Schlusslichter. Georges Simenon

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Schlusslichter - Georges  Simenon Die großen Romane

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gesehen.«

      »Links.«

      Das Blut stieg ihm in den Kopf, denn fast wäre er rechts gefahren.

      Er brummte:

      »Jedes Mal, wenn wir die Strecke fahren, ist irgendwo eine Umleitung. Als ob sie die Straßen nicht im Winter ausbessern könnten!«

      »Bei Schnee?«, fragte sie, immer noch im selben Tonfall.

      »Dann eben im Herbst. Jedenfalls zu einer Zeit, wo nicht vierzig Millionen Autofahrer unterwegs sind.«

      »Du bist über die Kreuzung hinausgefahren.«

      »Welche Kreuzung?«

      »Die mit dem Hinweisschild zum Highway.«

      »Und die hinter uns?«, spöttelte er.

      Hinter ihnen fuhren noch andere Wagen, allerdings nicht so viele wie vorher.

      »Es wollen eben nicht alle nach Maine.«

      Als sie kurz danach in eine große Straße einbogen, triumphierte er.

      »Na, und was ist das? Was, glaubst du, hat dein Hinweisschild bedeutet?«

      »Wir sind nicht auf der Eins.«

      »Das werden wir noch sehen.«

      Was ihm zusetzte, war die Sicherheit seiner Frau, die Ruhe, mit der sie ihm antwortete.

      Er gab nicht nach:

      »Du kannst dich wohl nicht irren, oder?«

      Sie schwieg, und das reizte ihn erst recht.

      »Antworte! Sag ruhig, was du denkst!«

      »Erinnerst du dich noch an die Fahrt, als wir einen Umweg von sechzig Meilen gemacht haben?«

      »Da haben wir immerhin den ganzen Stau umfahren!«

      »Was reiner Zufall war!«

      »Hör zu, Nancy, wenn du Streit willst, dann gib’s nur zu.«

      »Ich will keinen Streit. Ich versuche herauszufinden, wo wir sind.«

      »Und ich bin der Fahrer. Also tu mir den Gefallen und kümmere dich nicht drum.«

      Sie blieb still. Auch er konnte sich an die Straße nicht erinnern. Sie war schmaler, in schlechterem Zustand und ohne eine Tankstelle, seit sie eingebogen waren. Am Himmel zog das nächste Gewitter auf.

      Nancy griff seelenruhig nach der Karte im Handschuhfach und schaltete die kleine Lampe unter dem Armaturenbrett an.

      »Wir müssten irgendwo zwischen der Eins und der Zweiundachtzig sein. Auf einer Straße, die hier keine Nummer hat und in Richtung Norwich führt.«

      Sie versuchte zu spät, ein Ortsschild zu lesen, das aus dem Dunkel aufgetaucht war. Und schon hatten sie die paar Lichter des Dorfes hinter sich und fuhren durch ein Waldstück.

      »Willst du wirklich nicht kehrtmachen?«

      »Nein.«

      Sie behielt die Karte auf den Knien und steckte sich eine Zigarette an, ohne ihm auch eine anzubieten.

      »Wütend?«, fragte er.

      »Wer, ich?«

      »Ja, du. Gib zu, dass du wütend bist. Weil ich vom Highway abgekommen bin und wir jetzt einen Umweg von ein paar Meilen machen … Wenn ich mich recht erinnere, hast du doch vorhin gesagt, wir hätten Zeit genug …«

      »Gib acht!«

      »Worauf?«

      »Du bist fast in die Böschung geraten.«

      »Ich kann also nicht mehr fahren?«

      »Das hab ich nicht gesagt.«

      Darauf brach es hemmungslos aus ihm heraus, ohne bestimmten Grund.

      »Du hast das vielleicht nicht gesagt, aber ich, mein Kleines, ich will dir mal was sagen, und du würdest gut daran tun, dir das ein für alle Mal zu merken.«

      Es war seltsam, er wusste selbst nicht, was er ihr an den Kopf werfen sollte. Er suchte nach etwas, das stark und durchschlagend genug war, um seiner Frau die nötige Portion Bescheidenheit einzuimpfen.

      »Du bist vielleicht die Einzige, die das noch nicht begriffen hat, Nancy, aber du bist eine Nervensäge.«

      »Schau bitte auf die Straße!«

      »Aber ja doch, ich schaue auf die Straße, ich fahre langsam und vorsichtig, damit wir nicht aus den Schienen springen. Verstehst du, was für Schienen ich meine?«

      Das erschien ihm überaus schlau und überzeugend, fast wie eine Entdeckung. Das Schlechte an Nancy war, grob gesagt, dass sie immer auf den Schienen blieb, ohne je einer Laune nachzugeben.

      »Verstehst du das nicht?«

      »Muss das denn unbedingt sein?«

      »Du meinst, ob du unbedingt wissen musst, was ich denke? Herrgott noch mal, das könnte dir vielleicht helfen, andere Menschen besser zu verstehen und ihnen das Leben schöner zu machen. Vor allem mir. Ich bezweifle nur, dass dich das überhaupt interessiert.«

      »Würdest du bitte mich fahren lassen?«

      »Ganz sicher nicht! Stell dir vor, du könntest, statt immer nur an dich selbst und deine Unfehlbarkeit zu denken, ein einziges Mal in den Spiegel schauen und dich fragen …«

      Er bemühte sich, seinen Gefühlen und allem, was er in den elf Jahren ihrer Ehe jeden Tag seines Lebens empfunden hatte, Ausdruck zu verleihen.

      Es war nicht das erste Mal, dass er das versuchte, heute jedoch glaubte er eine Entdeckung gemacht zu haben, die ihm die Möglichkeit gab, alles zu erklären. Irgendwann musste sie es doch begreifen, oder? Und an dem Tag, an dem sie es begriff – wer weiß, vielleicht würde sie versuchen, ihn endlich wie einen Mann zu behandeln?

      »Gibt es etwas Blöderes als einen Zug, der immer dieselbe Strecke fährt? Auf denselben Schienen? Gerade eben, auf dem Parkway, da hatte ich das Gefühl, so ein Zug zu sein. Andere haben mal hier, mal da angehalten, Männer sind ausgestiegen. Mussten die etwa um Erlaubnis fragen, ein Glas Bier trinken zu gehen?«

      »Du hast Bier getrunken?«

      Er zögerte, blieb dann lieber bei der Wahrheit.

      »Nein.«

      »Martini?«

      »Ja.«

      »Einen doppelten?«

      Es brachte ihn in Rage, dass er es zugeben musste.

      »Ja.«

      »Und

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