Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer

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Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer

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nicht gesehen worden war, konnte auch von niemandem bemerkt worden sein, dass sie nichts Gutes im Schilde führte. Weil alle Blicke in Richtung des neuen Gotteshauses gerichtet waren, nahm niemand Notiz davon, dass ihnen der Mann mit gezogenem Schwert eine zornige Verwünschung zurief, bevor er davonritt und im Nichts dieses Wintertages verschwand.

      *

      Nach dem Schlusssegen der ersten heiligen Messe im neuen Gotteshaus nahm sich der erst vor wenigen Tagen durch den Grafen bestallte neue Mair das Wort. Gerold Eberz war sichtlich stolz darauf, als erste Amtshandlung hier in der neuen Kirche von villa Ysinensi nicht nur zu den Seinen, sondern auch zu den hochrangigsten Leuten im großen Umkreis sprechen zu dürfen. Und dies tat er, ohne sich die innere Unruhe anmerken zu lassen, die ihn auf einen Schlag zu übermannen drohte. Zuerst begrüßte er im Namen der Bevölkerung von villa Ysinensi die Anwesenden, bevor er sich mit etwas zu schmalzig geratenen Worten beim Initiator und Finanzier dieses Kirchenprojektes bedankte.

      Nachdem auch der »wohledle« Stifter eine Rede gehalten hatte, die allerdings mehr ein Aufruf an die Bevölkerung von villa Ysinensi gewesen war, auch im tiefsten Winter auf die Gesundheit zu achten, damit »… nach altem Brauch und Herkommen …« im Frühjahr die Arbeit auf den Feldern und an den Webstühlen wieder aufgenommen werden konnte, trat abermals der Bischof vor, um etwas zu sagen:

      »Unsere lieben Mitbrüder und -schwestern im Herrn! Trotz der winterlichen Beschwernisse sind Wir im Dezember, der im römischen Kalender der zehnte Monat des Mondkalenders gewesen ist, gerne hierher ins kalte Allgäu und zu euch nach villa Ysinensi gekommen, um eure neue Kirche mitsamt der dazugehörenden Glocke einzuweihen und …«

      *

      Der liturgische Teil war bereits zuvor beendet und die Kirche den Heiligen Georg und Jakobus dem Älteren geweiht worden. Nach der bewegenden Rede des hochrangigen Kirchenmannes trauten sich jetzt die Menschen, ihren Glücksgefühlen freien Lauf zu lassen und sich beim Bischof und beim Grafen mit einem kräftigen Handgeklappere zu bedanken. In ihrer Begeisterung entwich dem einen oder anderen sogar ein lauter Pfiff, während anderen ein paar Tränen des Glücks herunterliefen.

      Der Bischof ließ sie so lange gewähren, bis es ihm zu viel wurde und er wieder das Wort an sich zog: »Nun aber, meine lieben Gläubigen im Herrn, möchten Wir, Bischof Eberhard I. von Konstanz und von Gottes Gnaden, dem gottgefälligen Kirchenstifter für seine Großzügigkeit danken und ihm zum ewigen Zeichen unserer Verbundenheit etwas überreichen, das aus fernen Zeiten aus einem fernen Land den Weg nach Konstanz …« Er räusperte sich, bevor er weitersprach: »… und vermutlich nach vielen Irrwegen zu Uns gefunden hat! Tretet vor, edler Wolfrad Graf von Altshausen, und lasst Euch erklären, was Wir für Euch mitgebracht haben!«

      Während der großgewachsene Mann mit dem gepflegten Vollbart aufstand und nach vorn ging, durchdrang ein solches Getuschel das Kircheninnere, dass es bis nach draußen zu hören war. Unser Grundherr ist eine imposante Erscheinung, dachte sich der eine oder andere. Insbesondere die schwere silberne Halskette mit dem mehr als handgroßen Familienwappen derer von Veringen vor seiner Brust ließ ihn genauso respekteinflößend aussehen wie das Schwert und der Dolch an seinem breiten Ledergürtel, die ihn ebenfalls als Adeligen auswiesen.

      »Wohlan …«, begann der Bischof aufs Neue und hielt etwas in die Höhe, »weil Wir Uns viel mit den Gestirnen und dem Wechsel von dunkelster Nacht auf die heilbringende Helle des Tages befassen, können Wir Euch und allen anderen erklären, was es mit diesem Amulett auf sich hat!«

      Als der Bischof das rote Samtkissen mit dem daraufliegenden mattbräunlichen Amulett noch höher hielt und den Gläubigen entgegenstreckte, ging erneut ein Raunen durch die Kirche, was den Laudator allerdings nicht irritierte. Unverdrossen, nunmehr mit einem beschwörend klingenden Tonfall in der Stimme, fuhr er fort: »Auf einer Seite dieses Amuletts befindet sich ein Quadrat, auf dem sich die Summe der Zahlen aller drei Zeilen, aller drei Spalten und auch der beiden Diagonalen gleicht! Stets ist sie fünfzehn.«

      Kaum ausgesprochen, bekreuzigten sich die meisten der vor der Kirche ausharrenden Menschen. Denn mit dem, was sie soeben gehört hatten, konnten sie nicht nur nichts anfangen, es ängstigte sie sogar. Rechnen war den meisten von ihnen noch fremder als Lesen und Schreiben.

