Pappelallee. Andreas H. Apelt

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Pappelallee - Andreas H. Apelt

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die Tür öffnet sich nicht. Auch folgt keine Aufforderung zum Eintreten. Sekunden vergehen, oder steht die Zeit wieder einmal still? In solchen Momenten steht die Zeit doch immer still. Sie hält den Atem an, denkt Hülsmann. Also hält er auch den Atem an.

      Herein, schallt es endlich aus dem Zimmer.

      Der Mann öffnet die Tür und schiebt Hülsmann in einen Raum. Der Raum ist hell und freundlich. Die späte Nachmittagssonne wirft gelbe Lichtkegel auf den braunen Fußboden. Hinter einem großen braunen Schreibtisch sitzt ein Mann. Er schreibt. Der Füllhalter zittert über die abgenutzte Schreibtischplatte. Das Blatt, das er füllt, ist nicht zu sehen. Der Mann hat ein weißes eingefallenes Gesicht mit großen dunklen Ringen unter den Augen. Sein Kopf ist fast kahl. Nur ein Streifen dünner grauer Härchen zieht einen schmalen Kranz über Ohren und Hinterkopf. Auch er trägt ein dunkelblaues Jackett mit aufgesetzten Taschen. Als der Mann aufsteht, fällt ein dickes Sitzkissen zu Boden. Er lässt es liegen.

      Jetzt ist auch die graue Hose aus den Präsent-20-Auslagen neben dem Wiener Café zu sehen. Und ein wohlgenährtes Bäuchlein. Das wölbt sich spitz unterhalb der eingefallenen Brust. Darüber hängt ein kurzer brauner Binder. Die Spitze des Binders sitzt auf dem Bäuchlein auf.

      Langsam geht der kleine Mann zum Fenster. Dabei stützt er sich auf den Schreibtisch.

      Nun, Herr Hülsmann, sagt der Mann nach einer Weile, dann erzählen Sie mal. Dabei schaut er Hülsmann das erste Mal richtig an. Diesen merkwürdigen jungen Mann mit seinem schwarzen abgewetzten Cordanzug und der schwarzen, am Bauch ausgebeulten Zimmermannsweste, auf der immerhin sechs Perlmuttknöpfe leuchten. Fast beiläufig weist er ihm mit der linken Hand einen Holzstuhl zu.

      Aber was soll ich erzählen?, fragt Hülsmann. Langsam lässt er sich auf dem zugewiesenen Platz nieder und schaut sich fragend nach dem Mann hinter sich um.

      Der aber rührt sich nicht. Wie angegossen steht er da, die Hände an die Seite gelegt.

      Sie werden schon wissen was, sagt die Stimme am Fenster.

      Ich weiß wirklich nicht, erwidert Hülsmann und hebt die Schultern.

      Natürlich nicht, sagt der Glatzköpfige und lächelt. Sie können uns nichts vormachen, Hülsmann! Da können Sie rumlaufen, wie Sie wollen. Das hilft alles nichts!

      Will ich doch nicht, beteuert Hülsmann. Dabei zieht er so ein Gesicht, ein typisches Hülsmanngesicht, aus dem ganze Bände sprechen. Aber dafür kann der Hülsmann nicht. Denn irgendwie hat er, trotz mancher Narben, immer etwas Verschmitztes im Gesicht oder besser unter den Augen.

      Schade, sagt der Glatzköpfige noch mit ruhiger Stimme und stellt sich jetzt neben Hülsmann. Dann aber bricht es aus ihm lautstark heraus: Mit solchen Bürschchen wie Ihnen werden wir schon fertig. Keine Bange! Dann setzt er sich wieder hin und beginnt zu schreiben.

      Hülsmann ist rot angelaufen. Aber …, versucht er noch einmal. Aber ich weiß wirklich nicht, ich hatte doch nur diese Vorladung …

      Der Glatzkopf springt wieder auf. Glauben Sie im Ernst, dass wir Sie aus lauter Spaß vorladen, Hülsmann? Glauben Sie das wirklich? Denken wohl, wir hätten sonst nichts zu tun. Dabei fuchtelt er mit der Hand vor Hülsmanns Gesicht herum. Nein, nein, bilden Sie sich nur nichts ein!

      Ich weiß doch wirklich nicht, versucht Hans Hülsmann noch einmal seine Unschuld zu beteuern. Dabei gibt er sich alle Mühe.

      Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle machen würde, unterbricht der Glatzkopf und lehnt sich über den Schreibtisch.

      Hans Hülsmann schüttelt den Kopf.

