Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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Süchtige und Halluzinationen. Monate vergehen. In meinem Verstand wechseln Tag und Nacht so schnell die Position, wie ich blinzle. Und dazwischen: Schwärze.

      Ich kämpfe gegen einen riesigen Schatten und übergieße mich mit tintenschwarzem Blut. Ich jage Trugbilder und Irrlichter. Und ich sehe die Sonne.

      Sie ist schwarz.

      Ich laufe über einer Straße aus Pech durch die Nacht. Die Erinnerung an den Wind im Gesicht. Ich tanze mit Dämonen, mit Toten und mit bösen Geistern. Ich finde einen Thron aus schwarzen Schrumpfköpfen und lasse mich darauf nieder. Zu meinen Füßen fallen die Toten auf die Knie. Menschen und Süchtige, die durch meine Hand gestorben sind. Ganz vorne: Jamaal mit einer blutigen Augenhöhle. Daneben der Alte mit aufgeschlitzter Kehle.

      Ich gehe weiter und gelange in einen runden Raum mit dreizehn Türen. Auf jeder Tür eine Ziffer. Ich überlege lange, durch welche ich gehen soll. Schließlich trete ich vor Ziffer dreizehn. Ich strecke die Hand nach der Klinke aus …

      Grelles Licht explodiert vor meinen Augen.

      Es war warm. Seltsam. Nach all der Zeit, die ich nun schon im Unterrumpf verbracht hatte, war die klamme Kälte dieses Ortes mir in die Knochen gezogen. War ein Teil meiner selbst geworden. Ihre Abwesenheit fühlte sich merkwürdig an.

      Dann spürte ich, wie mir jemand mit einem feuchten Tuch die Stirn abtupfte. Ebenfalls seltsam. Emily hatte dies immer getan, wenn mich das Fieber plagte. War das möglich? Konnte alles nur ein Traum gewesen sein? Der Überfall auf Grey Heaven? Chemo, der irre Pirat? Teena und Sam? Und all die Menschen und Süchtigen, die ich getötet hatte?

      Ich öffnete die Augen und blickte in das Gesicht einer dunkelhäutigen Frau. Teena, war mein erster Gedanke. Aber ich irrte. Diese Frau war älter, und ihre Haut nicht so schwarz wie das Perl, das ich genommen hatte, sondern von einem zarten Schokoladenbraun. Sie war hübsch. Sie hatte so viele Muscheln in ihr Haar geflochten, dass es keine mehr hätte sein können. Bei jeder Bewegung schlugen sie klappernd gegeneinander. Die großen, dunklen Augen hatte sie mit schwarzer Schminke umrandet. Als sie sah, dass ich wach war, lächelte sie und entblößte dabei zwei Reihen spitzer Zähne. Ihr Lächeln war gefährlich und zugleich anziehend.

      Ich setzte mich auf. Ein dumpf pochender Schmerz machte sich in meinem Schädel bemerkbar. Ich durchmaß den Raum. Ich befand mich in einer für die Verhältnisse des Unterrumpfes geradezu luxuriösen Kammer. Viele Kerzen brannten an den Wänden und füllten den Raum mit warmem Licht und dem Duft von Bienenwachs. Ein Regal beanspruchte eine der Wände für sich. Darin standen Gläser gefüllt mit Pulvern, Kräutern und Flüssigkeiten. Außerdem ein lebloser Schrumpfkopf. Ein verhangener Durchgang führte in eine benachbarte Kammer. Daneben hing ein riesiger Spiegel an der Wand.

      „Er erwacht“, sagte die Frau. Ein fremder Akzent zierte ihre Worte. „Godric End. König der Perlsüchtigen.“

      Ich räusperte mich, um den Rost von den Stimmbändern zu kratzen. „Wer bist du?“

      „Limbania“, sagte sie. „Mutter der Ratten.“ Sie kicherte. „Du bist in meinem Versteck. In Sicherheit.“

      Ich stand auf und wieder spürte ich pochende Kopfschmerzen. Limbania ging einmal um mich herum und strich dabei mit einem langen Fingernagel über meinen nackten Oberkörper.

      „Ich habe Euch und Eure Kleidung gewaschen, mein König“, sagte sie und lächelte noch einmal ihr gefährlich schönes Lächeln. Erst jetzt sah ich, dass auch ihr Oberkörper nackt war. Sie war schlank, ihre Haut makellos, ihre Brüste klein. Ich fragte mich, wie sie sich anfühlen mochten.

      Schwindel ergriff mich.

      „Wartet, mein König“, sagte Limbania besorgt. „Ich rühre Euch etwas gegen die Kopfschmerzen an.“

      „Warum nennst du mich so?“, fragte ich mit schwerer Zunge.

