Das Echo deiner Frage. Eva Weissweiler

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Das Echo deiner Frage - Eva Weissweiler

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sitzen, Dora und Du im Zimmer […].[234]

      Doch ob in Genf oder Berlin: Dora ging es nicht wirklich gut in der Nähe von Benjamin, sie war fasziniert, aber sie hatte auch große Angst und brach alles ab, bevor es richtig begonnen hatte. An BlumenthalBlumenthal, Herbert und Carla SeligsonSeligson, Carla schrieb sie:

      Gern will ich Euch gestehen, dass ich vor 6 Wochen aus Notwehr – um mein Leben zu retten, welches stündlich bedroht war – mich ebenso heftig von einem Menschen trennte und Schmerzen zufügte und empfand, die bei etwas Geduld zu vermeiden gewesen wären – es war Walter. – Es ist als risse man einer kranken Stelle des Körpers zu früh den Verband ab, es heilt umso langsamer, manchmal verblutet man daran; nur Geduld; alles wird gut, wenn man den Willen hat gesund zu sein. Und ich glaube, den haben wir außer Walter alle. […] Liebst Du ihn, so musst Du wissen, dass seine Worte groß und göttlich sind, seine Gedanken und Werke bedeutend, seine Gefühle klein und krampfhaft und seine Taten so wie es all diesem entspricht. Wenn er erst einmal liebt, wird sich wohl vieles ändern. Fordern können wir von ihm so wenig wie von irgendjemand. Hier wie überall können wir nur schweigend uns abwenden, wenn wir es nicht mehr ertragen.[235]

      Ob Dora mit Benjamin, der zu dieser Zeit noch fest an Grete RadtRadt, Grete gebunden war, eine sexuelle oder »nur« emotionale Beziehung begonnen hatte, ist nicht bekannt und im Grunde auch unwichtig. Fest steht nur, dass sie meinte, genau erkannt zu haben, wer er war: genial, aber schwierig, sehr ich-bezogen und nicht willens, »gesund«, im Sinne von psychisch gesund, zu sein und andere mitfühlend zu verstehen. Sie schloss nicht aus, dass die »Liebe«, wenn sie ihn denn eines Tages erreiche, ihn ändern könne, glaubte aber nicht, dass sie fähig sei, dieses Werk zu vollbringen. Viele haben ihn später ganz ähnlich gesehen: dass er fast unberührbar gewesen sei von fremdem Leid und fremden Gefühlen, weil er immer nur um sich selbst kreise. Herbert BlumenthalBlumenthal, Herbert bezeichnete ihn als in sich versponnenes, einsames, »äußerst egozentrisches« Kind, das »mit der Umwelt nicht kommunizierte«.[236] Ernst BlochBloch, Ernst nannte ihn »verschroben, dazu so unmenschlich und außenseitig zur gemeinsamen Sache«.[237]

      Diese Urteile mögen ein Stück Wahrheit enthalten, sind aber insgesamt zu pauschal. Denn wenn Benjamin auch kein »barocker, süddeutscher Gefühlsmensch« war wie Ernst BlochBloch, Ernst,[238] der seine Emotionen stets auf der Zunge trug, so gab es doch Schicksale im Freundeskreis, die ihn sehr bewegten. Er litt zum Beispiel jahrelang schwer darunter, dass Fritz HeinleHeinle, Christoph Friedrich »Fritz« und dessen Freundin RikaSeligson, Friederike »Rika« sich umgebracht hatten, dass Traute, die Schwester von RikaSeligson, Friederike »Rika«, ihnen im November 1914 gefolgt war und nun auch WolfHeinle, Wolf, der Bruder von HeinleHeinle, Christoph Friedrich »Fritz«, von Selbstmord sprach. Im April 1915 musste er einen weiteren Suizid, den seines ehemaligen Mitschülers Alfred SteinfeldSteinfeld, Alfred, erleben. Offiziell hieß es, dass er an einer Nierenentzündung gestorben sei. Aber in Wirklichkeit hatte er sich im Sanitätsdienst eine Quecksilbervergiftung zugezogen, die er bewusst nicht behandeln ließ, »sodass er daran schließlich elendig verstarb«.[239] SteinfeldsSteinfeld, Alfred Eltern lebten in bescheidenen Verhältnissen. Der Vater war Kaufmann, die Mutter Schneiderin. Nach einem Kondolenzbesuch schrieb Benjamin an Herbert BlumenthalBlumenthal, Herbert:

