Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke
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Hafenstadtwelten
Der Hafen kannte keine Ruhe und war in der Nacht hell erleuchtet. Lampen krönten die Spitzen der Ladekräne bei den festgemachten, schlafenden Riesen. Rote, grüne und weiße Lichter. Die Schiffe klebten nach langer Reise an den Mauern der Kajen. Überall in der Luft lagen Geräusche von Arbeit und Betrieb. Im Süden der Stadt lag der Fischereihafen. Eine andere Hafenwelt. Ständig rumpelten Traktoren mit Fischabfällen durch den Fischereihafen. Kreischende Möwen über ihnen und Räuchereien sendeten Düfte aus. Kam der Wind aus Südwesten verband sich oft damit der Durchzug von Nebelwänden. Man hört noch die Möwen und Nebelhörner der Schiffe, sieht aber die Hand vor Augen nicht mehr. Stadt und Hafen sind ineinander verwachsen. Mitten in der Stadt türmen sich zwischen den Häusern Schiffe auf. Fast eine ganze Weserseite der Stadt bestand aus Molen, Kajen, Kränen, Schuppen, Docks und Seeschiffen. Es gab Werftbetriebe mit ihren großen Trockendocks, militärischen Anlagen, die Passagierschiff Fahrgastanlage, auch Kaje der Tränen genannt, die weißen Bananendampfer und anderen Auffälligkeiten des Mikrokosmos Seehafen. Hinzu kam der milde Salzgeruch des Meeres, der Geruch von Teer und Farbe, von Schornsteinen und Küchen. Die Schlepper zogen das Schiff in die Fahrrinne hinaus und kamen zum Hafen zurück. Das Schiff nahm Abschied über seine kräftigen Sirenen und fuhr durch die Wesermündung ins Meer hinaus. Man sah irgendwann seine hohen Schornsteine am Horizont versinken. Wir hatten uns an das erscheinen und weiterziehen dieser Giganten gewöhnt. Schon aus der Ferne sah man die gewaltigen Schornsteine auf Hafen und Stadt zukommen. Geflaggt im schönsten Sonnenschein oder hell erleuchtet durch nächtliche Nebelschwaden. Auch wenn in 3 Schichten 7 Tage rund um die Uhr gearbeitet wurde, dauerte das end- und beladen eines Frachtschiffes 3 bis 5 Tage. In dieser Zeit hatte die Besatzung Freizeit. Das konnte 3 bis 5 Tage Landgang bedeuten. Auf manchen Schiffen war es dann auch verboten Alkohol und Frauen mit an Bord zu bringen. Männer, aus aller Herren Ländern, drängte es zu den Frauen in den nahen Bars und Absteigen und sie wirkten dabei wie ganz normale Seeteufel. An Bord träumen sie dann wieder von vertrunkenen Nächten, mit fremden Frauen, in ungemachten Betten und freuen sich schon auf das nächste Mal. Die Seefahrer gingen aus wochenlanger Männergesellschaft und Alkoholverbot von Bord. Aus Monotonie und endlosen Überstunden. Zu jener Zeit waren die Matrosen fast ständig auf See. So wurden die kurzen Landgänge zum Ventil mit Alkohol und Sex. Auf Landgang, in Reichweite einer der vielen Rotlichtbars, mit Alkohol und Freudenmädchen, endete ihre Durststrecke und begann ein bezahlbares Abenteuer - bis auf weiteres.
Weil dann Hure, Kondition und Geldbeutel die Regie übernahmen. In der Seefahrt hat man gut verdient und der Dollar war ihre grüne Munition mit der sie vom Bord kamen. Damals trug die bar ausgezahlte Heuer der Seefahrt, im Umfeld der Häfen, zu Rekordumsätzen bei.
Der Glanz des Geldes
For now romance has gone
time races on
but I still remember
the town, the girls, the bar full of sailors
and the old nickelodeon sound
-Georg Kajanus-
Amüsierviertel haben ihre eigene Ästhetik, mit dem Glitzerschein der Leuchtreklamen, den Bars und magischen Schattendasein von Sex und Halbwelt. Eine Mischung aus Disneyland und Fegefeuer. Das gab es alles in der Stadt am Meer, dem Tor zur Welt. Für den moralisch gefestigten Bürger der Stadt besaß die sündige Welt spätestens zum Einbruch der Dunkelheit eine unsichtbare Grenze. Wer was auf sich hielt, ließ sich dort nicht blicken, oder umgekehrt. Das Bargeld brandete mit starkem Wellengang in die Bars, Alkohol und Mädchen flossen mit. Dann zeigt der Glanz des Geldes seine ganze Macht über die Menschen.
