Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner

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Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner Von keltischer Götterdämmerung

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nickte nur stumm. Rowilan hatte ihm einen starken Trank verabreicht, der nicht nur seine Schmerzen stillte, sondern gleichzeitig seinen Geist wie durch eine Schale von der Außenwelt abzuschirmen schien. Denken fiel ihm schwer. Er war nicht im Stande dazu, sich größere Szenarien auszumalen, sondern fühlte nur einen dumpfen Druck, tief in seinem Magen, der mehr verriet als jede Sorge. Als Aigonn näher an die Regale herangetreten war, hörte er auf einmal leise, erstickende Menschenlaute. Es waren keinerlei Worte auszumachen, als hätte man dieser Person die Stimme zum Sprechen genommen.

      Aigonns Knie zitterten, als er an den Regalen vorbeisah und erblickte, was er im Grunde lieber nicht hatte sehen wollen. Seine Mutter lag auf einem notdürftigen Schlaflager aus Fellen und Grasmatten. Äußerlich waren ihr keinerlei Verletzungen anzumerken, doch ihre weit aufgerissenen Augen schimmerten im Fieberglanz. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, hatten längst ihre schmutzige Bluse durchnässt und ihre Haare strähnig werden lassen. Ihr ganzer Körper bebte und zitterte, als würde sie augenblicklich von Krämpfen geschüttelt. Doch je genauer Aigonn hinsah, desto mehr schien es, als befände sie sich vielmehr auf einer Flucht vor Verfolgern, die nur sie allein sehen konnte. Sie träumte, halluzinierte, was auch immer es war. Aigonn hatte keinen Namen dafür.

      Er war neben dem Regal zu einer Säule versteinert und starrte erschrocken auf die Gestalt seiner Mutter, deren Augen zur niedrigen Decke gerichtet waren. Das war es also. So würde es enden. Im Geheimen hatte Aigonn immer geglaubt, gehofft, dass seine Mutter eines Tages zu ihnen zurückkehren würde, aus ihrer eigenen Welt hinaus in die Gegenwart. Doch was immer er sich gewünscht hatte, in diesem Moment war er überzeugt davon, dass es nicht mehr in Erfüllung gehen würde.

      Aigonn zuckte unmerklich, als Aehrel die Hand auf seine Schulter legte und ihm traurig ins Ohr raunte: „Vielleicht ist es besser, wenn das Ende schnell kommt!“

      „Glaubst du, sie wird sterben?“ Dieser Gedanke weckte Aigonn aus seiner Apathie. Furcht glomm in seinen Augen auf, als er Aehrel ansah und dieser nur betroffen den Blick abwandte. „Sie hat hohes Fieber, ohne dass ich sagen kann, woher es kommt. Nach dem Angriff habe ich sie so hinter den Trümmern eures Hauses gefunden. Wie es scheint, hat sie versucht wegzurennen, als sie den Brand gerochen hat. Instinkte sind manchmal doch stärker als der Verstand. Aber weit gekommen ist sie dabei nicht.“ Er sog hörbar die Luft ein. „Ich weiß nicht, ob sie gestürzt ist. Vielleicht liegt es an dem Rauch, dass es ihr so schlecht geht … Als ich sie gefunden habe, lag der Angriff schon mehr als einen Tag zurück. Die Eichenleute haben noch bis zum nächsten Morgen bei der Siedlung gelagert und auf Flüchtige gewartet. Wahrscheinlich haben sie geglaubt, Moribe würde ohnehin sterben.“

      Aigonn gab keine Antwort. Er wusste nicht, was es dazu zu sagen gab. Was er fühlte, hatte keinen Namen. Seine Beine hatten so heftig zu zittern begonnen, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor, als er neben seiner Mutter auf die Knie ging. Unendlich langsam hob er die Hand, strich behutsam über ihre Stirn, doch als er die Kälte ihres Schweißes spürte, zuckte er wider Willen zurück.

      Ein unverständliches Wort entkam Moribes Lippen. Für einen Moment kämpfte Aigonn mit den Tränen, die aus seinen Augen hervorkriechen wollten und verbiss sich stattdessen in seiner Lippe, bis der Geschmack von Blut seinen Mund füllte. Vorsichtig beugte er sich hinunter, hielt sein Ohr so nah wie möglich über die Lippen seiner Mutter und lauschte.

      Die meisten ihrer Laute ergaben keinen Sinn. Für kurze Zeit glaubte Aigonn, Bruchstücke von Worten zu verstehen, doch dann, immer wieder, ein Name. Derona …

      Ein Schauer trieb Aigonns Nackenhaare in die Höhe. Plötzlich spürte er sie wieder, die eisige Kälte, die sich um seinen Nacken schloss, die die Luft zum Atmen schwinden ließ. Ruckartig wirbelte er herum. Doch was immer er zu sehen geglaubt hatte, er erkannte nur Aehrel hinter sich, der ihn fragend musterte, und mit einem Herzschlag war jegliche Kälte verschwunden.

