Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71. Jochen Oppermann

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Der Deutsch-Französische Krieg: 1870/71 - Jochen Oppermann

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Beziehungen zu den süddeutschen Staaten machten ihm Sorgen, während im Norden noch nicht einmal die Verfassung des Norddeutschen Bundes verabschiedet war (Arand, S. 89). Dennoch war Bismarck nicht so blauäugig, um zu denken, dass mit einigen netten Worten in der Presse die Kriegsgefahr gebannt war. Bereits Anfang Juli 1867 sagte er: »Luxemburg war das Äußerste unserer Friedfertigkeit, ist der Friede damit nicht gesichert, dann ist er nicht zu halten« (zitiert nach: Gall, 1980, S. 408). Insgesamt konnte Preußen im Sommer 1867 mit dem Ausgang der Luxemburg-Krise zufrieden sein und genüsslich beobachten, wie es in Paris weiterging. Dort tobte weiterhin die öffentliche Meinung.

      Die nationalistische Presse, die mit der Kriegspartei am französischen Kaiserhof im Bunde war, sah den Grund allen Übels im preußischen Sieg bei Königgrätz, bei dem Frankreich hinsichtlich seiner Belohnung für die Neutralität betrogen worden sei. Auch die Deutung, dass bei Königgrätz die Österreicher stellvertretend für Frankreich besiegt worden seien, waberte durch die Gazetten und setzte den Ausruf in die Welt, dass man Rache nehmen müsse. Jedoch nicht für Königgrätz, weil man dies in Frankreich nicht gut aussprechen konnte, sondern für das Dörfchen 15 Kilometer davor. »Sadowa! … – Voilà le grand, le vrai, le seul mot de la situation dont nous gémissions.«, ›Sadowa! Das ist das große, das wahre, das einzige Wort, das uns in unserer Situation aufstöhnen lässt.‹ (T***, S. 9, Übers. d. Autors).

      Die Forderung »Rache für Sadowa« (Vengeance pour Sadowa) bestimmte fortan einen Großteil der öffentlichen Meinung. Dabei ging fast unter, dass es auch andere, weniger martialische Stimmen gab, die zur Durchsetzung französischer Interessen für eine Zusammenarbeit mit Preußen warben. Gerade die Wirtschaft war gegen einen Krieg und das Volk, sofern es nicht durch »Sadowa« aufgestachelt wurde, war ebenfalls größtenteils dagegen (Craig, S. 29).

      Im krassen Gegensatz zur schwindenden körperlichen Verfassung des Kaisers steigerte sich die Kriegsrhetorik in den einzelnen französischen Parlamenten (Arand, S. 89). Ob er wollte oder nicht – immerhin nahm Bismarck in einem Gespräch Ende März 1867 mit dem Grafen Bethusy-Huc (1829–1893) an, dass der Kaiser keinen Krieg wollte –, musste Napoleon einen möglichen Krieg in seine Außenpolitik mit einbeziehen (Ohnezeit, S. 40). Deswegen versuchte er, die süddeutschen Staaten von Preußen zu entfremden, und warb um Österreich. Den Süddeutschen machte er klar, dass der Plan des Erwerbs linksrheinischer Gebiete durch Frankreich vom Tisch sei, während Österreich als Kriegsverlierer 1866 trotz preußischer Mäßigung beim Frieden naturgemäß an einem Bündnis interessiert war (Canis, S. 36). Immerhin konnte Frankreich bei einem erfolgreich verlaufenden Waffengang gegen Preußen Wien ohne Schwierigkeiten Schlesien versprechen, das im vorigen Jahrhundert von den Preußen erobert und annektiert worden war. Doch auch in Österreich hatte der Nationalismus keinen Winterschlaf gehalten, und so agierte man in Wien diesbezüglich vorsichtig, weil es sonnenklar war, dass Napoleon III. bei einem gemeinsamen Sieg gegen Preußen Gebiete annektieren würde, die von Deutschen bewohnt werden. Dies würde in den süddeutschen Ländern, die den Habsburgern durchaus wohlwollend gegenüberstanden, sehr verstörend wirken (Ohnezeit, S. 41). Im Herbst 1869 kam es zu einem intensiveren brieflichen Austausch zwischen den Monarchen Frankreichs, Österreichs und Italiens bezüglich eines Bündnisses. Jedoch scheiterten konkrete Vereinbarungen an den unterschiedlichsten Streitpunkten. Zwar war eine grundsätzliche Abneigung Preußen gegenüber bei allen Anwesenden erkennbar, jedoch kam es zu keiner vertraglich abgesicherten antipreußischen Koalition. Im folgenden Jahr trafen sich ebenfalls nochmal französische und österreichische Offiziere, um ein gemeinsames Vorgehen gegen Preußen zu besprechen. Dem nunmehr ungeduldigen Drängen Napoleons III., der bereits einen Feldzugsplan in der Tasche hatte, der Österreicher und Italiener miteinbezog, gab weder Wien noch Florenz (wo zu diesem Zeitpunkt die Hauptstadt Italiens lag) nach (Howard, S. 46). Bismarck war derweil ebenfalls nicht untätig geblieben.

