Das Echo deiner Frage. Eva Weissweiler

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Das Echo deiner Frage - Eva Weissweiler

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BernfeldBernfeld, Siegfried zum Beispiel. Man diskutierte über die »Traumdeutung«, frühkindliche Libido, Kindheitserinnerungen, Scham, Ekel und Inzest, über Bisexualität, Eltern-Kind-Beziehungen, den Ödipus-Komplex und neue Konzepte der Pädagogik, wobei BernfeldBernfeld, Siegfried neben dem Namen FreudFreud, Sigmund immer wieder den von Karl MarxMarx, Karl ins Spiel brachte, dessen Werk der Grundpfeiler einer künftigen Erziehungswissenschaft sei. Hatte Dora Beziehungen oder Affären in diesem Kreis? Vielleicht mit BernfeldBernfeld, Siegfried, der nicht nur als mitreißend klug, sondern auch als groß und schön beschrieben wird, »mit […] pechschwarzen zurückliegenden Haaren und […] riesigen schwarzen Augen«, ein Mensch, der »alles Zeug zu einem Jugendführer in sich hatte«?[140]

      Sehr verwunderlich wäre es nicht, denn durch die vielen Gespräche über die »Seele« wurde man schnell vertraut miteinander. Konkret nachzuweisen ist es allerdings auch nicht, da es keine persönlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit gibt. Die ersten nachweisbaren Briefe von Dora stammen aus dem Jahr 1914, lassen aber keinen Zweifel daran, dass es wenigstens zwei Beziehungen gab, die sie unter Schmerzen gelöst hat: In der einen war der Mann »adelig, aber hart wie Marmor«, in der anderen »gut«, aber ohne »Adel«.[141] Das klingt nach großer emotionaler Verwirrung, wenn nicht Überspanntheit, kein Wunder nach den Jahren bei Eugenie SchwarzwaldSchwarzwald, Eugenie, die nicht nur Dora in Not und Verwirrung zurückließen. Sie mischte sich buchstäblich in alles ein, ließ sich Freunde und Verlobte ihrer Schülerinnen vorführen, gab ihre Zustimmung oder auch nicht und sorgte, wie Carl ZuckmayersZuckmayer, Carl Frau Alice HerdanHerdan-Zuckmayer, Alice, ebenfalls Schwarzwald-Schülerin, einmal schrieb, für eine Atmosphäre, in der »es knisterte und funkte wie von ungesicherten elektrischen Leitungen, die im nächsten Augenblick ein Feuer entzünden könnten«.[142]

      Die Kellners waren, wie Doras MutterKellner, Anna (geb. Weiß) einmal schreibt, eine »Kletten-Familie«.[143] Jeder machte sich Gedanken über jeden, ob es nun um Gesundheit, Finanzen oder das Liebesleben ging. »Wir sind eine zahlreiche und über die Maßen zärtliche Familie«, schrieb Leon KellnerKellner, Leon in einem autobiographischen Text. »Wir sind über weite Länderstrecken zerstreut, aber das hat unser Gefühl der Zusammengehörigkeit eher gestärkt als vermindert. Wenn das Kind unserer Pariser Nichte Zähne bekommt, so stört das unsere Nächte in Wien. Ist die Ernte eines Vetters in der Slowakei durch andauerndes Regenwetter bedroht, so kommen wir alle um den Appetit.«[144]

