Kraftvoll beten. Pete Greig
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Eines sonnigen Morgens erlebte die malerische, kopfsteingepflasterte Hauptstraße von Guildford ein außergewöhnliches Spektakel: Ihre beschauliche Ruhe wurde vom lauten Jaulen eines Hundes und einem seltsamen, metallischen Scheppern jäh durchbrochen. Ein Windhund kam um die Ecke geschossen, den langen Schwanz zwischen die Beine geklemmt. Inmitten von schreienden Passanten raste er hin und her, fast verrückt vor Angst, unerbittlich verfolgt von einem dieser billigen Bistrostühle aus Chrom. Der Stuhl, der am anderen Ende der Hundeleine hing, wirkte ganz wie ein lebendiges Wesen, wie eine tänzelnde Schlange, die hinter dem entsetzten Hund herjagte, ihn anfiel und biss. Vielleicht saß der Besitzer noch im Café, wartete in aller Unschuld auf sein Frühstück und ahnte nichts von der verzweifelten Situation seines vierbeinigen Freundes. Eine Bewegung muss schuld gewesen sein, dass der Stuhl ruckte, weshalb der Hund aufsprang, weshalb der Stuhl hüpfte, weshalb der Hund losjagte, weshalb der Stuhl einen Satz machte, weshalb der Hund jaulte, weshalb die Passanten schrien, weshalb der Hund immer hektischer raste, unablässig verfolgt von diesem schauerlichen Stück Metall und all diesen schreienden Fremden, die ihn zu packen versuchten. Je schneller er rannte, desto wilder wurde der metallische Verfolger, desto höher sprang er, desto härter schlug er auf, desto lauter knallte und schepperte und klapperte er auf dem Kopfsteinpflaster. Soweit ich weiß, ist der Hund noch heute auf der Flucht.
Wir alle können leben wie dieser rasende Windhund. Von irrationalen Ängsten getrieben und orientierungslos, von ganzen Rudeln blutdürstiger Bistrostühle verfolgt, viel zu panisch, um einfach stehen zu bleiben. Und so spricht Gott mit fester Stimme in die Disharmonie des menschlichen Tuns. Der Meister gebietet dem Geschöpf: „Sitz!“ Jesus tadelte den Sturm. „Er lässt mich lagern“, wie es der berühmte Psalm ausdrückt [im Englischen in Form einer Anweisung: „He makes me lie down“, A. d. Ü.]. Und natürlich fällt es uns extrem schwer zu gehorchen. Tun wir es jedoch, dann rückt alles wieder in die richtige Perspektive, aus Schreckgespenstern werden wieder Bistrostühle.
Wie kommt es, dass so viele Leute heute das Einfache am Marathonlauf attraktiv finden, Langstreckenradsport betreiben oder angeln? Angeln ist nach wie vor das beliebteste Hobby in Großbritannien. Dass so viele Achtsamkeit, Yoga und den Kult der Entrümpelung praktizieren? (Ironischerweise sind gerade diese schlichten Dinge heute alles Multimillionen-Dollar-Geschäfte.) Warum ziehen wir uns Abend für Abend das Netflix-Angebot rein, ohne groß darüber nachzudenken, und sehen im 7-Uhr-34-Zug nach Waterloo unverwandt auf unsere Smartphones wie Mönche auf Ikonen? Wir scheinen uns immer mehr zu Aktivitäten hingezogen zu fühlen, die den ständigen Anforderungen der Welt Einhalt gebieten und uns zwingen, ein paar Ewigkeits-Momente lang die Konzentration auf eine einzige, einfache Sache zu richten. Hot-Yoga? Tetris? Ein Seeufer in strömendem Regen? Egal was – Hauptsache, es bringt diese nervtötenden Bistrostühle zur Ruhe.
Gott versteht unser tiefes Bedürfnis nach Stille, Ordnung und der Freiheit, nicht die letzte Verantwortung zu tragen, denn so hat er uns geschaffen: für ein einfaches, in Zeitabschnitte gegliedertes, friedliches Leben. Er selbst ruhte und richtete den Sabbat ein. Jeden lädt er ein, innezuhalten: „Seid still und erkennt, dass ich Gott bin.“7 Das lateinische Wort für dieses „Seid still“ lautet vacate – es ist genau das Wort, von dem unser Wort Vakanz (unbesetzter Arbeitsplatz) oder das englische Wort für Ferien, vacation, kommen. Mit anderen Worten: Gott lädt uns ein, frei zu nehmen, Urlaub zu machen, zu entspannen, Freizeit zu genießen, denn in diesem Kontext ist seine Gegenwart erfahrbar. Vielleicht könnten wir den Vers so umschreiben: „Warum nimmst du nicht einmal frei vom Gott-Spielen und lässt mich zur Abwechslung Gott sein?“
DU MUSST STILLE UND EINSAMKEIT SUCHEN, ALS HINGE DEIN LEBEN DAVON AB, DENN IN GEWISSER WEISE IST ES TATSÄCHLICH SO.
