Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley
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Читать онлайн книгу Das Herz des Diplomaten - J.L. Langley страница 4
Der Wagen mit der Töpferware passierte sie und Blaise zerrte Bannon weiter, bis der sich aus seinem Griff befreite.
»Ich kann selbst gehen, weißt du.«
»Dann beeil dich.« Kopfschüttelnd ging Blaise den Gang entlang und überließ es Bannon und Louisa, ihm zu folgen. Warum musste Larkinson, seine Kammerdienerin und bevorzugte Anstandsdame, ausgerechnet heute krank werden? Er hätte sich davonschleichen und allein hierherkommen sollen. Das Risiko wäre es wert gewesen.
Der Markt war um einiges größer, als er erwartet hatte, und ganz bestimmt nichts für schwache Nerven. Es war nicht direkt dreckig, aber auch nicht gerade makellos sauber. Die Straßen waren… nun, Straßen eben. Es roch verdächtig nach Pferdemist, obwohl keine Tiere erlaubt waren. Hier tummelten sich Dienstboten in Livree, höhere Bedienstete und Hilfsbutler, hier und da sah man sogar Bürger aus der Mittelschicht, doch es schien sich kein einziger Lord und keine Lady des ton hier aufzuhalten.
Blaise verzog das Gesicht, zupfte den Aufschlag seines Paletots etwas weiter nach oben und hoffte, dass er zusammen mit seinem Hut seine Identität verbarg. Er war zu weit gekommen, um jetzt umzukehren.
Er lief noch etwa eine Minute weiter, bevor er den Melonenstand direkt zwischen den Orangen und den Weintrauben entdeckte. »Überlasst mir das Reden.«
Keine Antwort.
Blaise wirbelte herum und sah sich einer Frau gegenüber, die einen kleinen Jungen an der Hand hielt. »Huch!« Er wich zurück.
Sie schnappte nach Luft und presste sich ihren Beutel an die Brust.
Verdammter Mist! »Es tut mir so leid, gnädige Frau. Ich dachte, mein Bruder wäre hinter mir.«
Die Frau warf ihm einen finsteren Blick zu, hob das Kinn und stolzierte davon, wobei sie den Jungen hinter sich herzog, der über die Schulter zu Blaise schaute.
Seufzend schüttelte Blaise den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Verkaufsstand. Er würde Bannon die Ohren langziehen, wenn er ihn wiederfand.
Hinter den Reihen aus Zuckermelonen wartete ein jugendliches Mädchen mit hübschem Gesicht auf die Bestellung einer Frau in einem grauen Wollmantel und einer Haube mit Strohkrempe. Das Mädchen trug einen schlichten hellbraunen Umhang, aber bei näherem Hinsehen bemerkte er fein gearbeitete, hellere Stickereien am Revers. Am Handgelenk ging der Stoff in dunkleres, glänzenderes Braun über, wahrscheinlich Seide. Das Kleidungsstück passte viel eher zu einer Frau von einigem Ansehen aus der Mittelschicht als zu jemandem, der durch den Verkauf von Früchten auf der Straße ein mageres Gehalt verdiente. Ihre Wangen waren durch die Kälte ganz rot und sie ließ ihre Blicke über die Menschenmassen streifen, ohne ihre Kunden direkt anzusehen. Das musste die Kammerzofe sein.
Die Kundin vor ihr schien das seltsame Verhalten der Zofe nicht zu bemerken. Sie nahm eine Frucht zur Hand, aber anstatt sie in den Korb zu legen, der an ihrem Arm hing, hielt sie sie unter ihre Nase.
Blaise runzelte die Stirn bei dieser merkwürdigen Geste. Wer riecht denn an Melonen?
Doch nein, sie schnupperte nicht daran. Sie wandte den Kopf leicht zur Seite, dann drehte sie ihn wieder zurück in die andere Richtung, während auch sie die Menge absuchte.
Es hatte nichts mit der Kälte zu tun, dass die Härchen auf Blaises Armen sich unter den vielen Lagen Kleidung aufrichteten. Irgendetwas stimmte nicht. Er bahnte sich einen Weg zum Stand nebenan und beschloss, das Ganze noch etwas länger zu beobachten. Er griff nach einer Orange – oder war es eine Mandarine? Er konnte die beiden nie auseinanderhalten – und ahmte die Kundin nach, indem er die Frucht ans Gesicht hob. Dann spähte er über sie hinweg zu den beiden Frauen.
