Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner страница 56
„Warum?“ Brals Mutter schien dem Schamanen kein Wort zu glauben. Die alte Frau, fast fünfzig Jahre alt, funkelte Aigonn feindselig an, der in diesem Moment darüber keine Wut empfinden konnte. Rowilan aber legte allen Nachdruck in seine Stimme, der weitere Nachfragen unnötig machte. „Ich weiß, dass ihr Aigonn seit einiger Zeit mit Misstrauen beäugt. Aber lasst euch von mir sagen, dass dafür kein Grund besteht. Aigonn ist mit einer mächtigen Sehergabe beschenkt worden, die auch schon seine Schwester vor ihm in sich getragen hat …“
Als Deronas Name im Raum hing, stockte Rowilan unmerklich. Niemand hatte seit Jahren gewagt, öffentlich über sie zu sprechen, über ihre Fähigkeiten. Denn immer verfolgte sie der Nachhall ihres schrecklichen Todes.
„… und eben diese Gabe versetzt ihn in die Lage, uns dienlicher bei der Befreiung zu sein als jeder andere sonst.“
Aigonn zog die Augenbrauen in die Höhe, blickte Rowilan an und nahm den anderen im Raum die Frage vorweg: „Das musst du mir etwas genauer erklären!“
„Ich gedenke in den nächsten Tagen – ansonsten könnte es zu spät sein – mit so vielen kampffähigen Männern und Frauen wie möglich gegen das Lager der Eichenleute vorzurücken. Du wirst mir helfen, mögliche Wachposten ausfindig zu machen – wir müssen sehen, zu wie viel du ohne eine Ausbildung in der Lage bist. Im Schutz der Dunkelheit werden wir die einzige Gelegenheit haben, gleichzeitig die Gefängnisse unserer Stammesbrüder zu umringen und die Wächter unschädlich zu machen. Sonst bleibt praktisch keine Zeit. Wer zu langsam ist, riskiert, alles aufs Spiel zu setzen.“
Aigonn lächelte ironisch. „Das klingt wie ein Selbstmordkommando!“
„Ich muss gestehen, es ist auch kein echter Schlachtplan.“ Nun klang Rowilan ehrlich niedergeschlagen, auch wenn er dies zu verbergen suchte. „Es ist die einzige Möglichkeit, die ich gesehen habe, ohne das Lager offen anzugreifen.“
„Wozu die Heimlichkeit?“, mischte sich nun Aehrel ein. „Fewiros wird allmählich von unserer misslichen Lage erfahren haben. Er lässt uns nicht im Stich! Das kann er gar nicht!“
„Bist du dir da wirklich so sicher?“ Dieser eine Satz verriet Rowilans wahre Position gegenüber Behlenos’ Cousin. „Ich behaupte, es würde Fewiros gelegen kommen, so lange zu zögern, bis er Behlenos tot weiß und ein neuer Fürst erwählt werden soll. Eine bessere Chance wird sich ihm niemals mehr bieten.“
„Um die Macht zu erlangen, meinst du?“ Aehrel lächelte abfällig, aber geheimnisvoll. „Ich fürchte, wir müssen abwarten.“
„Eben.“ Der Schamane atmete tief durch. „Wir müssen abwarten. Aber nicht mehr lange. Khomal wird längst erfahren haben, dass Aigonn und mir die Flucht geglückt ist. Es wird für die Eichenleute eine Leichtigkeit sein, uns alle hier in der Siedlung gefangen zu nehmen und zu töten.“
Eine bedrückende Stille hing im Raum. Jeder war sich seiner Lage bewusst, doch das Gefühl, es nun ausgesprochen zu wissen, war noch einmal etwas völlig anderes. Keiner von ihnen war Unfreiheit und Tod so nahe gewesen wie in diesem Moment – vielleicht nicht einmal während der Schlacht. Denn viele der hier Anwesenden waren früh und schnell mit ihren Kindern geflohen und erst später zurückgekehrt. Man hörte Widerstreben in ihrer Stimme, als nun wieder Brals Mutter einwarf: „Heißt das, wir sollten die Siedlung verlassen?“
„Vielleicht ist es sinnvoll“, antwortete Rowilan. „Nicht heute, aber bald. Bevor wir gegen die Eichenleute vorrücken, werden wir unser gesamtes Hab und Gut sicher irgendwo in der Nähe verbergen – in den Wäldern, weiter südlich am Ufer der Rur …“
