Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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am Platz. Ich ersparte uns eine gezwungene Konversation und tauchte zwischen den Regalreihen ab.

      Es schmerzte, sie zu grüßen, als wäre sie bloß eine flüchtige Bekanntschaft. Dabei konnte nach zweieinhalb Treffen mit einer bislang völlig fremden Person doch von nichts anderem die Rede sein. Es wird das Beste sein, Abstand zu ihr zu halten.

      W. D. Walker

       12. URBAN 1713, RUHENACHT

      Ich erwachte an diesem Morgen mit pochendem Kopf. Ich hatte vergessen, vorm Zubettgehen die Vorhänge zu schließen. Helles Sonnenlicht bohrte sich durch meine Lider. Ich blinzelte. Stöhnend setzte ich mich auf, und Wellen der Übelkeit überrollten mich. Ich stieg aus dem Bett und stürzte zum Abort. Nachdem ich mich übergeben hatte, versuchte ich mich an den gestrigen Abend zu erinnern.

      Ed und ich waren ins Ampère gegangen, wo wir zwei unserer Kommilitonen getroffen hatten: Malcolm und Clive, die während der Physikvorlesung neben mir sitzen. Die beiden haben ihren Studienschwerpunkt auf Chemie gelegt und kennen die tollsten Geschichten über misslungene Experimente.

      Wir tranken Bier und lauschten ihren Berichten. Sogar ich lächelte, als ich hörte, dass einst die Hose von Dr. Evans Feuer gefangen hatte, und er gezwungen gewesen war, sie vor aller Augen auszuziehen und aus dem Fenster zu werfen.

      Als wir das Ampère um Mitternacht verließen, war ich betrunken. Ich weiß noch, dass wir beschlossen, runter zum Hafen zu gehen. Aber zuvor stellten wir uns in einer Reihe auf und pinkelten Eds Namen an eine Hauswand. Dabei muss ich mein Erinnerungsvermögen zusammen mit mehreren Litern Bier ausgeschieden haben. Alles Weitere liegt hinter einem Dunstschleier aus Bierschwaden, Gelächter und einer vagen schlüpfrigen Empfindung verborgen.

      Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Lippen und holte eine mit Wasser gefüllte Glaskaraffe aus der Küche. Ich spülte den Mund aus und trank mit gierigen Schlucken direkt aus der Karaffe.

      Als ich in mein Zimmer zurückwankte, fest entschlossen, den ganzen Tag im Bett zu verbringen, fest entschlossen, nie wieder Alkohol zu trinken, lief ich sinnbildlich vor eine Wand.

      In meinem Bett lag ein Mädchen.

      Eine Dosis Aufputschmittel für Pferde hätte mich nicht wacher machen können. Und trotzdem war ich wie gelähmt. Ich stand eine gefühlte Stunde einfach da und starrte sie an. Sie war hübsch, dabei nahezu unbekleidet. Ihr Kopf ruhte auf einer Mähne goldenen Haares, und einer ihrer nackten Füße ragte unter der Bettdecke hervor.

      Erinnerungsfetzen wirbelten durch meinen Kopf. Erinnerungen an stürmische Küsse, keuchenden Atem und fahrige Hände. Es wunderte mich, dass ich überhaupt eine Schlafanzughose trug.

      Bevor ich das Zimmer verlassen konnte, bevor ich Ed aufsuchen, ihn wachrütteln und anrufen konnte, alles wieder in Ordnung zu bringen, ihn zumindest fragen konnte, wer da in meinem Bett lag, öffnete das Mädchen die Augen. Es blinzelte das Sonnenlicht aus den langen Wimpern und setzte sich auf, wobei es die Bettdecke an die Brust drückte. Sie ließ den Blick schweifen mit einer Miene, als käme sie aus einer anderen Welt. Ihre Augen blieben zuletzt an mir hängen und weiteten sich vor Schreck.

      „Oh nein“, murmelte sie mit vom Schlaf brüchiger Stimme. Nicht gerade schmeichelhaft. Sie ließ sich zurück in die Kissen fallen und fasste sich an die Stirn. Und dann hörte ich sie tatsächlich sagen: „Nicht schon wieder.“

      Beinahe stolperte mir ein Lachen über die Lippen. Ich würgte es ab, konnte ein Lächeln in der Stimme jedoch nicht unterdrücken.