Eugene Peterson sagt, „die grundlegende Entscheidung des Lebens ist selten, wenn überhaupt je, ob man an Gott glaubt oder nicht, sondern ob man ihn anbetet oder mit ihm konkurriert“.8 Einer der Hauptunterschiede zwischen dir und Gott ist, dass Gott nicht meint, er wäre du! In den Momenten der Stille zu Beginn einer Gebetszeit liefern wir uns Gott aus, beenden unsere Konkurrenz zu ihm, verabschieden uns von unserem Messiaskomplex und hören auf, die Welt retten zu wollen. Wir geben die Erwartung auf, dass sich alles um unsere Vorlieben dreht; wir richten unsere Prioritäten wieder auf den Herrn aus und erkennen mit einem Seufzer der Erleichterung an, dass er die Zügel in der Hand hält und nicht wir. Erstaunlicherweise dreht sich die Erde ganz prima auch ohne unser Dazutun. Langsam richten sich unsere zerstreuten Gedanken mehr auf die Mitte aus. Die Bistrostühle kommen endlich zur Ruhe.
Sela
Das Wort sela erscheint 71-mal in den Psalmen, dem hebräischen Gebetbuch. Vielleicht war es eine technische Anweisung für die, die den Psalm aufsagten, oder für die Musiker, die ihn spielten, aber keiner weiß wirklich mit Sicherheit, was es ursprünglich bedeutete oder warum es da steht. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Anweisung, „innezuhalten“ und die Bedeutung der gebeteten Worte zu „wägen“.
Wann immer möglich, versuche ich zu Beginn einer Gebetszeit Sela zu praktizieren, indem ich ein paar Minuten still dasitze (oder manchmal laufe), ohne irgendetwas zu sagen oder zu tun. Das geht natürlich am besten in einer ruhigen Umgebung, aber auch in einem überfüllten Zug lässt sich Ruhe finden, ebenso am Schreibtisch in einem geräuschvollen Büro und erst recht unbeobachtet in der modernen Einsiedlerklause: einer Toilette. Vor dem Beten still innezuhalten hilft uns, unsere zerstreuten Gedanken zu sammeln und uns mit Herz und Verstand auf die Anbetung vorzubereiten.
Hast du ein Smartphone, dann stelle es jetzt am besten auf Flugmodus. So beugst du nicht nur Unterbrechungen vor, sondern übst auch dein Gehirn im Ausschalten von Ablenkungen, sodass du stärker präsent bist, wann und wo auch immer du dich im Gebet Gott zuwendest.
Vor Beginn innezuhalten klingt simpel – kaum ein eigenes Kapitel wert –, aber es ist selten einfach. Ohne Ausnahme rebelliert mein Inneres gegen Stille aller Art. Der Windhund rast. Die Versuchung, mich kopfüber auf meine Gebetsliste zu stürzen, ist fast unwiderstehlich. In der ungewohnten Stille treten tyrannische Forderungen und Ablenkungen auf wie eine Blaskapelle, die in meinem Schädel herummarschiert. Ein Augustinermönch beschreibt das einprägsam als das „innere Chaos in unserem Kopf – wie eine wilde Cocktailparty, bei der wir uns wie der verlegene Gastgeber vorkommen“.9
Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es für dein geistliches, mentales und körperliches Wohlbefinden ist, dass du lernst, das unablässige Geschwätz der Welt täglich ein paar Minuten lang zum Schweigen zu bringen und in der Tiefe deiner Seele still zu werden. Du musst Stille und Einsamkeit suchen, als hinge dein Leben davon ab, denn in gewisser Weise ist das so. Wenn du gestresst bist, setzen deine Nebennieren das Hormon Cortisol frei, was die Fähigkeit zu klarem Denken und gesunder Entscheidungsfindung beeinträchtigt. Aber wenn du ruhig dasitzt, senkt sich der Cortisolspiegel und die Dinge werden klarer. Das herumwirbelnde Sediment des Lebens setzt sich recht schnell ab. Du wirst dir deiner eigenen Gegenwart in Raum und Zeit und auch der sanften, einnehmenden Gegenwart Gottes stärker bewusst.
Das Haus zur Ruhe bringen
Vor fünfhundert Jahren fasste der heilige Johannes vom Kreuz die Ruhe solcher Momente in einem wunderschönen Satz zusammen: „Jetzt wurde mein Haus ganz zur Ruhe gebracht.“ Die Lichter sind aus, die Türen abgeschlossen, die Straße draußen ist still geworden und alles Lebendige drinnen zu Bett gebracht. Endlich bin ich bereit, den leisen König zu empfangen. Manchmal verbringe ich meine gesamte Gebetszeit in der Stille, nachdem ich mein Haus zur Ruhe gebracht habe, und genieße einfach Gottes Gegenwart, ohne etwas zu sagen oder zu tun. Früher machte ich mir Sorgen, dass ich so ja nicht wirklich betete – dass ich irgendwie meine Zeit verschwenden