      Ich würde schön ruhig sein und auspacken. Alles, verstehen Sie, alles!

      Aber, … stottert Hülsmann.

      Ich sehe, sagt der Mann, das hat keinen Zweck mit Ihnen. Naja, so können wir Ihnen auch nicht helfen. Helfen, sagt er wirklich. Hülsmann merkt sich diesen Satz genau.

      Der Mann setzt sich wieder hinter den Schreibtisch. Das Kissen hatte er vorher unauffällig aufgehoben. Das, und dabei nickt der Mann, haben Sie sich alles selbst zuzuschreiben … Aber was, wirft jetzt Hülsmann laut ein. Was? Sie kommen sich wohl sehr wichtig vor Hülsmann, was? Der Glatzkopf lacht. Aber nichts für ungut. Sie werden es noch rechtzeitig zu spüren bekommen. Dabei füllt er einen Zettel aus. Und ich bin sicher, Sie denken an diesen Tag. Ich würde es auch an Ihrer Stelle. Den Tag sollten Sie nicht vergessen!

      Hülsmann würde solche Tage auch so nicht vergessen. Er braucht keine Erinnerung. Denn Hülsmann hat ja sein Büchlein. Hier wird auch dieser Tag seine Erwähnung finden. Und Sätze wie: Dann können wir Ihnen auch nicht helfen. Oder: Das haben Sie sich alles selbst zuzuschreiben! Sätze, die keiner Erklärung bedürfen. Schreiben gegen das Vergessen, nennt das Hülsmann.

      Also, sagt der Mann und lehnt sich über den Schreibtisch. Dabei streift die Spitze des braunen Binders über die Tischplatte. Ab sofort halten Sie sich zu unserer Verfügung. Was das heißt, muss ich Ihnen nicht erklären, die Stadt jedenfalls verlassen Sie nur noch nach unserer Genehmigung. Ich würde Ihnen raten, sich danach zu richten. Wenn nicht, dann müssen Sie mit Konsequenzen rechnen! Ich jedenfalls habe Sie gewarnt.

      Hülsmann spürt einen eisernen Handgriff um seinen Oberarm.

      Kommen Sie, sagt die ernste Stimme hinter ihm. Dabei wird der Griff noch fester.

      Dem Druck folgend, steht Hülsmann auf. Er will etwas sagen. Aber er kann nicht. Als sie im Gang stehen und die Tür sich schließt, löst sich der Griff um seinen Oberarm.

      Wer war das?, will Hülsmann wissen.

      Kommen Sie, sagt der Mann und schiebt Hans Hülsmann durch den langen Gang.

      Also dann doch Luftikus, Pappelallee 80. Und das direkt vom Verhör. Der Tisch in der hinteren Ecke muss es schon sein. Und ein Bier oder zwei und natürlich Angie und Schieber Micha und der lange Lothar. Auch wenn der Hülsmann jetzt gern allein wäre. Schon weil ihn die Frage nach der Schuld quält. Was also ist Schuld?

      Aber Hülsmann findet keine Antwort. Nicht jetzt, wo alles noch so frisch ist. Und er nur ahnen kann. Aber das hilft auch nicht weiter.

      So sitzt er da, der Hülsmann, mit seiner schweren Zimmermannskluft, die am Kragen schon glänzt, obgleich er gar kein Zimmermann ist, sondern nur ein Kulissenschieber. Vor sich das angefangene Bier und die ausgefranste, fast vergilbte graugelbe Tischdecke. Darauf ein paar alte Brandflecken und der grünweiße Bierdeckel.

      Umgeben von diesem Geruch, diesem typischen Modergeruch des Luftikus.

      Wenigstens was Vertrautes.

      Nur Katharina, die Freundin, ist nicht da. Auch nicht der Ottmar Graustock aus seinem Haus. Der, der eigentlich für alle irdische Trübsal zuständig ist. Schließlich ist der junge Mann mit der runden Nickelbrille auf dem besten Weg, Pfarrer zu werden, oder soll man gleich Seelsorger sagen? Aber nein, heute ist nicht mal der da. Dabei wäre es notwendig.

      Hülsmann also, dort in der Luftikusecke. Sitzt da wie das Leiden Christi. Und das ohne kirchlichen Beistand. Hätte ja auch ins Wiener Café gehen können. Ins WC wie die Leute abkürzen. Da wo diese Intellektuellen immer sitzen und die Welt verbessern wollen. So sagt es auch Angie. Dort hätten auch die Vertrauten auf ihn gewartet. Der Ottmar und die Katharina und vielleicht

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