Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer

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Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer

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einfallen lassen, um sich hervorzutun und seinen Status als uneingeschränkter Führer dieses radikalen Zirkels zu sichern. Denn der Verlust des Amuletts – und war er auch nur vorübergehend gewesen – hatte stets an der Reputation des jeweiligen Großmeisters genagt. Und weil innerhalb ihres Geheimbundes längst ein versteckter, aber immer wiederkehrender Machtkampf um die Position des Großmeisters begonnen hatte, waren die vierundvierzig gemeinen Mitglieder noch gefährlicher geworden, als sie dies am Tag ihrer ersten Zusammenkunft vor einhundertsiebzig Jahren schon gewesen waren.

      Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Identität eines Großmeisters oder eines seiner vierundvierzig Handlanger bekannt würde. Dies würde gleichzeitig heißen, dass auf einen Schlag neununddreißig weitere unschuldige Männer ihr Leben lassen müssten, damit der Geheimbund korrekt nach den Statuten des ersten Großmeisters aufgelöst werden konnte. Denn erst – so die Prophezeiung des Großmeisters bei der Gründungsversammlung im Konstanzer Dom – wenn so viele Menschen getötet wurden, wie die Addition der neun Zahlen auf dem Amulett ergab, konnte sich der geheime Zirkel ins Nichts auflösen … oder sich ganz neu formieren. Ob dies – wenn es tatsächlich so weit kommen würde – ohne weiteres Aufsehen und möglicherweise sogar ohne das Aufdecken der Identität seiner Mitglieder vonstattengehen würde, stand allerdings in den Sternen.

      Kapitel 8

      Hannes Eberz war stolz auf seinen jüngsten Sohn Peter gewesen, obwohl der ihm nicht ins Amt des Mairs gefolgt war. Dafür war aus Peter genau das geworden, was seine Eltern schon immer geahnt hatten; ein erfolgreicher Kaufmann!

      Hannes hatte den Aufstieg seines Sohnes nicht mehr ganz miterleben dürfen, weil er einem Geschwür im Kopf erlegen war. Bis zu seinem langwierigen und schmerzhaften Tod hatte der alt gewordene Mann tagtäglich die magisch auf ihn wirkende Zahl Drei im Kopf gehabt und nicht mehr herausbekommen, sosehr er dies auch versucht hatte. Dies war sogar so weit gegangen, dass ihn immer stärkere Kopfschmerzen geplagt hatten, die am Schluss überhaupt nicht mehr gewichen waren. Deswegen hatte er den als Schwätzer bekannten Dorfmedicus aufgesucht, den er ansonsten gemieden hatte. Nachdem er dem Arzt auf Nachfrage erzählt hatte, was ihn dermaßen plagte, dass er sich endlich einmal zu ihm getraut hatte, war anstatt eines hilfreichen Rates nur die neunmalkluge Antwort zurückgekommen: »Omne trinum perfectum!«, was nichts anderes geheißen hatte als »Aller guten Dinge sind drei!«

      Von diesem Tag an hatte Hannes nur noch schlaflose Nächte und eine solche Heidenangst vor dem Tod gehabt, dass er irgendwann gänzlich der Narretei verfallen war. Ein unrühmliches Ende für einen einst schneidigen und von allen respektierten Mann, der für seine Familie, für das Kloster und für sein Heimatdorf Ysinensi so viel getan hatte wie keiner zuvor. Seine Frau Agathe war zwei Jahre zuvor eines natürlichen Todes gestorben und hatte den Verfall ihres Mannes nicht mehr miterleben müssen. Was aber beide noch mitbekommen und Hannes zumindest in früheren Jahren aktiv vorangetrieben und mitgestaltet hatte, war das systematische Anlegen einer breiten Durchgangsstraße, die sich vom höher gelegenen südlichen Teil in Richtung Norden durch das ganze Dorf hinunterzog und selbst für Ochsenkarren und Kutschen breit genug war. Davon ausgehend – so Hannes’ damalige Gedanken – konnten bei zunehmendem Bedarf an beiden Seiten Gassen angelegt werden, die zwischen den Behausungen zu mehreren Stellen führten, die als Fest- und Versammlungsplätze genutzt werden konnten. Gleichzeitig sollte dort Handel getrieben werden. Die Vision des weitsichtigen Dorfvorstehers war es gewesen, in Ysinensi verschiedene Märkte fest anzusiedeln und das Dorf künftig nicht immer wieder neu einzuteilen.

      »Vielleicht wäre eine breite Querstraße in der Mitte des Dorfes gar nicht schlecht?«, hatte Hannes den anderen Männern von Ysinensi gegenüber verlauten lassen, wegen der damit verbundenen zusätzlichen Arbeit aber eine Abfuhr erhalten. Dann in Gottes Namen zu einem späteren Zeitpunkt, hatte er sich gedacht und das Projekt so lange vor sich hergeschoben, bis er es nicht mehr hatte realisieren können.

