Pappelallee. Andreas H. Apelt

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Pappelallee - Andreas H. Apelt

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in der Volkspolizeiinspektion ist dem Hülsmann nicht mehr nach Weltverbesserung bei gepflegtem Rotwein und auch nicht nach neuer Prenzelberg-Lyrik zwischen Rauchschwaden und schönen Frauen. Und Theater hat er eh selbst genug. Da braucht es kein WC.

      Und schon gar nicht braucht er das Rampenlicht. Das grelle Licht quälender Fragen, die auch er nicht beantworten kann. Warum?, wäre so eine Frage. Und Hülsmann sieht schon die Mutmaßungen, die wie Kraut in den Himmel schießen. Die Literatur, die haben Angst vor der Literatur! Überleg doch mal! Die Gedichte, nein, die hättest du nicht vortragen dürfen! Oder gar jenes Theaterstück mit diesen fragwürdigen Helden! Kann ja sein, dass es wahr ist mit diesem Musiker, der in den Westen verkauft wurde, während seine Frau mit dem Kind im Osten ihn nicht sehen kann, weil er nicht herein und sie nicht raus darf. Kann alles sein, aber muss man das auch öffentlich machen? Manche Sachen schreibt man besser für den Schreibtisch!

      Aber diese Künstler können die Tinte nicht halten oder die Noten.

      Oder haben den falschen Umgang. Ja, der Umgang, das sind die falschen Leute, jedenfalls für die da oben, du solltest dich vorsehen! Kirchenleute noch dazu stellen ja alles infrage, Menschen und ganze Staaten, das kann nicht gut gehen. Niemals!

      Hülsmann hätte sich die Ohren zugehalten und nichts hören wollen. Und doch wären sie wieder da, die Stimmen: Also mal ehrlich, hast du uns was vorenthalten? Was verborgen? Vielleicht doch so einen Antrag gestellt, um das Land zu verlassen? Ist ja nicht schlimm, macht ja hier fast jeder, aber reden solltest du wenigstens mit uns! Wenigstens das!

      Nein, auf all diese Fragen und gut gemeinten Hinweise hatte Hülsmann keine Lust. Die Welt erklärt sich manchmal einfach nicht. Schon gar nicht an einem solchen Tag, der besser still enden sollte oder eben in dieser anderen zeitlosen Welt eines Luftikus. Ohne die große Literatur und ohne die noch größere Politik.

      Ja, das Luftikus ist ihm irgendwie näher, vertrauter, trotz Freddy Quinn, der Musikbox und dem Schiff, das nach Hongkong fährt:

       Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong.

       Hab ich Sehnsucht nach der Ferne.

       Aber dann in weiter Ferne.

       Hab ich Sehnsucht nach zu Haus.

      Das Luftikus möchte sich verstecken. So wie er sich selbst verstecken möchte vor den Augen der Welt. Vor den Fragen, die er nicht beantworten kann und die er, selbst wenn er sie beantworten könnte, nicht beantworten will.

      Also dann nicht in die eitle Schönhauser mit den vielen Geschäften, sondern in die Pappel und dann ins Luftikus. Wenn man seine Ruhe haben will, ist es besser. Aber Ruhe ist ja auch übertrieben.

      Machst ja ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, bemerkt jetzt Angie und schaut betroffen mit den großen braunen Augen.

      Hülsmann zuckt nur mit den Schultern. Was soll er auch sagen. Jetzt wo er eine Auflage hat und die Stadt nur nach Genehmigung verlassen darf. Dabei hat er dem Ottmar versprochen, an einem der nächsten Wochenenden mit nach Drehna zu fahren, dort in die Niederlausitz, wo Ottmars Vater eine Pfarrstelle bekleidet. Und er hatte sich gefreut, auf die Gegend und die Leute und einigen neuen Stoff für ein Theaterstück, an dem er jetzt schreibt. Aber das kann er nun wohl vergessen.

      Das Theater doch auch, sagt Lothar, der, würde er nicht an der Volksbühne Elektriker sein, ein Theater noch nie von innen gesehen hätte. Schreibst doch ohnehin nur für die Schublade. Das machen im Kiez doch alle.

      Naja, die Bemerkung hätte sich der lange Lothar verkneifen können. Also muss der dicke Schüller ran. Auch der hat keine Ahnung von Literatur und Theater. Aber immerhin hat er ein tröstendes Wort. Auch wenn er selbst nicht daran glaubt. Irgendwann, sagt er, dann werden sie dich schon spielen. Vielleicht in der Volksbühne.

