Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer страница 16
Zudem hatte Hannes mit Agathe Burgerin ein braves Weib gefunden, das ihm im Laufe der Jahre drei Mädchen und fünf männliche Nachkommen geschenkt hatte, von denen allerdings zwei dem Kindstod erlegen waren. Trotz dieses von Gott gewollten Unglücks waren Hannes und Agathe ein im Grunde genommen glückliches Paar, das sich liebevoll um die Kinder und um die Kaninchenzucht kümmerte, für die bereits Hannes’ Vater in jungen Jahren den Grundstein gelegt hatte. Die Kinder mussten sich nicht nur um die Aufzucht junger Kaninchen kümmern, sondern auch sonst mit anpacken, wo es nötig war. Dennoch konnten sie ein solch schönes Leben führen, wie es sich der Nachwuchs der meisten hart arbeitenden Eltern nur wünschen konnte. Weil dies Agathes und Hannes’ wohlerzogenen Kindern bewusst war, dankten sie es durch unverrückbare Gottesfurcht, sowie durch Respekt ihren Eltern und allen anderen Menschen gegenüber. Gerade der kleine Peter bereitete seinen Eltern stets große Freude. »Aus dir wird dereinst etwas ganz Großes!«, hatte der Vater immer zu ihm gesagt, wenn »Peterle« unter Aufsicht die Einnahmen der Eltern zählen durfte und sich von Mal zu Mal immer weniger verrechnete. Während die anderen Buben handwerkliches Geschick vorweisen konnten, tat sich Peter im Umgang mit der Schrift, vor allen Dingen aber mit der Handhabung von Ziffern und Zahlen hervor.
»Ja!«, bestätigte auch die Mutter das unverkennbare Talent ihres jüngsten Sohnes. »Mit Peterle bekommen wir den ersten richtigen Kaufmann in die Familie!«
Nach einem rechtschaffenen Tagewerk fand Hannes Eberz stets einen liebevoll gedeckten Tisch vor. Wenn es auch nicht zur Prasserei reichte, konnte er seine Familie doch so ernähren, dass keiner von ihnen vom Fleisch zu fallen drohte. Anstatt sich Tag für Tag mit Kaninchenfleisch vollzufressen und dadurch faul und träge zu werden, hielten sie ihren eigenen Verzehr bewusst in Grenzen und verkauften ihre Zuchttiere ebenso wie die von Hannes abgezogenen und von Agathe gegerbten Felle der Tiere. Und damit ihre lieben Mitmenschen nicht auf dumme Gedanken kamen und selbst mit der Züchterei anfingen, verkauften sie die Kaninchen nur geschlachtet und zu bezahlbaren Preisen. Den ärmsten Familien des Dorfes schenkten sie zu Weihnachten und zu anderen kirchlichen Festtagen ein oder sogar zwei ihrer Tiere. »Gott wird es uns danken!«, pflegte Hannes dann immer zu Agathe zu sagen, die sich stolz auf ihren Mann an ihn schmiegte und ihm zuflüsterte, dass sie ihn über alle Maßen liebe.
Zusammen mit seinen Einkünften als Handwerker und seinem Salär als Mair gelang es Hannes, trotz der stetig zunehmenden Abgaben an den Grundherrn Monat für Monat etwas auf die hohe Kante zu legen. Da seine Frau Agathe einer Färberfamilie entstammte, hatten sie zu allem hin damit begonnen, Saat-Lein zur Gewinnung von Leinöl anzubauen. Weil die meisten anderen Ackerbauern von Ysinensi dieses Leingewächs nur wegen dessen Fasern züchteten, um daraus Stoffe zu weben oder weben zu lassen, verfolgten die geschäftstüchtigen Eberz auch diesbezüglich gleich mehrere Ziele: Während die beiden ältesten Söhne Johannes und Elias sich um den Anbau kümmerten, verarbeiteten die beiden ältesten Töchter Maria und Lisa den Flachs gekonnt zu Stoffen, die dann von der Mutter mit Hilfe der kleineren Geschwister gewalkt, gebleicht und kunstvoll gefärbt wurden. Das Familienoberhaupt presste das Öl, füllte es in quartgroße Behälter ab und sorgte für den Vertrieb der gesamten Produktion, die sich – ebenso wie die Kaninchenzucht – weiß Gott sehen lassen konnte. So war es kein Wunder, dass die Interessenten auch aus den umliegenden Siedlungen und Dörfern nach Ysinensi kamen, um bei den Eberz einzukaufen.
Also konnte Hannes zufrieden sein, … sollte man meinen. Aber wie dem Grafen ging ihm die Prophezeiung, dass wegen des Amuletts ein weiterer Mensch sterben musste, nicht aus dem Kopf.