Sie unterhielten sich, doch ihre Blicke begegneten sich nie wirklich. Als ein Mann zu ihnen trat und eine Melone nahm, wandte sich die Kundin von ihm ab.
Der Mann warf das Geld für seine Zuckermelone auf den Verkaufstisch und ging davon. Erst dann richtete die Frau ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Händlerin. Sie legte die Melone in ihren Korb, ohne zu bezahlen, und das Mädchen machte keine Anstalten, sie davon abzuhalten.
Blaise ging näher heran und versuchte, an der breitkrempigen Haube vorbei einen besseren Blick auf die Kundin zu werfen, und…
Ach du meine Galaxie! Er drückte die Mandarine an seine Lippen, um ein Keuchen zu unterdrücken. Betty Jenkins!
Ein freudiger Schauer durchlief ihn. Es war, als würde man ein neues Musikstück beim ersten Versuch fehlerlos durchspielen. So viel Glück konnte er doch gar nicht haben.
Sie wirkte dünner als auf den Fotos von Mrs. Jenkins, die an den Wänden der Ratsstube hingen, und ihr Haar war braun, nicht von grau meliertem Blond. Um ehrlich zu sein, sah sie eher wie eine Küchenmagd aus als wie die Tochter eines Barons, doch um die Augen war die Ähnlichkeit deutlich. Sie hatte sogar denselben Schönheitsfleck weit oben auf ihrer Wange neben ihrem rechten Auge. Er war sich sicher, dass es sich hier um die Ehefrau des Admirals handelte.
Es verlangte ihm viel Selbstbeherrschung ab, nicht auf der Stelle ein kleines Freudentänzchen hinzulegen, aber wo war der Admiral? Blaise suchte die nähere Umgebung ab, aber niemand in der Nähe ähnelte dem stämmigen Mann.
Betty nickte dem Mädchen zu und ging davon.
Blaise wollte ihr hinterher, doch der Mann hinter dem Orangenstand erwischte ihn am Ärmel. »Bezahlste auch dafür oder muss ich de Büttel ruf'n?«
Dreck! Die Mandarine oder Orange oder was auch immer hatte er ganz vergessen. »Entschuldigung!« Er warf die Frucht zurück auf die Auslage und eilte durch die Gänge. Dabei blieb er weit genug zurück, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er jemandem folgte. Aber das war nicht einfach.
Betty verschwand immer wieder aus seinem Sichtfeld, wenn sich Menschen zwischen sie schoben. Ihr Korb schwang vor und zurück und ihr Wollmantel flatterte hinter ihr her. Wenn sie noch schneller lief, würde sie rennen. Selbst mit seinen längeren Beinen hatte Blaise Schwierigkeiten, mit ihr Schritt zu halten.
Ein Windstoß fegte Betty die Haube vom Kopf und verlangsamte ihre Schritte.
Blaise griff nach seinem eigenen Hut und beeilte sich, die Lücke zwischen ihnen zu schließen, doch ein Mann mit einem Wagen voller Naschereien kreuzte seinen Weg. Er konnte gerade so einen Zusammenstoß verhindern und machte einen Satz nach links.
Dort wurde er beinahe von einer Kinderschar niedergetrampelt, die dem Süßwarenverkäufer folgte.
Blaise eilte nach rechts, um an dem Karren vorbeizukommen, und irgendjemand rempelte ihn an der Schulter an, sodass er zur Seite stolperte. Sternenstaub und explodierende Planeten! Sahen die Leute denn nicht, dass er es eilig hatte? Während er sich die Schulter rieb, konzentrierte Blaise sich wieder aufs Wesentliche und… Oh nein. Betty war verschwunden und etwas weiter vor ihm rannte ein Mann in flaschengrünem Gehrock und mit kastanienbraunem Hut, als würde er versuchen, jemanden einzuholen. Das musste der ungehobelte Rüpel sein, der in ihn hineingerannt war.
Eine