Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner
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Je länger er neben der verloschenen Feuerstelle stand, desto stickiger schien die Luft zu werden. Als würde er im Inneren des Hauses ersticken, lief er barfuß und mit nacktem Oberkörper zur Tür hinaus. Die strähnigen Haare klebten im Schweiß an seinem Rücken.
Das Dorf draußen schien noch zu schlafen. Oran war es mit drei Fässern Bier, viel gutem Willen und ehrlicher Sympathie gelungen, den größten Teil der Bärenjäger einen ganzen Abend so zu unterhalten, dass es die meisten heute noch spüren würden. Aigonn schmunzelte darüber. Seine Laune trübte sich lediglich, als er feststellen musste, dass nur der Wachposten, der ein Auge auf ihn haben sollte, seiner Aufgabe größere Priorität gegeben hatte als Feiern und Alkohol.
Aigonn stand jedoch nicht der Sinn danach, sich weiterhin über diese Tatsache aufzuregen. Allmählich gab er sich Mühe, sich mit diesem Zustand abzufinden, an welchem er ohnehin kaum etwas ändern konnte. Aus diesem Grund scherte er sich gar nicht um die Anwesenheit des jungen, sichtlich verschlafenen Kriegers und wandte sich unverhohlen in Richtung der Palisaden.
Was hatte er schon zu verlieren? Es würden viele neue Geschichten entstehen, aber wirklich begreifen, was hier vor sich ging, würde von den Dorfbewohnern ohnehin kein einziger. Das tat ja nicht einmal Aigonn selbst.
Aus diesem Grund nahm er keine Notiz von dem Wachposten, als er sich auf den Wehrgang der Palisaden schwang. Der Krieger hatte den Mund bereits geöffnet, um ihn zurechtzuweisen, doch Aigonn entgegnete ihm schon: „Keine Sorge! Ich kann euch gar nicht schnell genug entkommen, ohne dass ihr mich niederstreckt!“
Einen Herzschlag brauchte der Wachposten, dann stieß er mit finsterer Miene aus: „Für welche Verbrecher hältst du uns, dass du glaubst, wir würden unsere eigenen Leute mit Lanzen erstechen?“
„Ich sprach nicht von töten. Das dürft ihr nicht, sicherlich. Aber mit den dünnen Speeren nach den Beinen zu werfen, würde doch schon genügen. Dir würde so etwas sicherlich gelingen, nicht wahr?“
Für einen Moment glaubte Aigonn, der Krieger würde ihm die Faust ins Gesicht schlagen. Er war schon bereit, sich zu ducken, seine Nerven gespannt, doch der Krieger besann sich schließlich eines Besseren. Zwei Schritte weit nahm er demonstrativen Abstand. Aigonn konnte die Botschaft seiner Augen nicht recht deuten, nicht ausschließlich ablehnend, vielleicht ein Hauch Enttäuschung darin enthalten. Doch seine Stimme war kalt, als er Aigonn entgegenwarf: „Renn doch in deinen Tod, wenn du dich für so nutzlos hältst. Niemand wird dich daran hindern!“
Damit ging er. Aigonn stand einen Moment still und überlegte, da ihm die Bedeutung dieses Satzes nicht recht klar wurde. Doch dann beließ er es dabei. Die Stirn in tiefe Falten gelegt trat er an die Palisaden heran und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen.
Es war noch früh am Tag, doch später, als er beim Erwachen zunächst geglaubt hatte. Gräuliche Gewitterwolken über den Höhenzügen am Horizont bestätigten Aigonns Vermutung ebenso wie das vom Regen noch nass glänzende Gras. Zu seiner Enttäuschung hatten sich die Nebelschwaden größtenteils wieder verzogen. Im Grunde hatte er die Hoffnung längst aufgegeben, dass die Nebelfrau innerhalb der nächsten Dutzend Tage wieder mit ihm sprechen würde, doch der Drang nach Antworten hatte ihn wieder hier auf die Palisaden hinausgetrieben. Zwar hatte es nachgelassen, das Drängen um Fragen und Antwort, sodass es fast die Gewohnheit war, die ihn dazu veranlasst hatte. Doch sie war noch mächtig genug, um ihn zu beherrschen. Aigonn befand es seltsam. Sich und sein Handeln.
