Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer

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Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer

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der Graf das eigenartige Geschenk des Bischofs angenommen und sich dafür bedankt hatte, war von ihm die Zeremonie in der Kirche für beendet erklärt worden und alle Gäste schritten zum vorbereiteten Festmahl auf den großen Platz unterhalb des Kirchenhügels.

      In der Wahrnehmung der einfachen Bevölkerung war es ein unbeschreiblich grandioses Fest, bei dem zu mitternächtlicher Stunde auch noch eines dieser seltenen Feuerspiele gezündet werden sollte – trotz des Winters ein gefährliches Unterfangen. Die Menschen fürchteten außer bösen Geistern und den winterlichen Dämonen, die Nachts aus den Wäldern kamen, um ihre Kinder zu entführen oder ihr Vieh zu stehlen, nichts so wie eine Feuersbrunst. Wegen der vielen Feuerkörbe, die der Graf aufgrund der Kälte um den überdachten Festplatz herum und sogar unter der Zeltplane hatte aufstellen lassen, war die Gefahr eines Brandes groß, sodass der Mair ein paar Männern aufgetragen hatte, die wärmespendenden Feuerkörbe nicht aus den Augen zu lassen. Auch den vom Grafen eingesetzten Feuerknechten, die für den Holznachschub verantwortlich waren, redete er ins Gewissen. Um sicherzugehen, dass nichts passieren konnte, ließ er abwechselnd vier männliche Dorfbewohner um das Festgelände herum Posten beziehen. »Achtet dabei auch darauf, dass sich keiner unserer Gäste an unserem Eigentum vergreift! Seid in jeder Hinsicht wachsam, hört ihr?«, hatte er die Männer beschworen, bevor er sich wieder zur gut gelaunten Gesellschaft gesellte.

      Unter den fröhlichen Klängen von Fidel, Scheitholt und Trommel wurde gezecht, geprasst und gelacht, wie es in dieser harten Zeit nur äußerst selten und in villa Ysinensi noch nie der Fall gewesen war. Während die Musikanten fröhlich aufspielten und die Frauen sich über jeden einzelnen Tanz freuten, schlichen sich nach und nach einige der Männer heimlich davon, um etwas davon zu holen, was sie sich mehr als hart verdient und mühsam beiseitegelegt hatten. Aber so mancher kehrte enttäuscht an seinen Tisch zurück, um sich volllaufen zu lassen. Denn das Geld, das er in seiner Behausung aus dem Versteck geholt hatte, war zu wenig gewesen, um sich zumindest über das Viertel einer Stunde hinweg mit einer der drallen Gunstgewerblerinnen vergnügen zu können.

      So wie dies von niemandem bemerkt wurde, fiel im Verlauf der bier- und weinseligen Nacht auch niemandem auf, dass sich mitten unter ihnen ein Fremder so ungeniert bewegte, als wenn er dazugehören würde. Wenn sich der eine oder andere auch über dessen Kapuzengewandung wunderte – die anders aussah als die der Mönche – und über das eigenartige Schwert an seinem Gürtel staunte, dachte sich niemand ernsthaft etwas dabei. Und den Mann anzusprechen, traute sich sowieso niemand, weil ihn allein schon die Tatsache, dass er eine Waffe tragen durfte, als einen Mann von hoher Herkunft auswies – egal woher er gekommen sein mochte. Außerdem waren sich die Wenigsten von ihnen vor diesem Fest persönlich begegnet, also konnte auch kaum jemand beurteilen, wer dazu gehörte und wer nicht. Lediglich die in blutroter Farbe auf den weißen Umhang gestickte Zahl Eins, die von einem ebenfalls roten Quadrat umrandet war, gab Anlass zu tuschelnden Spekulationen verschiedenster Art.

      Irgendwann entfalteten die aufpeitschende Kraft der Musik und insbesondere der Alkohol ihre volle Wirkung. Nicht nur die meisten Dorfbewohner waren stark angetrunken, auch dem Bischof und dem Grafen fiel das Sprechen zunehmend schwerer. Bevor er ganz betrunken zu werden drohte, winkte der Herr über villa Ysinensi den neu bestallten Mair zu sich. »In deiner Eigenschaft als erster Mann deines Dorfes vertraue ich dir dieses wertlose Amulett an. Nimm es an dich!«, tuschelte er ihm zu.

      »Was … was soll ich damit?«, wunderte sich Gerold Eberz, der bisher noch mit keiner vergleichbaren Aufgabe betraut worden war.