Vier Jahre nach dem Tod des Abts wurde seine Furcht schwächer. Was sollte noch passieren?, dachte er sich inzwischen. Da erfuhr der Familienvater, dass der Graf tot war. Nachdem er gehört hatte, dass das Amulett verschwunden sei, bekreuzigte er sich ein zweites Mal. Dann zog er sich zum Gebet zurück – er musste nachdenken. In der Stille des Gotteshauses kam der umsichtige Dorfvorsteher zu dem Entschluss, nichts über die Umstände, die zum Tod seines geliebten Herrn geführt hatten, wissen zu wollen. Um auch keine neuerliche Unruhe unter die Bevölkerung von Ysinensi zu bringen, ritt er noch am selben Tag auf seinem eigenen Pferd nach Altshausen, um die Hinterbliebenen des Grafen zu bitten, niemandem etwas darüber zu erzählen. Bei dieser Gelegenheit konnte er sein persönliches Bedauern, das Beileid seiner Familie und das der gesamten Bevölkerung von Ysinensi übermitteln. Zwei gute Gründe, um dorthin zu reiten, dachte er sich, als er seinem Rappen die Hacken gab.
Wenngleich Hannes Eberz von nun an zwar kein völlig sorgenfreies, dafür aber ein angstfreies Leben führen konnte, verging kein Tag, an dem er nicht an die verhängnisvolle Zahl Drei dachte.
Marktrecht bringt Aufschwung … und das geheimnisvolle Amulett …
Bis Anno Domini 1171
Die magische Zahl IV
Kapitel 7
Seit dem Tod des ersten Großmeisters des vor einhundertsiebzig Jahren in Konstanz gegründeten Geheimbundes »Gladius Dei« waren es die Mitglieder gewohnt, von Zeit zu Zeit hinter dem Amulett herjagen zu müssen, das – als wenn es der Teufel wollte – immer wieder verschwand, um dann doch wieder irgendwo aufzutauchen. Und jedes Mal, wenn es gefunden worden war, hatte es Tote gegeben. Bisher hatte die Prophezeiung des ersten Großmeisters sechs Opfer gefordert: zum einen Gerold Eberz, den Mair von villa Ysinensi, der das Amulett bei seiner Ermordung aber nicht bei sich getragen hatte, weil er es dem neuen Pfarrer von villa Ysinensi in die Tasche gesteckt hatte. Aber dies hatte der Mörder nicht mitbekommen, obwohl er vor Ort gewesen war. Eberz waren Wolfrad II. Graf von Altshausen und dessen treu ergebener Leibdiener gefolgt. Dann hatte es den Baumeister des Klosters getroffen, weil einer der fünfundvierzig Geheimbündler gehört hatte, dass er das Amulett um den Hals tragen würde, … was aber zumindest zum Zeitpunkt seiner Ermordung nicht der Fall gewesen war.
Weil der Geheimbund erfahren hatte, dass das Amulett vom Grafen Manegold I. zumindest zeitweise an den ersten Abt des Klosters, der ebenfalls Manegold geheißen hatte, weitergereicht worden war, hatte einer der Verschwörer den Klosterleiter sinnlos aus dem obersten Fenster des linken Kirchturms gestoßen. Schließlich war der betreffende Geheimbündler doch noch fündig geworden und hatte dem adeligen Träger das Amulett abgenommen.
Die Verwandten des Grafen hatten die Umstände, die zu Manegolds Tod geführt hatten, nach außen hin geheim gehalten. Dies hätten sie auch ohne den ausdrücklichen Wunsch des Dorfvorstehers von villa Ysinensi getan. Denn wie hätten sie der Öffentlichkeit einigermaßen plausibel erklären sollen, dass man ihrem als gottesfürchtig bekannten Herrn während eines Spaziergangs in seinem eigenen Park mit einem Schwert so fest durchs Herz gestoßen hatte, dass die offensichtlich zweischneidige schmale und lange Klinge hinten ausgetreten war? Aber dies war noch längst nicht alles gewesen; zu allem Übel hin hatte der Mörder – wie zuvor schon den anderen Ermordeten – eine von einem Quadrat umschlossene Zahl in die Stirn des Toten geritzt. Dieses Mal war es die Drei gewesen.
Für die fünfundvierzig »Auserwählten« war es nach siebenundsechzig Jahren des Verschwindens ein unbeschreibliches Glücksgefühl gewesen, das Amulett wieder im Besitz ihres Großmeisters zu wissen. Daraufhin hatte das Amulett über zwei Generationen hinweg den Großmeistern als äußeres Zeichen ihres Bundes gedient und war bei den geheimen Zusammenkünften von jedem einzelnen Mitglied ehrfurchtsvoll geküsst worden – eine Neuerung des vorangegangenen Großmeisters. Immer, wenn es verschwunden und wieder aufgefunden worden war, hatten diejenigen Menschen, die mit ihm zu tun gehabt hatten, dem Tod ins Auge sehen müssen. Das Verschwinden, das Wiederfinden, die Toten und die damit einhergehenden Rituale hatten den ideellen