Schließlich versank er so weit in seinen Gedanken, dass er den zweiten Wachposten nicht wahrnahm, der hinter ihm auf die Palisaden stieg – jener, der ihn überwachen sollte. Dieser begann zögerlich die Hand zu erheben, so als ob er Aigonn ansprechen wollte. Der beobachtete dies nur aus dem Augenwinkel, nahm keine Notiz davon, sondern blickte über die Sträucher am Waldrand hinweg, dorthin, wo er als kleiner Junge zum ersten Mal der Nebelfrau begegnet war.
Der Wachposten hatte den Mund schon geöffnet, als Aigonns Reaktion ihn innehalten ließ. Denn dieser stutzte. Aigonn erhob sich und spähte konzentrierter auf die Wiese hinaus. Es fiel ihm schwer, genau auszumachen, was er dort – unweit des Waldrandes – entdeckt hatte. Doch das, was er erkannte, war ein zerschlissenes Leinenhemd.
„Sieh mal!“ Als hätte der Wachposten schon immer an dieser Stelle gestanden, fasste Aigonn ihn an der Schulter und fragte: „Siehst du das?“
Der Krieger trat an seine Seite.
„Ist das ein Körper?“
„Bei allen Göttern, ja.“
Einen Augenblick sahen die beiden Männer sich fragend in die Augen, dann sprang der Wachposten auf einmal vom Wehrgang und rief Aigonn im Laufen zu: „Komm mit!“
Der Wache am Siedlungstor blieb kaum genug Zeit, um nachzuhaken, was der Krieger und Aigonn gesehen hatten. Ersterer verschuf sich eigenmächtig Ausgang, beschleunigte seinen Schritt, als er auf die Wiese hinaustrat, und steuerte – Aigonn hinter sich – auf den Waldrand zu.
Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, schien es Aigonn plötzlich, als ob die Luft ihn mit einer unwirklichen Kühle umfassen würde. Die Feuchtigkeit und Frische des Morgens intensivierte sich in unrealistische Ausmaße. Jegliche Haare an seinen Armen und Beinen richteten sich auf, während er mit Falten in der Stirn auf die Umrisse der Gestalt, dieses Etwas starrte, dem er sich immer weiter näherte.
Als er endlich nah genug herangetreten war, musste er feststellen, dass er sich nicht getäuscht hatte. Ein toter Körper lag mit dem Gesicht nach unten im Gras. Strähnige Haare, noch immer schweißnass, hatten sich wie die Äste eines Strauches um seinen Kopf verteilt. Unendlich langsam, als würde der Tote binnen den nächsten Augenblicken wieder zum Leben erwachen, ging Aigonn neben dem Körper auf die Knie. Was ist, wenn er gar nicht tot ist?, schoss es ihm durch den Kopf.
Zögerlich streckte er die Hand aus. Als er die Schulter berühren wollte, zuckte er noch einmal zurück, als wäre der Körper brennend heiß. Doch dann wagte er es und stieß ihn fest genug an, sodass sich der Körper halb auf den Rücken drehte.
Es bestand kein Zweifel, der Mensch war tot. Ein Mann. Aigonn erschrak so sehr, dass er zwei Schritte nach hinten stolperte, auf den Po kippte und sich sogleich wieder aufrichtete. Blankes Entsetzen hatte sich scheinbar für die Ewigkeit in den Zügen des Mannes vertieft. Das makabere Gegenstück zu der Ruhe, die allen Toten innegewohnt hatte, deren Bestattungen Aigonn je beigewohnt hatte. Allen, bis auf einer.
Wenn er sich genug Mühe gab und Beherrschung bewahrte, konnte er einen jungen Mann zwischen all der Verzweiflung erkennen, zwanzig, jünger. Ein unsauberer, eine Kinderelle langer Schnitt prangte auf seiner Brust, von Blutkrusten halb verdeckt, doch noch nicht überall geronnen. Die Lache, die sich unter der Leiche gebildet hatte, war nur spärlich vom Regen verwaschen. Das Wasser hatte das viele Blut weder von der Leiche noch vom Boden wegspülen können. Nicht einmal die Natur hatte den Toten reinwaschen wollen.
Zwei Herzschläge lang schloss Aigonn die Augen, dann richtete er sich auf und tauschte einen wortlosen Blick mit dem Wachposten, der neben ihm stand.
Unweit der Leiche lag ein Jagdmesser auf dem Boden. Das Blut, das den gesamten Oberkörper des jungen Mannes