      Ihr Lächeln wurde breiter. „Erinnert Ihr Euch nicht, Godric End? Ihr tötetet im Rausch den Pelz.“

      Die Bedeutung ihrer Worte drang erst viel später zu mir durch. „Was …?“

      „Ich lüge nicht. Jeder Bewohner im Unterrumpf, der noch weit genug bei Verstand ist, um es begreifen zu können, redet davon. Sie werfen sich vor dir auf die Knie, Godric End, König der Perlsüchtigen. Nun wartet hier einen Moment.“ Sie wandte sich um, und ich sah, dass sie eine Tätowierung auf dem Rücken trug. Eine vertraute Rune, doch ich erinnerte mich nicht, was sie bedeutete. Dann verschwand sie hinter dem Vorhang in der angrenzenden Kammer. Ich trat vor den Spiegel neben dem Durchgang und betrachtete mich. Wie sehr ich mich verändert hatte! Ich war groß, meine Schultern breit. Meine Haut spannte sich über Brust- und Bauchmuskulatur. Sie war weiß wie Teig und schien weich zu sein. Tatsächlich aber war sie so hart wie das Eisen, mit dem die Swimming Island gepanzert war. Ich ballte die rechte Hand zur Faust und spannte den Bizeps. Die Adern am Arm traten dick hervor. Ich spürte eine ungemeine Kraft. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, die Faust gegen die Eisenwand zu rammen, so fest ich konnte, um herauszufinden, ob ich sie durchschlagen konnte. Ich ließ es dann doch und blickte erneut in den Spiegel.

      Viele Narben auf meinem Körper kündeten von unzähligen Kämpfen. Manche wulstig, andere dünn und fein. Zwei blasse Linien teilten mein Gesicht. Die rechte Ohrmuschel war von einer Ratte angefressen worden, die rechte Augenbraue gekerbt. Mein einst schwarzes Haar war grau. Vermutlich hatte ich es bislang nicht bemerkt, weil Schmutz und Schatten es besudelt hatten. Nun war es sauber und reichte mir bis über die Schultern. Ich blickte mir in die Augen. Die Augen eines Süchtigen. Eines Mörders. Meine Iriden waren dunkelviolett. Vermutlich würden sie bald verblassen. Ich kannte mein Alter nicht mehr. Aber gewiss war ich sehr viel jünger, als ich aussah.

      Ich stand lange Zeit reglos da und betrachtete mein Spiegelbild. Je länger ich mir in die Augen sah, desto unheimlicher wurden sie. Die eigenen Augen erschienen mir fremd. Böse. Mein Blick veränderte sich, wurde mörderisch. Meine Oberlippe zuckte, ohne dass ich es gewollt hatte. Und dann hob ich die Arme. Nein, nur das Bild im Spiegel hob die Arme! Ich stand da, unfähig mich zu rühren. Mein Spiegel-Ich bleckte die Zähne. Seine Hände zuckten, bereit aus dem Glas zu greifen und sich um meine Kehle zu legen. Ich war wie gebannt. Mein Herz hämmerte, doch ich konnte mich nicht von der Stelle rühren, konnte nur starren, während ich vergeblich versuchte, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen.

      „Es ist fertig, mein König.“ Limbania trat durch den Vorhang, und der Stoff verdeckte für einen kurzen Moment die Sicht auf den Spiegel. Das brach den Bann. Ich stolperte rückwärts. „Was habt Ihr? Ihr schwitzt ja.“ Sie trat vor mich, einen dampfenden Becher in der Hand, und berührte meine Stirn. Ich blickte an ihr vorbei. Mein Spiegel-Ich verhielt sich normal. Hatte ich es mir nur eingebildet? War es eine Halluzination gewesen? Eine Nachwirkung des schwarzen Perls?

      „Trinkt das“, sagte Limbania und reichte mir den Becher. Ich nahm einen Schluck des honigfarbenen Tees, der darin brühte. Er schmeckte wie das Sonnenlicht. Warm, mild und süß.

      Während ich trank, schlich Limbania um mich herum und berührte meine Arme und Brust, meinen Bauch und Rücken. „Er ist stark“, murmelte sie. „Das schwarze Perl hat seine Muskeln anschwellen und hart wie Stahl werden lassen. Aber selbst wenn die Wirkung nachlässt, wird er immer noch ungewöhnlich stark sein.“ Sie stellte sich hinter mir auf die Zehenspitzen und schnupperte an meinem Haar. Ihre Brustspitzen streiften meinen Rücken. „Wovon habt Ihr Euch in den letzten Vierteln ernährt, mein König?“

      Ich nahm einen weiteren Schluck Sonnenlicht. „Von Ratten. Von Rost. Von Algen und Muschelfleisch. Von verschimmeltem Brot, wenn ich Glück hatte.“

      „Raucht

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