Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

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Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke

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man mit Schuhen drüber stampfte. Dieses knirschen habe ich noch im Ohr, obwohl diese Sorte in unseren Breiten nicht mehr vorkommt. Es ist eine Erinnerung. Nach langem Flockenrausch, aus dem Winterhimmel lag die Küste unter einer weißen Decke, die erst im nächsten Jahr wegschmelzen wird. Vater, mein persönlicher Führungsoffizier und die Elite der "wilden 13", werden am Nachmittag auf der Domäne in Stellung gehen. Wie jedes Jahr. Beim Oberst, im Herrensalon, mit heißem Grog, Zigarren und ewig gleichem Gerede.

      In dem Salon herrschte übrigens noch das tausendjährige Reich, wie man unschwer erkennen darf.

      Die Männer dieser Gemeinschaft gingen zum Trinken und feiern nicht in andere Kneipen oder Bars der nahen Stadt. Das hätten sie sich als Fahnenflucht ausgelegt und wozu auch – es war alles vor Ort. Vor allem gab es Trost und Bestätigung unter Freunden. Woanders saßen die Kerle wie verlorene Vagabunden, die Angst vor dem nachhause gehen hatten. Die Stimmung auf der Domäne war heller und idealistischer.

      Nein, meine Mutter war kein Fan der übrig gebliebenen Mitglieder vom Club dessen Ehre die Treue ist. Sie hat dem Führer diesen blödsinnigen Krieg nie verziehen und dass sie ihre Heimat, die mecklenburgische Seenplatte, an den Iwan verloren hat, auch nicht. Dabei fing alles so blendend an, damals in den Dreißigern.

      Es ärgerte sie, dass Überlebende des großen Infernos diesen ganzen Todeskult nicht in den Gräbern der Schlachten ruhen lassen konnten. Weil "Krieg führen" Männerquatsch war hätte der Massenmörder ohne seine "Blechbüchsenarmee" keinen einzigen Panzer bewegt, so Mutter. Auch Klugheit schützt nicht vor Dummheit, meine Herren, war ein Spruch den meine Mutter gerne, bei passender Gelegenheit, in die Runde der "wilden 13" einwarf. Doch selbst die Gewissheit, dass Männer selten das kultivierte Niveau einer Frau erreichten, war ihr kein Trost. Wenn er zum Gutshof abmarschiert war, sagte meine Mutter gerne: >Dein Vater hat sich auf die Wolfsschanze kommandiert, wieder Bwana und Massa spielen.< Wenn er im Verlauf des Jahres sich (und manchmal auch mich) zu anderen Ritualen abkommandierte, bemerkte Mutter auch gerne: >Das Rudel kreist wieder um den Blocksberg.< Nach solchen defätistischen Äußerungen konterte Vater mit der Androhung in ihrem Garten einen Bunker zu graben. So was sei zukunftssicher und eine Erinnerung an die Tage in Rechlin. >Jedenfalls wird die patriotische Front nicht der Versuchung folgen ihre Glaubenssätze zu verraten und überzulaufen, zu gerade populären Überzeugungen. Eher verkaufen die Roten dem Papst ein Doppelbett. <, so Vater. Um was für einen Vater es sich handelte, bekam ich wieder, schwarz auf weiß, zu lesen. Gerade heute schrieb er mir ins Aufgabenheft der Schule einen deutschen Gruß an den aufrechten Erich, meinem grauhaarigen Klassenlehrer. Aus gutem Grund "Gottes Konfirmanden Feldjäger" genannt. Er wolle nochmal an seine Anregung erinnern, im Unterricht eine geschichtlich große Tat zu besprechen: Die Befreiung Deutschlands von den Versailler Verträgen durch Adolf Hitler.

      Darüber könne es keine zwei Meinungen geben, egal was die Quasselbude in Bonn davon hält. Vielleicht in Form eines Schulaufsatzes. Jetzt, wo die rote Kapelle ihre Agitatoren in die Klassenzimmer schleust. Wie üblich, mit keinem neuen Propagandamaterial seit den Dreißigern. Allerdings verbirgt ihre Maskerade Moskaus scharfe Krallen. Ich hatte dummerweise davon erzählt das rote Locke im Klassenzimmer ein Bild von A. Paul Weber, "das Gerücht", herumgehen ließ. Jedenfalls bot sich Vater, als Referent, weiterhin für die Darstellung jüngerer geschichtlicher Zusammenhänge an. Inklusive Frontberichte, von denen Erich nichts erzählen konnte. Tatsachen und Tatsachenberichte, sozusagen. Zumal schon Direktor "Stuka" Riester, uns historisches Material aus seinen Luftkämpfen erzählerisch näherbrachte. Am Nachmittag versuchte ich gerade den Beat Club im Fernsehen zu schauen, als Vater mir mein Aufgabenheft zurückbrachte und das laufende Programm sah. Damit begann sein heutiger Monolog: >Hör mal, Junge: dieses Ami Gejaule, von diesem Neger, (er meinte wahrscheinlich Louis Armstrong), dass sie uns unterjubeln, geht wenigstens nur 5 Minuten und wahrscheinlich gibt es da eine Abnahmeverpflichtung der deutschen Rundfunkanstalten, von den Besatzungsmächten per Dekret erlassen. Das neue, kleine Deutschland muss jetzt Baumwollpflücker Musik aus den Kulturhochburgen der Südstaaten ertragen. Zur penetranten Zerstörung letzter abendländischer Vermächtnisse. Dieser Sittenverfall führt uns direkt in den Urwald, mein Junge. So ist auch dieser Rock´ Roll erklärbar. Brauchst nur mal im afrikanischen Busch ein Mikrophon reinhalten. Über die Surf Boys aus Amerika landet das letztendlich bei uns. Was diesen Trend in England betrifft, so ist er, möglicherweise von ständig im Urlaub befindlichen Adeligen, aus den englischen Kolonien importiert.