      „Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten.“

      Sie reagierte nicht, und die Situation verlor schnell an Amüsement. Sie war offenbar unglücklich. Ich nagte an meiner Unterlippe, während ich überlegte, wie ich ihr am besten gestand, dass ich mich an fast nichts erinnern konnte – ihren Namen eingeschlossen.

      Ich holte tief Luft. „Nur für den Fall, dass du dich an genauso wenig erinnerst wie ich: Mein Name ist William.“

      Ich wartete in der Hoffnung, dass sie meinen Wink verstanden hatte. Aber entweder verstand sie nicht, oder sie wollte nicht verstehen.

      Das Mädchen setzte sich schweigend auf. Ihr Blick ruhte eine Weile auf mir, schweifte dann erneut durchs Zimmer und blieb zuletzt an dem Schreibtisch hängen. „Bist du Student?“

      Ich nickte. „Ich studiere elektronische Technik. Und du? Du kommst aus dem Hafen, nicht wahr?“

      Sie musterte mich mit einer Mischung aus Tadel und Belustigung. „Du solltest deine Zunge nur noch zum Küssen benutzen, William David Walker, und nicht mehr zum Sprechen. Was bist du nur für ein Mensch, der ein Mädchen gleich am nächsten Morgen fragt, wie sie heißt und woher sie kommt? Ich muss jetzt gehen.“ Unbekleidet, von einem hauchdünnen Unterkleid aus weißem Leinen abgesehen, verließ sie das Bett und fing an, ihre Kleidungsstücke einzusammeln.

      „Hast du eine Uhr?“, fragte sie, während sie unter dem Bett nach ihrem Schlüpfer angelte. Ich riss den Blick von ihrem hochgereckten Hinterteil los, ging zum Nachttisch und schob einen ihrer Strümpfe vom Wecker.

      „Kurz nach acht.“

      „Oh, gut“, sagte das Mädchen. Sie ließ sich auf der Bettkante nieder und streckte nacheinander die langen Beine aus, um ihre Strümpfe bis zu den Waden hochzuziehen. Ihre Bewegungen flossen, ein wahrhaft anmutiger Anblick, wie die samtenen Schritte eines Panthers auf der Pirsch. Ihre nackte Haut erstrahlte im goldenen Licht der Sonne, sodass man die Muskeln und Sehnen ihrer schlanken Beine arbeiten sehen konnte. Sie muss Tänzerin sein, überlegte ich, eine Ballerina. Sie verursachte keinen Laut, wenn sie lief, und hinterließ keine Spuren im Schnee, konnte auf einer Straße aus Mondlicht über Wasser gehen, oder auf dem Haar einer Elfe balancieren.

      Sie hob den Kopf und sah, dass ich sie beobachtete. Unter Aufbietung all meiner Willenskraft riss ich den Blick von ihr los und fokussierte das Tintenfass auf dem Schreibtisch. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich ein wissendes Lächeln auf ihren Lippen stahl.

      „Wo hab ich bloß …“, murmelte sie, sobald sie vollständig eingekleidet war, und drehte sich einmal um sich selbst.

      Ich ließ den Blick schweifen und bemerkte eine Lederschlaufe, die von einem Kerzenleuchter an der Wand hing. Daran befestigt war eine Scheide, in der ein Messer mit gefährlich gebogener Klinge steckte. Es sah aus wie die Sorte von Waffe, mit der man jemandem die Kehle von einem Ohr bis zum anderen aufschnitt.

      „Suchst du das hier?“, fragte ich und nahm es mit spitzen Fingern von der Wand. Die Miene des Mädchens hellte sich auf.

      „Du hast es gefunden“, sagte sie lächelnd und hielt mir die offene Handfläche hin.

      Ich zögerte, musterte sie scharf. „Warum trägst du das mit dir rum?“

      „Hast du etwa Angst?“, fragte sie und hob spöttisch eine Braue.

      Ich schwieg und wartete auf eine Erklärung.

      Sie verdrehte die Augen. „Der Hafen ist eine gefährliche Gegend für ein hübsches Mädchen. Besonders nachts. Weißt du das nicht?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ihr Akademiker wisst offenbar nur noch, was in euren Büchern vor sich geht. Jetzt gib mir schon das Messer.“

      Ich musterte sie ein letztes Mal, bevor ich ihr die Waffe reichte. Sie stellte ihren linken Fuß auf das Bett und band sich

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