      Dennoch hatte er bis zum Ausbruch seiner schrecklichen Krankheit Nacht für Nacht daran gedacht und davon geträumt, wie schön es doch wäre, wenn es einen eigenen Vieh- und Rossmarkt gäbe, dessen Gestank sich nicht mit dem herbalen Geruch von Gemüse und dem süßen Duft von Obst vermischen musste, während Schmalz, Stoffe, Hausrat und Tand an anderen Stellen feilgeboten wurden.

      Unter seiner Ägide war auch die innerdörfliche Wasserversorgung verbessert worden. Hannes’ Visionen waren sogar so weit gegangen, mit dem Bau einer Stadtmauer aus Stein zu beginnen. »Wenn dies vermutlich auch ein Bauwerk über Generationen werden wird, muss einmal damit angefangen werden. Ravensburg, Wangen und andere Dörfer verfügen schon längst über einen steinernen Schutzwall, der ihnen Sicherheit gibt!«, hatte er vor vielen Jahren bei einer Zusammenkunft aller Männer des Dorfes gesagt, sich wegen der bevorstehenden Arbeit aber ebenfalls nur Häme, Pfiffe und sogar persönliche Beleidigungen eingehandelt. Mit dem Bau der ersten Mauer um Ysinensi herum hatte er gegen alle Widerstände hinweg trotzdem beginnen lassen und sich neben seiner eigentlichen Arbeit auch selbst den Rücken für die Allgemeinheit krumm geschuftet. Dennoch waren zu seinem Begräbnis nur wenige Bürger erschienen. Die Menschen hatten Angst vor Geisteskrankheiten und fürchteten sich davor, sich damit anzustecken. Dies hatte ihnen der selbst närrische Dorfmedicus eingeredet, weil er mit dem Mair zeitlebens zu wenig Geschäfte hatte machen können. Hannes Eberz war einfach zu robust gewesen, um wegen jeder Kleinigkeit den Medicus zu bemühen. Dementsprechend hatte er ihn im Laufe seines Lebens nur dreimal aufgesucht.

      *

      Obwohl im Herzogtum Schwaben ein jahrelanger Krieg zwischen den mächtigen Welfen und den Staufern getobt hatte, entwickelte sich Ysinensi weiterhin prächtig. Dass vor vier Jahren der einzige Sohn des sechsten Welfen beim Machtkampf mit dem Papst in den italienischen Landen an einer Seuche verstorben war, weswegen Welf VI. sein Erbe an seinen Neffen und ehemaligen Gegner Friedrich Barbarossa I. übergeben hatte, war dank der guten Handelsbeziehungen sogar bis ins Allgäu gedrungen. Dass das Welfenerbe als Reichsgut an den Kaiser gegangen war, veränderte so nach und nach das Leben im Herzogtum und im angrenzenden Bayern sowie in Schwaben. So war auch in Ysinensi die Zeit nicht stehen geblieben.

      Weil den Verantwortlichen längst klar geworden war, was die Stunde geschlagen hatte, setzten sie sich im Refektorium des Klosters an einen Tisch und beschlossen eine Art Stadtgründung, indem sie den Gepflogenheiten ihrer Zeit folgend nach einem geometrischen Plan vorgehen wollten. Um das bisher Erreichte, im Grunde genommen aber immer nur von Laienhand Gefertigte auf fachkundigere Beine zu stellen, hatte Graf Wolfrad seine besten Baumeister aus Altshausen und Trauchburg sowie einen Mathematiker aus Tettnang zu dieser Besprechung mitgebracht. Um die Wichtigkeit seines Anliegens zu dokumentieren, hatte er sogar einen Astronomen aus Tübingen dazugebeten.

      »Seit dreizehn Jahren verfolgt Heinrich der Löwe den Plan, das bayerische Salz aus Reichenhall nach Westen zu exportieren. Er plant eine Salzstraße über Wasserburg, München, Landsberg, Memmingen, Lindau, Schaffhausen und weiter nach Baden, Zürich und vielleicht sogar nach Basel! Und dabei müssen die Salzroder auch an Ysinensi vorbei …«

      »Oder besser noch«, begann Marquard, der derzeit amtierende Abt von St. Georg, das, was Graf Wolfrad gesagt hatte, zu ergänzen. Bevor er seinen Satz vervollständigte, lachte er triumphierend auf. »… mitten durch Ysinensi hindurch!«

      »Ja!«, bestätigte einer von Hannes Eberz’ Nachfolgern und setzte forsch drauf: »Wir müssen in jeder Hinsicht wachsam sein, um das Stapelrecht zu bekommen!« Der neue Mair von Ysinensi schien wie die meisten seiner Vorgänger ebenfalls ein vernünftiger Mann zu sein.

      »Ihr wollt das Stapelrecht für Ysinensi?«, freute sich der Graf und sagte den anderen zu, alles dafür zu tun, um die Salzfuhrwerker zu verpflichten, in Ysinensi Station zu machen. »Weil wir noch kein offizielles Stadtrecht besitzen, kann ich nichts versprechen«, gab er zu bedenken, strahlte aber gleichzeitig die Hoffnung aus, es noch in diesem Jahr irgendwie hinzubekommen, dass Ysinensi von durchziehenden Kaufleuten verlangen dürfe, ihre Waren für einen noch zu bestimmenden Zeitraum

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