      »Das ist Teufelswerk«, flüsterte einer seinem Nachbarn zu, während ein anderer zu der Feststellung gelangte, dass der Bau dieser Kirche vielleicht doch unter keinem guten Stern stehe.

      »Beruhigt euch!«, fuhr der Bischof, der die aufkommende Unruhe außerhalb der Kirche bemerkt hatte, harsch dazwischen. Er wusste, dass lediglich der Graf, dessen Gemahlin und vielleicht ein paar andere hochrangige Gäste etwas von dem verstanden, was er soeben von sich gegeben hatte. Also versuchte er, die beiden Inhalte auf dem Amulett so einfach wie möglich zu erklären: »Es handelt sich nicht um Teufelswerk, sondern um Arithmetik, eine der sieben freien Künste! Die ›artes liberales‹ …« Als er merkte, dass er nun auch noch weltliches Latein zu sprechen begonnen hatte, anstatt die Sache vereinfacht zu haben, hüstelte er verlegen und wechselte zu einer anderen Erklärung über: »Keine Sorge: Die Fünfzehn ist lediglich eine ›Mondzahl‹, die den Tag der vollen Rundungen des Mondes benennt! Diese magische Zahl bekam ihre Bedeutung, weil es sich um eine dreifache Fünf handelt und die Fünf …«, während er fortfuhr, erhob der Bischof Zeigefinger und Stimme, »…. eine heilige Zahl ist, die Zahl der Ischtar und der Venus! Unabhängig dieses ›Magischen Quadrates‹ ergibt die Summe der ersten fünf Zahlen die Zahl Fünfzehn!

      Als der Bischof merkte, dass er mit seinen Erklärungsversuchen immer noch auf allseitiges Unverständnis stieß, schlug er mit veränderter Stimmlage eine völlig andere Richtung ein: »Vom Leinengarn her kennt ihr doch die Maßeinheit ›Mandel‹, oder etwa nicht?«

      Na also, endlich kann ich mich dem unbelesenen Volk gegenüber verständlich machen, dachte sich der hochrangige kirchliche Würdenträger, nachdem er ein allseitiges Kopfnicken hatte feststellen können. »Auch dabei spielt die Fünfzehn eine maßgebliche Rolle, denn fünfzehn Garben Getreide sind eine ›Mandel‹, … oder? Ihr verkauft sogar die Eier eurer Hühner zu jeweils fünfzehn Stück!« Er hob eine geöffnete Hand in die Höhe und sagte mit den dazugehörenden Fingerbewegungen in beschwörendem Ton: »Drei Hand voll sind eine ›Mandel‹!« Sogar der Rosenkranz umfasst in drei Fünfergruppen fünfzehn Geheimnisse!« Das hatten nun auch die am einfachsten gestrickten unter diesen Menschen verstanden. Endlich hatte er sie bei sich und deswegen auch ihr Interesse geweckt! Also konnte er fortfahren, ohne auf weiteres Unverständnis zu stoßen: »Wie ihr alle wisst, unterscheiden wir den freudenreichen, den glorreichen und den schmerzhaften Rosenkranz! Im ›freudenreichen‹ werden die wichtigsten Stationen im Leben Mariens vergegenwärtigt, im ›schmerzhaften‹ wird die Passion Christi angerufen und im ›glorreichen‹ stellen wir die österlichen Geheimnisse in die Mitte! … Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes machen uns darauf aufmerksam. Und nun kommen Wir auf das zurück, was Wir zuvor schon angesprochen hatten – dass die Zahlensymbolik der Ischtar und der Venus auf die Marienverehrung übertragen wurden! Ihr braucht also weder Furcht vor der Fünfzehn, noch vor diesem Amulett zu haben! Es sei denn …«

      Ohne den Satz beendet zu haben, bekreuzigte sich der Bischof, was ihm die Kirchenbesucher nachmachten, ohne zu wissen, weshalb sie dies taten.

      »Sein Wort in Gottes Ohr«, flüsterte die nachdenklich gewordene Gräfin ihrem Banknachbarn Hezelo von Entringen zu, einem Mitglied der Reichenauer Vogtfamilie.

      Während der Bischof das Bildnis und die Symbole auf der anderen Seite des Amuletts zu deuten versuchte, dies aber mangels Wissen um die wahren Hintergründe dieses grausigen Motivs nur leidlich hinbekam, wurde es im ohnehin schon stillen Gotteshaus noch stiller. Selbst die Gebildeten unter ihnen wussten mit dem, was ihnen der Bischof mit gestenreich unterstrichenen Worten zu sagen versuchte, nicht umzugehen. Die abschließende Warnung des Bischofs verstanden aber alle: »Deswegen wagt es ja nicht, ins Innere

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