      Der Graf winkte ihn jetzt so nahe zu sich, dass der Mair den Alkohol aus dessen Mund riechen konnte. »Dieses Amulett besteht aus minderwertigem Metall und ist für mich nicht von Bedeutung«, flüsterte ihm der Graf vertrauensvoll zu und ergänzte, dass es immerhin ein Geschenk des Bischofs von Konstanz sei und er es deswegen nicht verlieren dürfe. »Gib es mir morgen früh wieder zurück, wenn sich die Geister des Weins verzogen haben! Und jetzt verschwinde!«

      Dass das Gespräch von dem Fremden beobachtet worden war, hatten die beiden Männer nicht bemerkt. Dennoch erschien es dem Ortsvorsteher zu viel Verantwortung zu sein, die ihm der Graf aufgebürdet hatte. Als er die Gelegenheit nutzte, um sich die Vorderseite des Amuletts zu betrachten, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er suchte den Pfarrer, um das gute Teil, und somit auch die Zuständigkeit, an ihn weitergeben zu können. Aber er fand ihn einfach nicht.

      Durch das Hin und Her des Mairs verlor ihn der Unbekannte kurzzeitig aus den Augen.

      »Verdammt; wo hat sich unser Pfaffe nur verkrochen?«, fragte sich Gerold Eberz selbst, während er zur Kirche schlurfte, um dort nachzusehen. Und tatsächlich; der Priester hatte wohl so viel getrunken, dass er auf einer der Kirchenbänke seinen Rausch ausschlafen musste. Weil es keinen Zweck hatte, ihn zu wecken, steckte ihm der Ortsvorsteher kurzerhand das Amulett in eine seiner Jackentaschen. »Ich hole es mir morgen früh wieder!«, sagte er mehr zu sich selbst als zum laut schnarchenden Pfarrer, der vermutlich selig davon träumte, wie er seinen ersten eigenen Gottesdienst in der neuen Kirche gestalten konnte.

      Zufrieden mit sich und seinem Gedanken, das Amulett aus genau demselben Grund weitergegeben und somit geschützt zu haben wie der Graf, ging der Mair zielstrebig zum Festplatz zurück, um sich noch ein Bier zu gönnen oder auch zwei.

      Am nächsten Morgen fand man Gerold Eberz mit durchgeschnittener Kehle und einer Eins in die Stirn geritzt kopfüber an einem Baum hängen.

      »Wo ist mein Amulett?«, interessierte den Grafen offensichtlich mehr als der unnatürliche Tod seines Mairs.

      *

      Anstatt mit Freuden an all das zurückzudenken, was sie gemeinsam geschafft hatten, und sich der gelungenen Feierlichkeiten zu erinnern, befand sich die Bevölkerung von villa Ysinensi noch Wochen später in einer lähmenden Starre. Weil niemand etwas vom wahren Mörder ahnen konnte, verdächtigten sich die Männer so lange gegenseitig des Mordes an ihrem Standesgenossen, bis einer auf den Gedanken gekommen war, dass es der Fremde gewesen sein musste, auf dessen Kutte die gleiche Eins zu sehen gewesen war, wie sie der Mörder in die Stirn des bedauernswerten Mordopfers eingeritzt hatte. Der Grund für die Unruhe im Dorf lag aber auch darin, dass der Graf – allerdings erst, nachdem die Konstanzer Delegation abgereist war – alle Behausungen nach dem Amulett hatte durchsuchen lassen, das fortan mit dem Mord in Verbindung gebracht wurde. Bei der Leibesdurchsuchung war dann einer seiner Wachsoldaten fündig geworden. Der Pfarrer hatte zu diesem Zeitpunkt derart mit seinen Kopfschmerzen zu tun gehabt, dass er nicht darauf gekommen war, die Taschen seiner Jacke selbst abzutasten, bevor dies einer der Soldaten des Grafen tun würde. Somit hatte er immer noch nicht bemerkt, dass er das Amulett bei sich trug.

      Seit dem Tod des Dorfvorstehers war in villa Ysinensi nichts mehr wie es gewesen war. Dennoch musste das Leben weitergehen. Dass Gerolds Witwe mit einer aus ihrer Sicht großzügigen Entschädigung für den Tod ihres Gatten bedacht worden war, rechnete sie dem Grafen hoch an, obwohl das Geld ihren Mann nicht zurückbringen würde. Ihr Sohn Michael schwor aus diesem Anlass heraus dem Grafen ewige Treue.

      *

      Aus der ehedem offenen Siedlung war zwar ein mit einem Zaun umfriedetes Dorf mit eigener Kirche entwachsen, weswegen die Bewohner stolz in eine bessere Zukunft gehen konnten. Die Gedanken aber an das »tragische« Amulett, das ausgerechnet hier in villa Ysinensi ein Opfer gefordert hatte, ließ sie nicht mehr los und würde sie wohl auch noch über Generationen hinweg begleiten. Denn dass es nur das tödliche Zahlenwerk und der bekrönte Leichnam auf dem Amulett gewesen sein konnten, weswegen man den Ortsführer ermordet hatte, war für alle eine klare Sache.

      »Das nächste Mal gibt es sicher zwei Tote!«, mutmaßte Michael Eberz seiner Mutter gegenüber, als sie eines Abends zur letzten Mahlzeit des Tages zusammensaßen und die Mutter gerade das Tischgebet gesprochen hatte.

      »Versündige

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