Aigonn erwartete Einspruch, doch es folgte keiner. Er selbst zwang sich lange dazu – entgegen jeglicher schmerzstillender Kräuter, die seinen Geist umarmten – zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Aber erfolglos. Fragend blickte er zu dem Schamanen, als ob dieser alle Fragen der Welt beantworten könnte. Rowilan aber sagte abschließend fast zu sich selbst: „Ich sollte nicht der sein, der hier Schlachtpläne schmiedet. So etwas habe ich nicht gelernt. Es wird Zeit, das der alte Rat unter Behlenos wieder zusammenkommt!“
Die wenigsten hatten zu dieser Versammlung noch etwas beizutragen. Als sich die Gruppe Menschen beinahe aufgelöst hatte, setzte Aigonn sich neben Rowilan auf, streckte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und stellte an den Schamanen eine unausgesprochene Frage. Dieser erahnte seine Gedanken, erwiderte aber: „Ich merke, dass … Anation …“ Lhenias Name schien ihm auf der Zunge zu liegen, doch er zwang sich dazu, Aigonns Neuinterpretation zu verwenden. „… dir sehr viel bedeutet. Aber ich kann ihr vor den anderen keinen Vorrang geben.“
Anation bedeutete ihm viel? Aigonn hatte sich diese Frage, in solcher Direktheit, nie gestellt. Statt sich damit aber auseinander zu setzen, schob er den Gedanken beiseite und hakte noch einmal nach: „Du bist also der Heerführer?“
„Wenn Aehrel diese Aufgabe nicht kurzfristig für sich beansprucht, werde ich es wohl sein, ja. Obwohl es mir lieber wäre, er würde es tun. Mir ist eine Verantwortung unangenehm, wenn ich von der Materie im Grunde keine Ahnung habe!“
„Es kann dir nicht schlechter ergehen als Behlenos. Und selbst er ist damit zum Fürst geworden – die Götter allein wissen warum.“
„Oh, du solltest ihn nicht unterschätzen!“ Rowilan lächelte schelmisch. „Behlenos hat Qualitäten, die dir auf den ersten Blick gar nicht auffallen mögen!“
„Auf den zweihundertsten bisher aber auch nicht, muss ich gestehen. Zumindest, was die Kriegsführung betrifft.“
Mit diesen Worten erhob Aigonn sich und verließ kurz darauf zusammen mit Rowilan das Haus. Die Sonne näherte sich bereits orange glühend dem Horizont, sodass das Licht eine Kraft in sich trug, als wollte es die ganze Welt verbrennen. Für Augenblicke starrte der Schamane versonnen nach Westen, bevor er zu Aigonn sagte: „Ich bin froh, dass du mir vertraust! Es ist gut zu wissen, an Tagen wie diesen nicht allein zu sein!“
Sah Rowilan ihn bereits als seinen Gefährten? Aigonn wollte dem Frieden, der diesem Gedanken innelag, nicht so recht trauen. Alte Skepsis stieg in ihm hoch, während er den Schamanen vor sich beäugte. Doch als ihre Blicke sich trafen, fühlte er, dass es an der Zeit war, endlich abzuschließen – mit Verblendung, der Vergangenheit, so vielen namenlosen Dingen, über die Aigonn nicht nachdenken wollte. Ganz gleich, ob Rowilan seine Gedanken erahnt hatte. Der Schamane lächelte warm, als er Aigonn die Hand auf die Schulter legte und sagte: „Ruh dich morgen noch einmal aus. Vielleicht begegnen wir übermorgen bereits den Göttern!“
„Glaubst du, wir werden scheitern?“
„Du könntest Gewissheit bringen – wenigstens mir. Immerhin erzählen die Legenden der Alten, dass ihre Seher nicht nur die Geister der Anderen Welt sahen, sondern auch von den Göttern selbst ihr eigenes Schicksal erfuhren. Vielleicht willst du es versuchen?“ Diese Frage hatte Aigonn nicht erwartet und damit Rowilans Vermutung bestätigt. Überrascht zog er die Augenbrauen in die Höhe, bevor er fragte: „Glaubst du, dass ich dazu in der Lage bin?“
Der Schamane sah ihn einen Moment lang an, erst offen, dann nachdenklich. Als seine Gedanken gänzlich in seinem Geist und der Vergangenheit verloren schienen, trat ein Schatten auf sein Gesicht, der Aigonn eine dumpfe Vorahnung brachte. Ein bekannter Name schwebte zwischen ihnen