      Schon Ende März 1866 war es zwischen Preußen und Russland zu einem diplomatischen Schriftwechsel gekommen, bei dem es im Gegensatz zu Frankreichs Bemühungen zu einer konkreten Vereinbarung gekommen war. Im Falle eines preußisch-französischen Krieges sollte Russland Truppen an die gemeinsame Grenze mit Österreich verlegen, um dieses davon abzuhalten, in den Krieg zugunsten der Franzosen einzugreifen. Im Gegenzug verpflichtete sich Preußen, Truppen an die Grenze zu Frankreich zu entsenden, falls es zu einem russisch-österreichischen Krieg käme, um eben Napoleon von einer Waffenhilfe abzuhalten (Ohnezeit, S. 41). Es handelte sich zwar auch hier um kein festes Bündnis, wie es sie beispielsweise 1914 geben sollte, jedoch zeigte sich bald, dass Preußens diplomatische Vorkehrungen wirksamer waren. Um wirklich »Rache für Sadowa« nehmen zu können, hätte es für Frankreich des Bündnisses mit Österreich bedurft. Bismarck wusste dies und arbeitete dem wirkungsvoll entgegen. In den Jahren vor 1870 machte sich der persönliche Einsatz, Wien im Sommer 1866 nicht gedemütigt zu haben, bezahlt. Dennoch war die Gefahr eines Eingreifens Österreichs niemals gebannt. Auch ein anderer Kriegsverlierer sollte mit seinen Revanchegedanken die französische Geheimdiplomatie beschäftigen. Im Norden beobachtete Dänemark die Entwicklung zwischen Frankreich und Preußen aufmerksam (Buk-Swienty, Dinesen, S. 256). Würde es vielleicht eine Chance bekommen, Schleswig zurückzuerhalten? Als das Jahr 1870 begann, war vieles möglich, nur eines war recht sicher. Es würde bald zum Krieg zwischen Frankreich und Preußen kommen. Dass dieser ausgerechnet in einem Kurstädtchen an der Lahn seinen Ausgang nehmen würde, ahnte niemand.

      III. JULIKRISE 1870

      »Nichts fröhlicher, nichts friedlicher als die

      Mittsommerzeit der 70er Saison im schönen Ems.«

      Theodor Fontane

      Trotz allen Gottesgnadentums und aller mittelalterlichen Vorstellungen vom gottgleichen Herrscher, die auch von der Französischen Revolution 1789 nicht vollends beseitigt werden konnten, war eine Tatsache zu jeder Zeit völlig plausibel: Ein König ist auch nur ein Mensch. Und als ein solcher Mensch brauchte er hin und wieder Erholung. Nun war König Wilhelm I. von Preußen im Jahr 1870 73 Jahre alt, also in einem Alter, in dem man gemeinhin seinen Ruhestand genießt. Die Auszeit vom mühsamen Regierungsgeschäft nahm der alternde Monarch seit dem 20. Juni in Ems, ab 1913 mit dem Zusatz »Bad«, wo er traditionell zum Kururlaub verweilte. Hier war er nicht alleine, wenn er sich den heilenden Wassern hingab, sondern wurde neugierig von anderen Kurgästen beäugt, sodass man den Eindruck haben konnte, eine »normale«, wenn auch berühmte Person genieße einige ruhige Tage (Fontane, Bd. I., S. 3 f.). Auf die anderen Gäste wirkte die erhabene Gestalt des Preußen den Schilderungen nach beruhigend. »Ueber alle aber kam auf Augenblicke eine Ruhe im Gemüth, wenn die hohe Gestalt König Wilhelms, hinausragend über das Kleine und Krankhafte, grüßend an ihnen vorüberschritt« (ebd.).

      Dass ein Krieg aber ausgerechnet in Gestalt des französischen Botschafters Benedetti in die Kuridylle von Ems einbrechen würde, hätte wohl niemand geahnt. Genauso wenig wie der Umstand, dass dieser etwas mit Spanien zu tun haben würde, das bisher in diesem schwelenden preußisch-französischen Konflikt keinerlei Rolle gespielt hatte.

      Dort war es im September 1868 zu einer Revolution gekommen, die Königin Isabella II. (1830–1904) den Thron gekostet hatte. Spanien war im 19. Jahrhundert weit entfernt von den glorreichen Tagen der Habsburgerherrscher des 16. Jahrhunderts und hatte mit großen ökonomischen und sozialen Problemen zu kämpfen. In Madrid rangen England und Frankreich um ihren Einfluss auf die immer noch, zumindest hinsichtlich ihrer Geschichte strahlende spanische Krone. Innenpolitisch herrschte in Spanien immenses Chaos. Isabella II. stammte aus dem Hause der Bourbonen und stand deswegen Frankreich nahe. Nach dem Sturz der Königin wechselten innerhalb kurzer Zeit 55 Kabinette einander ab – eine Zeit, die »Sexenio Revolucionario« genannt wurde (Ohnezeit, S. 43). In den zwei Jahren nach ihrem Sturz wurde ein König gesucht, der kein Spanier sein musste.

      Für Napoleon III. war Spanien ökonomisch besonders wichtig, weil dieses mithilfe französischen Geldes und französischer Ingenieure das Land modernisierte. Vor allem der Eisenbahnbau stand unter großem französischem Einfluss und beide Schienennetze sollten miteinander

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