      Beim Hinausgehen führte mich die Mutter in sein Zimmer, das – vielleicht nach jüdischer Sitte – ganz unberührt lag, dass ich im aufgedeckten Bett den Abdruck seines Körpers zu sehen meinte. Seine Uniform und Militärmütze lag auf einem Sessel […]. Er hat die wenigen Tage seiner furchtbaren Krankheit so ertragen, dass die Eltern ihre Natur erst zu spät ahnten. Ich kann […] nicht unglücklichere Menschen denken als sie, da ich nie ein Zusammenleben kannte, das so sehr von dem einzigen Sohne Licht und Entfaltung empfing. Ich bitte Dich darum mit Nachdruck, einige freundliche Worte an sie zu richten.[240]

      Dora schreibt in ihrem Brief an BlumenthalBlumenthal, Herbert und dessen Freundin, dass sie jetzt mit MaxPollak, Max und LisaBergmann, Lisa zusammenlebe, nah und vertrauensvoll. Es spiegelt sich weder Eifersucht noch Groll in ihrem Brief. Außerdem war LisaBergmann, Lisa eine sympathische Person, die in Doras Freundeskreis sehr beliebt war, obwohl oder gerade weil sie aus einer ganz anderen Welt stammte. Ihr Vater war Sattler und hatte eine Werkstatt auf der Großen Frankfurter Straße, heute Karl-Marx-Allee. Sie hatte nicht studiert und war als eine der wenigen in diesem Kreis nicht jüdisch, sondern evangelisch. Ob BlumenthalBlumenthal, Herbert, SachsSachs, Fritz oder Benjamin: Alle fühlten sich von ihrer authentischen Art angesprochen und nahmen sie als Mitglied ihres Kreises vollkommen ernst.

      Dora schreibt weiter, dass PollakPollak, Max sich im Juli 1915 stellen müsse, vermutlich in Österreich, was sie aber nicht genauer präzisiert. Besondere Angst scheint es weder ihr noch ihm selbst gemacht zu haben, denn er war nachweislich psychisch krank und würde schon dafür sorgen, dass man es ihm auch glaubte. Dora und MaxPollak, Max waren sich ihrer Sache offenbar so sicher, dass sie für Oktober ihren Wegzug von Berlin planten, um »auf dem Lande« zu leben, »nicht auf Jahre, sondern auf immer«, wenn möglich, »im eigenen Heim«. Hatten sie sich mit ihrer Situation arrangiert? Dachten sie an eine Art Landidylle, eine Kommune mit LisaBergmann, Lisa, eine dauerhafte Ehe zu dritt? Kein Wunder, dass Dora den Kontakt mit ihren Eltern vermied. Denn für diese Lebensform hätten sie niemals Verständnis gehabt. Nichts hätte ihrem Ideal der »jüdischen Ehe« mehr widersprechen können als diese Ménage-à-trois, an der auch noch eine Christin beteiligt war!

      Scheitern aller Aufrufe und Manifeste

      Kurz bevor Dora diesen Brief schrieb, hatte Benjamin im »Charlottenburger Siedlungsheim« einen Vortrag über das »Leben der Studenten« gehalten. Im Publikum saß auch der junge Gershom ScholemScholem, Gershom (Gerhard), der Benjamin zum ersten Mal sprechen hörte und sofort seiner Magie erlag. Es war ein langer, hochkomplizierter Vortrag, in dem Benjamin sich nicht etwa mit netten Episoden aufhielt, sondern das Scheitern seiner eigenen hohen Ziele bekannte, das Scheitern aller »Aufruf[e] und Manifest[e]«, die »eines wie das andere wirkungslos geblieben« seien. Er skizzierte sein neues Ideal einer studentischen Gemeinschaft, die ihr Leben »aus dem einigen Geiste von Schaffen, Eros und Jugend« aufbauen müsse. Die Studenten sollten als Lehrende und Lernende von »gänzlicher Hingabe« an die Wissenschaft erfüllt sein. Er kam zu dem Fazit, dass die Hochschulen versagten, weil sie ihre Zöglinge zu braven Familienvätern machten, die sich vor der Ehe noch ein paar Freiheiten mit Dirnen gönnen dürften. Am Schluss resümierte er, die Studenten seien mutlos, stumpf

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