      Als AnnasKellner, Anna (geb. Weiß) VaterWeiß, Salomon 1899 starb, versammelten sich alle erwachsenen Kinder in Bielitz. Die MutterWeiß, Klara beschwor sie, immer füreinander da zu sein, jeder für jeden.[145] Nach seinem Tod übernahm sie das unbestrittene Kommando, unterstützt von MoritzWeiß, Moritz, ihrem zweitältesten Sohn. Sie schrieb fast täglich an jedes ihrer zwölf Kinder, witzig, liebevoll, anteilnehmend, aber auch streng und ermahnend. Der einen Tochter schrieb sie, dass sie zu dick sei, der anderen, dass sie schütteres Haar habe, der dritten, dass sie zu viel Geld ausgebe und der vierten, dass sie ihren Mann durch ihr zänkisches Wesen aus dem Haus treibe. Wie viele ihrer Töchter sie unter Zwang verheiratet hat, ist nicht bekannt, bis auf Anna wahrscheinlich alle. RosaSchanzer, Rosa (geb. Weiß), die Älteste, die als unschön und schwer vermittelbar galt, wurde mit dem Dortmunder Buchhändler Sali SchanzerSchanzer, Sali verkuppelt,[146] HenrietteWeiß, Henriette mit einem Verwandten, Samuel Ami WeißWeiß, Samuel Ami.[147] Auch das Schicksal der Enkelinnen lag ihr sehr am Herzen, besonders das von PaulaKellner, Paula und Dora, um die sie sich große Sorgen machte, weil AnnaKellner, Anna (geb. Weiß), ihre Mutter, sie so gründlich verzogen habe:

      Liebes Annerle, […] ich fürchte, es wird euch schwer werden, eure Töchter zu verheiraten. Erstens stellt Paula an einen Mann zu große Ansprüche; zweitens bist du ebenso dumm – verzeih, ich wollte sagen »ideal« wie sie.[148]

      Bei PaulaKellner, Paula war das Problem bald gelöst. Man fand für sie einen Mann, der wie ihr Vater aus Tarnów stammte, Dr. Max ArnoldArnold, Max, eigentlich Markus Apfelbaum, einen Anwalt, fast 20 Jahre älter als sie. PaulaKellner, PaulaArnold, Paula (geb. Kellner)Kellner, Paula fand nichts dabei, ganz im Gegenteil. »Nebenbei gesagt, waren diese vermittelten Ehen oft glücklicher als die Liebesehen«, schreibt sie in ihren Erinnerungen.[149] Auch bei Dora scheint man nach diesem Prinzip verfahren zu sein, indem man Max PollakPollak, Max, geboren am 6.1.1889, auf den Tag genau ein Jahr älter als sie, für sie aussuchte. Er stammte aus einer reichen Bielitzer Industriellenfamilie, die zunächst orientalische Kopfbedeckungen, vor allem den türkischen und arabischen Fez, später Nägel, Nieten und Schrauben herstellte. Man kannte sich, ob aus der »Schul«, dem Tempel, verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen, den koscheren Gasthäusern oder dem Geschäftsleben. KlaraWeiß, Klara betrieb den einzigen größeren Konfektionsladen am Ort. Es war unvermeidlich, dass die Pollaks bei ihr kauften. Es ist auch sehr gut möglich, dass ihr MannWeiß, Salomon die Wolle für die Pollak’schen Feze geliefert hatte, feinstes Material aus Ungarn, Australien und Südrussland, mit dem er sich bestens auskannte.

      Klara WeißWeiß, Klara starb im Februar 1911, »bis zu ihrem letzten Atemzuge ein Muster edler Pflichterfüllung und hingebungsvoller Liebe«.[150] Vermutlich war da schon alles für Dora eingefädelt. Jedenfalls fand am 30. Juni 1912 die Hochzeit statt. In der großen Bielitzer Synagoge, durchaus pompös also. Viele Zeitungen berichteten über das Ereignis, denn PollaksPollak, Theodor Vater war schließlich ein »Großindustrieller« und der von Dora ein »Universitätsprofessor«.[151] Auch die Wohnverhältnisse der Pollaks ließen nichts zu wünschen übrig. Sie lebten nicht, wie die Kellners, in einer einfachen Mietwohnung, sondern in einer prächtigen Villa in der Nähe des »deutschen« Stadttheaters.

      Den BräutigamPollak, Max selbst hatte sich offenbar niemand genauer angesehen, sonst hätten sich erhebliche Zweifel regen müssen, denn bei allem Misstrauen in die »romantische Liebe« war vorhersehbar, dass aus dieser Ehe nichts werden würde. Schon auf der Schule galt er als verhaltensauffällig, wenn auch hochbegabt, exzellent in Musik, Griechisch und Mathematik, aber immer wieder zu »unsittlichem Betragen« neigend,[152] wie er 1952 einem Analytiker, Dr. Kurt EisslerEissler,

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