Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer
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Читать онлайн книгу Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer страница 12
Schon wenige Tage später sollte er eine zwar nicht ganz zufriedenstellende, aber doch eine Antwort auf seine Frage erhalten. Denn mit Arnulf war ein Neffe nach Altshausen gekommen, der nicht nur Abschied von seinem Oheim nehmen wollte, sondern sich beruflich voll und ganz der Arithmetik verschrieben hatte. Manegold lud Arnulf auf ein persönliches Gespräch zu sich.
»Zwei Dinge – das Gute und das Böse – sind keine gegensätzlichen Pole! Und die Welt ist eine zerrissene Welt! Da wird etwas getrennt, was eigentlich zusammengehört!«, hatte Arnulf ihm gleich zu Beginn dieses Gespräches erklärt.
Das geht ja gut los, dachte sich Manegold. Zum Zeichen dafür, dass er nichts verstanden hatte, zuckte er mit den Schultern und zog die Augenbrauen hoch, während er gleichzeitig die Mundwinkel nach unten schob.
Dann begann sein hochgebildeter Neffe zu dozieren: »Das Bewusste und das Unbewusste, das Harte und das Weiche, das Gerade und das Ungerade, das Offene und das Verborgene, das Hintere und das Vordere, das Oben und das Unten, Licht und Schatten, sowie der rhythmische Wechsel von Tag und Nacht, der mit Helligkeit und Dunkelheit einhergeht, sind Gegensätze, die zwar eine Spannung erzeugen, aber dennoch aufeinander bezogen sind! Das eine kann nicht ohne das andere!«
Bevor der aufmerksame Manegold eine Frage stellen konnte, fuhr Arnulf fort: »Wenn die Zwei aber zu einem Widerspruch führt, dann stehen die soeben genannten Beispiele wie zwei streitbare und unversöhnliche Kontrahenten zueinander! Gerade das Gute und das Böse sind keine Gegensätze, die sich gegenseitig bedingen!«
»Nein?«, kam es versehentlich aus dem Mund des staunenden Zuhörers.
»Nein!«, bestätigte Arnulf, bevor er fortfuhr: »Sie stellen sich sogar gegenseitig infrage: Das Gute ist doch das, was sein soll, oder?«
Weil er auch dies verstanden hatte, nickte Manegold.
»Und das Böse ist das, was nicht sein darf, … aber allgegenwärtig ist!«
Arnulf hatte zwar gemerkt, dass ihm ein gleichsam fassungsloser wie ratloser Mann gegenübersaß. Trotzdem beendete er seine Ausführungen, obwohl es zur Bedeutung der Zahl Zwei noch viel zu sagen gäbe. Denn er hatte sich gut gemerkt, was er während seines Studiums über die Mythologie und die Symbolik der Zahlenfolgen gelernt hatte. »Langer Rede kurzer Sinn!«, sagte er und kam zum Schluss: »Die Zwei ist Zweifel, Zwist, Zwietracht, Zwiespalt; sie ist eine Zwillingsfrucht am Zweig eines Baumes, gleichsam süß und bitter!« Er schaute seinem Oheim warnend in die Augen, dann sagte er abschließend: »Die Zwei bleibt nie allein!«
»Das … das heißt, mein Bruder und dessen Leibdiener sind nicht die letzten …«
Noch bevor Manegold das Unfassbare ausgesprochen hatte, nickte Arnulf und spreizte den Daumen, den Zeige- und den Mittelfinger seiner rechten Hand, die er seinem Onkel warnend entgegenstreckte.
*
Nachdem Gott den Grafen Wolfrad von Altshausen, den gottesfürchtigen Kirchenstifter, in den Himmel abberufen hatte, war laut Erbrecht die um Veringen erweiterte Grafschaft Altshausen mitsamt den Herrschaften Trauchburg und Ysinensi auf seinen Bruder Manegold und seine verwitwete Schwester Irmengard übergegangen. Manegold I. war nun der uneingeschränkte Herr des traditionsreichen Hauses Altshausen, das sich um einiges erweitert hatte.
Dem umsichtigen Grafen gelang es mit dem nötigen Weitblick, das Erbe seines Bruders Wolfrad so erfolgreich fortzusetzen, dass sich sein Herrschaftsgebiet in jeder Hinsicht prächtig entwickelte.
