Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer

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Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer

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teils beweglichen, teils unbeweglichen Gütern in Form von zwölf der vierundzwanzig bereits bestehenden Höfe nebst anderen Grundstücken, Äckern, Wiesen, Weideplätzen, Waldungen, Wasserstellen, Mühlen und anderen Besitzungen werden Wir den Grundstein für den Bau eines Klosters in Ysinensi legen. Um diesen Kraftakt bewältigen zu können, werden Wir das aufblühende Dorf im Süden Unseres Herrschaftsgebietes in den Mittelpunkt Unseres Tuns rücken müssen! Dazu sind Wir mit der ganzen Macht Unseres Verstandes und Unseres Herzens entschlossen!«

      »Hoffentlich auch mit der ganzen Kraft seiner Geldschatulle«, flüsterte der Altshausener Pfarrer dem klösterlichen Abgesandten in einem unbeobachteten Augenblick zu, bekam aber anstatt des erhofft zustimmenden Lächelns nur einen strafenden Blick zurück.

      Nachdem der Graf seine weiteren Vorstellungen mitsamt einem Lageplan auf den Tisch gelegt hatte und sich auch seine Familie hinreichend zu Wort gekommen war, übermittelte der Prior die Vorschläge seines Abtes. Dabei war rasch offenkundig geworden, dass Abt Wilhelm auf die Empfehlungen seines Vertrauten Hugo von Cluny gehört und dessen strenge Lebensweise für das Kloster Hirsau übernommen hatte.

      »Wenn es in Eurem Sinne ist, dass insbesondere der Tagesablauf, die Liturgie und die Organisation der klösterlichen Gemeinschaft auch in Ysinensi ganz besonders streng geregelt sind, entsendet unser geliebter Abt Wilhelm gerne so viele Mönche, wie benötigt werden, um ein geordnetes Klosterleben zum Wohlgefallen Gottes zu gewährleisten!«

      Stundenlang hatten sie sich über viele Details des geplanten Klosterbaus und der späteren Klostergründung unterhalten. Dabei waren sie in medias res gegangen und hatten – sozusagen zur geistigen Erbauung – das »Blut Gottes« getrunken, wie der Prior den köstlichen und von ihm geweihten Wein aus der Mersburger Gegend bezeichnete. Im Verlauf des Gesprächs hatten sie auch allerlei Neuigkeiten ausgetauscht und waren von einem Thema ins andere gerutscht. So waren sie zu vorgerückter Stunde auch noch auf das »Magische Amulett« zu sprechen gekommen, von dem der derzeitige Besitzer berichtete, dass es bereits drei Menschenleben gekostet hatte. »Aber was soll ich tun?«, klagte der Graf. Ohne eine Antwort abzuwarten, die sowieso nicht gekommen wäre, beruhigte er sich selbst, indem er sagte, dass ihm wohl nichts anderes übrig bleiben würde, als es zu behalten und vor fremden Augen zu schützen.

      »Ich weiß nicht, ob dies ein guter Gedanke ist«, warf der Prior ein.

      »Wie meint Ihr das?«, mochte der Graf sofort wissen.

      Der Stellvertreter des Hirsauer Abtes hielt dem Mundschenk sein Glas entgegen. Gleichzeitig umklammerte er mit der anderen Hand das vor seiner Brust hängende Pektorale – gerade so, als wenn er sich damit vor etwas schützen wolle.

      »Was ist jetzt?«, drängte der unruhig gewordene Graf.

      Der Prior beugte sich seinem Gastgeber verschwörerisch entgegen und flüsterte so leise, dass es die anderen nicht mitbekommen konnten: »Man hört ja so einiges …«

      »Nun lasst Euch nicht alles aus der Nase ziehen!«, grummelte der Graf, während er den Mundschenk zu sich beorderte und auf das immer noch leere Glas des Priors zeigte.

      Der Hirsauer rückte noch näher an den Grafen heran, bevor er ihm zuflüsterte, über mehrere Ecken gehört zu haben, dass es wohl einen Geheimbund geben müsse, der vor vielen Jahren im Konstanzer Münster gegründet worden sei.

      »Was ist mit diesem geheimnisvollen Bund? Und was hat er mit dem Amulett zu tun?«

      »Also gut!«, besänftige der Prior die Neugier seines adeligen Gastgebers. »Ich weiß nur so viel, dass sich diese Geheimbündler den Ziffern auf einem Amulett verschrieben haben, das über die Jahrhunderte hinweg immer wieder verloren geht, weswegen …«

      »… sie es auch immer wieder suchen und dabei über Leichen gehen, um es zurückzubekommen?«, ergänzte der Graf mit fragendem Blick.