      Die Worte der Nebelfrau dröhnten wie Todesschreie in Aigonns Ohren. Schlagartig hörte er sein eigenes Blut pochen, sein Atem wollte zu keuchen beginnen.

      „Alles in Ordnung, Aigonn?“

      Die Wirklichkeit rief nach ihm. Er nickte rasch, doch Aehrel gab sich damit nicht zufrieden. Der skeptische Blick seines Onkels haftete auf ihm, als Aigonn sich von Aehrel auf die Beine ziehen ließ und danach geistesabwesend Staub von seiner Hose klopfte. Als er immer noch nicht auf die Frage einging, schürzte Aehrel mürrisch die Lippen und bot ihm stattdessen an: „Wenn du möchtest, kannst du die Nächte hier in meinem Haus verbringen … oder zumindest, was davon übrig ist. Wenn du bei deiner Mutter sein möchtest. Vielleicht kann deine Anwesenheit ihr helfen, wenigstens im Angesicht des Todes zu uns zurückzukommen. So zynisch es klingen mag: Noch ist nichts verloren.“

      Aigonn nickte nur. Der Moment machte deutlicher als viele andere, wie sehr Aehrel an Moribe hing. Auch wenn er den Eindruck gewann, sein Onkel wollte dem Schmerz davonrennen, erkannte er die Wahrheit in seinen Augen. Aigonn wusste nicht, ob es ihm Trost spendete, dass er mit seinen Gefühlen nicht alleine war. Darüber nachzudenken aber würde nicht helfen. Es war zwecklos.

      So klopfte er seinem Onkel flüchtig auf die Schulter, bevor er ihn stehen ließ und sich ohne ein weiteres Wort nach draußen flüchtete.

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      Nicht einmal dreißig Menschen waren gekommen. Die Versammlung war ein klägliches Abbild dessen, was Aigonn von früheren Tagen her kannte. Und wenn die schmerzstillenden Tränke nicht gewesen wären, hätte er diese Tatsache wohl voller Wut und Trauer gegen die Eichenleute beobachtet. Nun aber war sein Kopf von Gleichgültigkeit erfüllt – nicht ausschließlich, doch größtenteils gegenüber derartig geringfügigen Faktoren, die er nur wie aus einem dritten Auge beobachtete.

      Rowilan und Aehrel hatten alle Überlebenden des Angriffes zusammengerufen – nicht in Behlenos’ Haus, da dieses durch den großen Brand fast vollkommen zerstört worden war, sondern im Wohnhaus eines Bauern, dessen Familie bis auf Schwager und Cousins vollständig in die Andere Welt übergegangen war. Der Schamane hatte es sich nicht nehmen lassen, vor der Versammlung den Toten ein Opfer zu bringen – allein deshalb, weil bisher kaum Zeit für größere Zeremonien geblieben war.

      Aigonn saß neben Rowilan, einen Arm auf dem Boden aufgestützt und den anderen locker in seinem Schoß liegend, während er zur niedrigen Decke hinaufsah. Es baumelten von dort noch immer getrocknete Kräuter und Kornähren hinab. Wer würde sie abhängen? Für wenige Herzschläge glaubte er, die Gestalt der früheren Hausherrin zwischen den Frauen und Kindern zu erkennen. Doch als er abermals blinzelte, war sie verschwunden.

      „Meine Brüder und Schwestern, ihr, die ihr als Letzte verblieben und nicht in Gefangenschaft geraten seid!“

      Rowilans Worte brachten die murmelnde Menge zum Schweigen. Das Feuer, das man im Zentrum der Gruppe entfacht hatte, rußte stark und schwängerte die Luft mit Rauch, sodass Aigonn manche Gesichter nicht einmal mehr schemenhaft erkennen konnte.

      „Ich bin von meiner Reise zurückgekehrt und kann euch sagen: Was ich mir vorgenommen habe, ist mir gelungen.“ Der Schamane verwies mit einer Geste auf Aigonn, während seinen Worten undeutliche Fragen folgten.

      „Mir ist es gelungen, in das Lager der Eichenkrieger einzudringen und mit Aigonn wenigstens einen unserer Brüder befreien zu können, nachdem ich die Lage ausgespäht habe.“

      „Warum nur ihn?“ Die Frage kam von einer Frau, die auf den ersten Blick in der Gruppe Menschen nicht auszumachen war. Als Aigonn genau hinsah, erkannte er in ihr Brals Mutter, eine bis vor kurzem noch angesehene und wohlhabende Frau, die gute Beziehungen zu weit reisenden Händlern besessen hatte. Der Unterton ihrer Stimme verriet ihm die zweite Frage, die sie nicht auszusprechen wagte:

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