Klosterstiftung bringt Unheil, Dorfentwicklung Fortschritt
Altshausen und Ysinensi – Anno Domini 1090, 1096, 1100 und 1104
Die magische Zahl III
Kapitel 4
Aus Dankbarkeit für seine glückliche Hand und auf Wunsch des längst verstorbenen Benediktinermönchs Hermannus Contractus mochte Manegold zusammen mit seiner Gemahlin Liutphild und mit seiner Schwester Irmengard mit gleich frommem Eifer und mit gleicher Liebe das von Wolfrad begonnene Werk zur Lobpreisung Gottes weiterführen. So sollte Wolfrads Kirchenstiftung in villa Ysinensi durch eine weitere Stiftung und den Bau eines Klosters gekrönt werden. Dazu brauchte es Platz und Geld. Um dies zu bekommen, ließ Graf Manegold seine Schwester und seine beiden Söhne Walther und Wolfrad zu sich kommen. Dazu geladen hatte er den neuen Pfarrer von Altshausen und den Abt des Klosters Hirsau.
*
Wie schon Wolfrads Gemahlin Hiltrud in früheren Zeiten hatte auch Gräfin Liutphild auffahren lassen, was Küche und Keller hergegeben hatten. Im Unterschied zu damals saß allerdings nicht nur der amtierende Altshausener Pfarrer, sondern auch noch ein Abgesandter des Klosters Hirsau aus dem Nordschwarzwald am üppig gedeckten Tisch.
»Ich bitte unseren ehrwürdigen Abt Wilhelm zu entschuldigen und mit meiner Wenigkeit Vorlieb zu nehmen. Aber wegen des großen Zulaufes in unserem Kloster plant er eine Erweiterung von St. Aurelius und ist deswegen unabkömmlich!«, entschuldigte sich der Stellvertreter des Hirsauer Abtes bereits zum zweiten Mal, während er auf die Köstlichkeiten schielte, die auf Veranlassung der Gräfin immer noch aufgetragen wurden.
Das freundliche »Greift bitte zu!« hätte sich der Graf sparen können. Denn so schnell hatten die Bediensteten gar nicht schauen können, wie sich der Hirsauer Mönch die Backen gefüllt hatte.
Als der Pfarrer dies sah, lächelte er verständnisvoll. Dann griff auch er ungeniert zu.
Über dieses unmanierliche Verhalten entsetzt, schauten sich die gräflichen Familienmitglieder an. Um die beiden Kleriker aber nicht zu brüskieren, streckte der Hausherr sein Glas dem Mundschenk entgegen, um es füllen zu lassen. Dann bedeutete er seinen beiden Söhnen, seiner Schwester und seiner Gemahlin, es ihm gleichzutun. Als alle ihre Trinkgefäße gefüllt hatten, stand der Hausherr auf und hielt sein Glas zuerst dem Prior, dann dem Pfarrer und zuletzt seiner Familie entgegen. »Auf gutes Gelingen!«
Das Repetieren seiner Worte durch die anderen ging in den vollen Mündern der beiden Männer Gottes unter. Das wird ja was werden, dachte sich der Graf im Hinblick auf das kommende Gespräch, das wegen der Völlerei seiner Gäste wohl noch eine ganze Weile würde warten müssen. Und genau so war es auch; die beiden Kleriker stopften sich eine geschlagene Stunde lang voll, während derer lediglich Höflichkeiten und ein paar Unwichtigkeiten ausgetauscht werden konnten. Dabei schmatzten sie ungeniert. Etliche Rülpser und Leibeswinde später konnte das Geschirr abgeräumt werden. Die auf dem ganzen Tisch herumliegenden Knöchelchen der in Salzlake gepökelten Schweinefüßchen und der gebratenen, mit Honig überstrichenen Hühnchen nahm eine Dienstmagd mitsamt der total versauten Tischdecke mit.
Als die fünf Männer dann auch noch einen Branntwein vom Bodensee vor sich stehen hatten, konnte Graf Manegold das Wort ergreifen und endlich ernsthaft zum Thema kommen. Also begann er: »Um ein Kloster errichten zu können, bedarf es eines ansehnlichen Grunds und Bodens, den Wir mit Zustimmung Unserer holden Gemahlin Liutphild, Unserer gemeinsamen Söhne Walther und Wolfrad, aber auch mit Einwilligung Unserer hochverehrten Schwester Irmengard und deren Sohn Manegold stiften werden!« Das Gespräch solchermaßen eröffnet schaute