosionsgase, deren Energie dem Langblei fehlte (Arand, S. 141). Verlust an Präzision und Reichweite waren die Folge. Generell war das »Dreyse« nur bis rund 250 Meter recht präzise, auch wenn es bis zu 600 Meter weit schießen konnte. Die preußische Armee war sich dieser Mängel durchaus bewusst und arbeitete an Verbesserungen, hatte die Schwächen im Jahre 1870 jedoch noch nicht behoben. Dennoch wurde das Kampfgeschehen durch das Dreyse dramatisch verändert.

      Aufgrund der hohen Schussrate entwickelte die Armeeführung das Prinzip des Schnellfeuers. Der Soldat durfte ohne Befehl so schnell und häufig wie möglich schießen, wenn es die Umstände verlangten. Hier hielten sich Vor- und Nachteile einigermaßen die Waage, weil dieses Prinzip zwar sehr effektiv war, jedoch ebenso rasch die 60 mitgeführten Patronen verbraucht wurden. Als erzieherische Maßnahme, sinnvoll mit den Patronen umzugehen, wurden dem Schützen deswegen nur wenige Zündnadeln mitgegeben, deren Ersatz er sich beim nächsten Offizier besorgen musste (Arand, S. 143). Dies war während des Gefechts in jeglicher Hinsicht kein angenehmer Gang!

      Bessere Gewehre als die Preußen hatten die Bayern im Kriegsjahr 1870. Ihr Podewilsgewehr – benannt nach dem bayerischen Generalleutnant Philipp Freiherr von Podewils (1809–1885) – war ursprünglich ein Vorderlader gewesen. Nach den Erfahrungen 1866 rüsteten die Bayern ihr Podewils nach dem Vorbild erbeuteter preußischer Zündnadelgewehre zum Hinterlader um. Das beste Gewehr aller deutschen Truppen besaßen die bayerischen Jägerbataillone mit dem Werder-Gewehr, bei dem standardmäßig Metallpatronen verschossen wurden (Kühlich, S. 329). Dieses »Werder« war sogar dem französischen Hinterlader überlegen. Und dieser sollte den deutschen Soldaten das Fürchten lehren.

      Der französische Erfinder Antoine Chassepot (1833–1905) hatte bereits Anfang der 1860er-Jahre eine Kopie des Dreyse dem Kriegsministerium vorgelegt. Aber erst nach 1866 interessierte man sich in Paris für diesen Hinterlader und führte ihn in der Armee unter der Bezeichnung fusil modèle 1866 ein (Shann, S. 34). Schon 1868 war die gesamte französische Armee mit dem Chassepot ausgerüstet, nachdem es im Jahr zuvor bei der Schlacht bei Mentana erstmals erfolgreich eingesetzt worden war. Im Vergleich zum Dreyse hatte das Chassepot eine besser abgedichtete Treibkammer und die Zündnadel nutzte sich weniger schnell ab. Die Schussweite war mit 1200 Meter doppelt so hoch wie beim Dreyse, was den französischen Gedanken, in der Defensive auf den anrückenden Feind zu warten, begünstigte (Chandler, S. 23). Bereits ab einer Entfernung von 1500 Meter gaben französische Infanteristen ein ungezieltes Streufeuer ab, das natürlich, je näher die Feinde kamen, effektiver wurde. Die Preußen ließen dagegen die Gegner auf bis zu 150 Meter herankommen, um gezielt schießen zu können (Dierks, S. 142). Die französischen Befehlshaber hatten aufgrund ihres Gewehres sogar ihre Taktik geändert, die traditionell auf Offensive ausgerichtet war. Die Schussweite ließ die Infanterieregimenter nun defensiver agieren, indem sie Schützengräben und andere Feldbefestigungen anlegten, aus denen nur selten ein Gegenangriff gestartet wurde. Die deutschen Soldaten, die sich ab 1500 Meter in Feuerentfernung befanden, konnten sich beim Beschuss aus dieser Distanz sogar noch rechtzeitig ducken. Rund drei Sekunden benötigte die Kugel aus dieser Entfernung. Beim weiteren Annähern entfiel diese Möglichkeit natürlich. Daraus resultierte die Absicht, sich möglichst schnell den französischen Linien zu nähern.

      Wie auch das Dreyse hatte das Chassepot seine Schwächen, die beim französischen Fabrikat hauptsächlich in den Dichtungsringen lagen. Schon nach wenigen Schüssen konnten diese Kautschukringe porös werden und mussten gewechselt werden. Drei Ersatzringe trug jeder Soldat zusammen mit 68 Schuss stets bei sich. Der Rückstoß des Chassepot war so stark, dass viele Franzosen aus der Hüfte schossen, weil sie keine »Ohrfeige« haben wollten (Kühlich, S. 328). Die Treffgenauigkeit war dementsprechend gering. Mobilgardisten und Nationalgardisten hatten selten das Chassepot und waren stattdessen mit umgebauten Vorderladergewehren ausgerüstet.

      Wirklich Angst verbreitete jedoch zu Beginn des Krieges eine andere Waffe bei den deutschen Truppen. Im Amerikanischen Bürgerkrieg waren schon erste verschiedene Modelle eines Maschinengewehres benutzt worden. Die Union Repeating Gun und etwas später die Gatling Gun wurden per Handkurbel bedient und fanden nur begrenzten Einsatz auf den Schlachtfeldern Amerikas. Berühmtheit erlangte dagegen die Mitrailleuse der Franzosen, die bereits 1850 in Belgien entwickelt worden war. Von den französischen Soldaten erhielt sie den Namen »Moulin à café« (Kaffeemühle) und wurde von den Preußen unter anderem etwas uninspiriert »Kugelspritze«

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