      Da holt man die finstersten Gammler, die ein Instrument festhalten können, aus ihren Verstecken und presst ihre Geräusche auf Schallplatten. Vielleicht fing alles nur als Experiment von Primaten Forschern an. Dann geriet das wissenschaftliche Projekt außer Kontrolle und fand den Weg nach draußen. Als eine Art Volksbelustigung. Dann fand das die westliche Jugend, mindestens teilweise, toll und man macht im Kapitalismus ein Geschäft daraus. Man kassiert ab. Aber mit welchen Folgen? Denke auch nicht, dass gegen diese Kreaturen ein Frisör Verbot ausgesprochen wurde. Ebenso könnte man bei wilden Volksstämmen nach Kleidungsähnlichkeiten fahnden. Was sichtbar als tanzen deklariert wird, gleicht dem ausgesetzt sein von Stromstößen, was ja nicht zutrifft. Weil im afrikanischen Busch eine Stromanbindung unbekannt ist. Es soll allerdings afrikanische Stämme geben, die Menschen durch Trommeln und Gebrüll töten. Hier verblödet das wichtigste Kapital einer Nation in rhythmischen Zuckungen. Die schreien sich mit schmerzverzerrten Gesichtern in Ekstase und fallen schließlich in Ohnmacht<, meint mein Führungsoffizier und zeigt mit dem Finger auf die laufende Beat Club Sendung. >So was habe ich vorher nur bei Mädels und Frauen gesehen, wenn der Führer in ihre Nähe kam. Dafür lässt sich Verständnis haben. Ich habe schließlich selber junge Mädchen die Reifen des Führer Fahrzeuges küssen sehen. Wenn es leider nicht möglich war seine Hand zu ergreifen. Ich habe diesen zappelnden Suppenkasper (er meinte Mick Jagger) mit einem flugunfähigen Vogel an seiner Seite gesehen, was er Freundin nannte. Die liefen frei in London umher. Nach einer Drogenkontrolle, durch meine Einheit, wären die sicher nicht weiterhin auf freien Fuß. Keine Chance!

      Als wenn die westliche Welt nicht schon genug Probleme hätte. Jetzt ruinieren subversive Elemente die Jugend mit Love, Peace und Happiness Blödsinn, gebärden sich frei und klassenlos. Sie werden unsere Kultur vergessen und begeistert etwas anderes übernehmen. Aber, aber, aber - mein Junge, merk dir eines: Die Erde ist immer noch eine Scheibe und die Schwachen werden an den Rand gedrängt!< Es passte alles zusammen: Ende vom Vortrag, Ende vom Beat Club und Vater ging die Leuchtpistolen putzen.

      Meine Mutter hatte dieses Jahr ein Freilos gezogen und kam nicht mit auf die Domäne (zum gemeinsamen Essen wurden Ehefrauen gelegentlich zugelassen) wegen einer Unterleib Operation die ihr wirklich zu schaffen machte. Zum Glück brachte auch niemand von uns heute Abend beim Oberst Dienst schieben und der Johanna helfen. Dazu konnte Rudi die Petra gewinnen. Petra die wir nur Helga nannten, weil sie Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Helga Anders besaß. Sie war schon Mitte zwanzig und bediente in der Bahnhofswirtschaft, welche Bauunternehmer Hans (Gentos Vater) gerade gekauft und geschlossen hatte.

      Der alte Inhaber konnte, oder wollte nicht, Auflagen des Gesundheitsamtes erfüllen, die aber zwingend sein müssten, so Bürgermeister Hans (auch Gentos Vater). So kaufte der Bauunternehmer das Haus mit Grundstück in exponierter Lage und wir sind gespannt was ihm dazu einfallen wird. Die Helga ist übrigens im Büro der Baufirma untergekommen, als "Mädchen für alles". Angebote, als "Mädchen für alles", beim beliebten Alfredo (Brandos Vater) zu arbeiten hatte sie bisher ignoriert. Kapitän Reinhold war diesmal nicht nach Hause gekommen. Dümpelte mit seinem Kahn irgendwo in einem Hafen, oder kämpfte sich durch schwere See. An solchen Tagen fehlte er uns besonders. Kann sein, dass die Schneemengen die Menschen etwas freundlicher machten, kann sein, dass es unsere Erwartungshaltung war, die uns diesen Tag wie einen zweiten Heiligabend vorkommen ließ. Heute Nacht wollten wir uns selbst beschenken, Türen öffnen und in die Welt der Lüste eintauchen. Die "tingel tangel Straße" war uns durch manche Begebenheit, oder erlauschten Berichten, keine Unbekannte mehr. Wir Randfiguren waren noch nicht in den Genuss gekommen die Gehsteige abzulaufen, um zu suchen, um zu finden, um zu erleben. Wie es so viele tausend Gäste, aus allen Kontinenten, über das ganze Jahr taten. Aber dieses Silvester fühlten wir

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