      Kaum hatte er dies ausgesprochen, bekreuzigten sich die beiden Kleriker. Weil dem Besitzer des Amuletts das bestätigt worden war, was er schon länger geahnt hatte, wurde ihm schlagartig klar, dass er sich in Lebensgefahr befand, solange das vermaledeite Amulett in seinem Besitz war.

      »Dennoch dürft Ihr es nicht weitergeben!«, warnte der Prior, der bemerkt hatte, was in seinem Gastgeber vorging.

      Während der Benediktiner dem Grafen in ausladenden Worten alles berichtete, was Kleriker von Konstanz bis nach St. Gallen und zum Schwarzwald unter vorgehaltener Hand über einen grausamen »mehrere Hundert« Mitglieder umfassenden Geheimbund zu wissen glaubten, wurde Manegold immer schweigsamer. Wenn er auch wegen der in ihm hochgestiegenen Panik nichts mehr hören mochte, erklärte ihm der Prior unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass es sich um sogenannte Assassinen handeln solle, eine Meuchelmördersekte aus einem fernen Land namens Syren »… oder so ähnlich!«

      Obwohl der schon längst mehr als gut angetrunkene Mönch selbst nicht mehr merkte, was er dem Grafen für einen Mist erzählte, war es ihm gelungen, eine solche Angst in dem Adeligen zu schüren, dass Manegold nur noch kleinlaut über die Lippen kam, dass es »beim nächsten Mal« drei sein würden. »… damit meine ich drei Tote!«

      Dies nahm der blitzgescheite und belesene Prior zum Anlass, um dem Grafen etwas darüber zu erzählen: »Tres est numerus perfectus!«, begann er in bestem Latein und meinte damit, dass die Zahl Drei auf Vollkommenheit hinwies. »Denn erst was sich in der Trias fassen lässt, kann getrost in sich ruhen und ist ein abgeschlossenes Ganzes – genau wie unsere göttliche Dreifaltigkeit!« Kaum hatte er dies gesagt und einen weiteren Schluck genommen, fielen ihm die Augen zu.

      Zum Zeichen dafür, dass die anderen ihn gewähren lassen und um Gottes willen ja nicht seinen himmlischen Schlaf stören sollten, legte der Graf einen Zeigefinger auf seine Lippen. Zu seiner Erleichterung schlief der Prior tatsächlich noch am Tisch ein. Um nichts mehr über das Amulett und den mutmaßlich damit verbundenen Geheimbund hören zu müssen, bedeutete der Graf den anderen mit einer weiteren Geste, sich leise zu erheben und den Speisesaal zu verlassen. In dieser Nacht würde er selbst wohl keinen Schlaf finden, zu sehr würde ihm die Zahl Drei im Kopf herumschwirren.

      *

      Die Zeit verging wie im Flug. Bei der Planung zum Bau des Klosters in Ysinensi lief ebenso alles gut wie bei den anderen Vorbereitungen. Deswegen war Manegold I. Graf von Altshausen-Veringen zu beschäftigt, um ständig an das Amulett denken zu können. Nach wie vor trug er es tagtäglich so unter dem Hemd um seinen Hals, dass niemand es sah. Dennoch war ihm nicht wohl in seiner Haut. Gerade nachts hatte er oft das Gefühl, als wenn sich die Konturen des Amuletts in seine Haut brennen würden. Dies hatte meist zur Folge, dass er heftig schnaufend aufwachte und Schmerzen in der gesamten Brustgegend hatte. Oder bildete er sich dies alles nur ein?

      Was sollte er tun?

      Als es so weit war und in Kürze der Grundstein für das Kloster gelegt werden sollte, hatte er keine Zeit mehr, sich Gedanken um das Amulett zu machen.

      *

      Für Hannes Eberz, Michael Eberz’ Sohn, sollte der Baubeginn zu einem schmerzlichen Akt geraten, weil ausgerechnet er die Holzkirche abreißen musste, die sein Großvater Gerold vor fünfzig Jahren mit seinen eigenen Händen in Fronarbeit errichtet hatte. Dass genau an diese Stelle der Sakralbau der neuen, wesentlich größeren Kirche kommen sollte, machte die Sache nicht leichter für ihn. Aber der gute Fortgang des Kirchenbaus und der restlichen Klosteranlage versöhnten ihn nach und nach wieder mit Gott und der Welt.

      Denn sowohl Graf Manegold als auch der designierte erste Abt gleichen Namens und nicht zuletzt Hannes Eberz selbst, der seinem Großvater etliche Jahre später im Amt gefolgt und vom neuen Grundherrn zum Mair von Ysinensi

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