Meine ersten Kontakte zur tingel tangel Welt waren mit den Augen. Meine Erinnerung setzt im Alter von ungefähr 10 Jahren ein. Ich begleitete Vater öfter in den Hafen um etwas "zu besorgen". Das tat er ungern in Uniform, obwohl er in Zivil trotzdem bekannt war wie ein bunter Hund. Offiziell befuhr er mit mir das Hafengebiet um mir etwas besonders zu zeigen. Wir erkundeten einen großen Dampfer, oder gingen unter einen Ozeanriesen ins Trockendock. Jedenfalls war der Kofferraum immer prall gefüllt mit Fracht, die es zu bergen galt. Mitte der 60ziger Jahre liefen 1000 Schiffe monatlich die bremischen Häfen an. Mit einer Besatzungsstärke von 40 bis 50 Mann kamen um die 50.000 Seeleute an Land. 50 fremde Staaten fuhren mit ihren Schiffen regelmäßig in die Häfen. Diese großartige Erscheinung eines Giganten der Seefahrt konnte Sehnsüchte von Tagträumern bedienen. Bei den Passagierschiffen ist es vor allem Amerika, als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Am Güter- oder Bananenhafenpier klingt die Ferne noch exotischer mit Sumatra, Sansibar oder Venezuela. Mit den Wellen kommen die Schiffe und die Fremden an ihr Ziel.
Die Hafenstadt wird zur reizvollen Bühne menschlicher Komödien. Heimat ferne Seeleute und leichte Mädchen feierten an den Abgründen der Wirtschaftswunderjahre, frei von Sperrstunden. Der Rotlichtbereich, mit seinen verführbaren Mädchen in verqualmten Kneipen, klebte dicht am großen Hafen.
Die Schiffe liegen 2 bis 5 Tage am Kai und das Laster hat Landgang. Ob weißer, schwarzer oder gelber Hautfarbe: alle brachte das Meer und trägt sie wieder fort. Es brannte vor Sex und es roch nach Geld. Die Läden waren gefüllt mit Kerlen hinter denen echte Entbehrungen lagen und wieder liegen würden. Sie kommen ihre Geilheit abzustoßen, sie kommen um zu trinken, sie kommen um zu reden und mancher kommt für die größte aller Illusionen, wegen der Liebe! Tag und Nacht sangen die Sirenen der ein- und auslaufenden Schiffe. Wenn zusätzlich die amerikanischen Truppentransporter den Hafen erreichten, brannte die Luft in der Stadt. Dann loderte das Laster im 3 Schichten Betrieb. Das hemmungslose feiern musste mit dem Eintritt in die "Bums-Lokale" (so Vater) gewährleistet sein. Es war wie eine Droge, die man suchte und fand. Ein Zirkus in dem gesoffen, getanzt, gehurt und gelitten wurde. Diese begehrten Höhlen boten allerlei "tingel tangel" den Gästen aus fernen Ländern. Es gab wilde Musikkapellen, Tanzgruppen mit viel Flitter, Striptease Tänzerinnen mit Extras, sowie Cabaret mit Haut und Charme. Oft kam es in den Bars zu massiven sexuellen Handlungen. Dann trieb man es direkt vor den Augen der anderen Zecher, auf einem Barhocker, Tisch oder in einer Ecke. Das gehörte zu der großen Party und es war ständig große Party. In der Hauptsache lebten Kandidaten im Dunstkreis der Sünde, die aus ihrer sortierten und geplanten Welt herausgefallen waren, fallen wollten oder niemals eine bürgerliche Existenz besaßen. In Einzelfällen gab es Exzentriker die eine Zeit hier eintauchen wollten. Es kamen harte Kerle, unglücklich Verliebte, Zocker, Vagabunden, Tänzer, Musiker, Spieler, Söldner und solche die es werden wollten. Betrüger, Ausgewiesene und Verstoßene, Glückssucher, Verbrecher, Engel und Teufel, Käufer und Verkäufer, schlaue und dumme Köpfe, Väter und Mütter, Jäger und Gejagte. Männer, die Frauen liebten und deswegen hier ankamen, Kinder, Mädchen und Frauen die geliebt werden wollten, Licht- und Nachtgestalten, Unternehmerische Charaktere die von einem eigenen Bordell träumten, Menschen die einen Pass besaßen, oder mal einen besaßen, nie einen hatten und haben werden. Naive Dinger liefen Ganoven hinterher, wenn sie der Überzeugung waren, er vermochte ihnen ein Stück in die weite Welt verhelfen. Sie konnten zuhören und waren schnell und tief zu beeindrucken. Einem Schwamm gleich, wenn er mit Wasser in Berührung kam.
Fremde Menschen, ein bisschen weite Welt von den Schiffen und die verruchte Atmosphäre der Bars übte, besonders bei behüteten Bürgerkindern eine spezielle Anziehungskraft aus. Sonst ließen sich manche Vorkommnisse und Begebenheiten, die ich selbst erlebt habe, nicht erklären. Wenn wir die Zollkontrolle in Höhe des Hauptzollamtes passierten, dass geschah in Form von gegenseitigem begrüßen der Kollegen, berührte unser Auto bereits das beginnende Pflaster der Sünde, das wir dann komplett durchfuhren.
Ich glaube, die letzte Bar, nur 100 Meter