      Bei so viel Quatsch kann nicht mal Lothar lachen. Vom Kulissenschieber zum Starregisseur, ich sehe schon die Schlagzeilen.

      Vielleicht im Neuen Deutschland! Lothar schüttelt den Kopf. Du hast sie ja nicht mehr alle.

      Warum denn nicht, verteidigt sich Micha Schüller. Der Hans ist wirklich gut.

      Ob gut oder nicht, wer will das schon einschätzen. Die Texte hat er nur im Wiener Café vortragen können, in Auszügen versteht sich. Und manchmal bei diesen Lesungen auf irgendeinem Dachboden oder bei den Treffen der Freunde. Nein, eigentlich müsste Hülsmann Theater machen, aber das ist ja auch nicht so einfach. Ein Studium! Wo denkt ihr hin? Die Bedingungen, die … naja, das muss wohl nicht weiter erklärt werden. Das weiß ja jedes Kind. Und jetzt kann er erst recht alles vergessen.

      Wenn die einen erst mal auf den Kieker haben …, Schüller weiß Bescheid.

      Lothar nickt. Nun musst du doch nicht alles schwarzmalen. Kopf hoch Hülsmann!

      Wir haben auch nicht studiert und siehst ja, was aus uns geworden ist. Dabei schlagen sich Micha und Lothar gegenseitig auf die Schultern.

      Eben, sagt Angie. Schaut euch mal an.

      Aber die beiden können nichts an sich erkennen. Egal wie lange sie sich mustern. Wird eben nicht besser.

      Also dann lieber noch ein Bier von Angie, die vorher noch dem alten Chef in der Ecke ein neues Kännchen Kaffee auf den Tisch stellt.

      Und vielleicht ist das schon genug, eine freundliche Bedienung in einem Land, das so unfreundliche Maßnahmen kennt. Noch dazu von Angie, deren Reize selbst dem Hülsmann nicht verborgen bleiben. Dabei geht der Kopf jetzt über von quälenden Gedanken.

      Also, dann vielleicht doch noch ein Berliner. Und ein Korn kann ja auch nicht schaden.

      Kreuzberger Nächte sind lang … so singen sie, dass sich der Lärm im Haus sammelt und die Treppen hinabläuft. Dabei ist die Tür im dritten Stock bei Frenzels noch geschlossen. Aber so heißen sie erst seit heute. Genauer – nach dem Besuch im Standesamt, Herr und Frau Frenzel, geborene Nusselbeck.

      Kann man gut verstehen, dass die Nusselbeck nicht mit der Hochzeit warten wollte, sagt Ottmar Graustock, der auf den Treppenflur getreten ist. Bei dem Namen. Dabei lehnt sich der junge Mann mit seinem altmodischen schwarzen Anzug, den er selbst beim Kohlenholen trägt, an den Türrahmen.

      Aber das ist noch lange kein Grund, uns die Nacht zu rauben, schimpft Getschmar, der gerade die Treppe hinaufkommt und wohl ahnt, was passieren kann. Sein dünnes graues Haar hat er über der faltigen Stirn ordentlich zur Seite gescheitelt. Wie immer, wenn er von der Arbeit kommt, trägt er eine braune Aktenledertasche. Getschmar ist Leiter. Volksbildungsabteilung des Bezirksamtes Berlin-Prenzlauer Berg. Und das ist schon was, wenngleich nicht alles! In der Gethsemanestraße 5 führt er noch das Hausbuch und ist Vorsitzender der Hausgemeinschaftsleitung. Und damit ist er wichtig. Sehr wichtig sogar, auch wenn Genosse Getschmar, darauf angesprochen immer abwehrt. Nein, nein, das ist nur meine Pflicht. Ehrenamtlich, versteht sich.

      Natürlich, Herr Getschmar, Sie tun nur Ihre Pflicht!

      Seine Pflicht ist auch der Hinweis auf die mögliche Beeinträchtigung der nächtlichen Ruhe. Und das mit hellseherischer Fähigkeit, wie auch sonst: Ich seh schon kommen, dass man heute Nacht kein Auge zumachen kann. Wäre ja nicht das erste Mal.

      Sondern?, fragt Graustock interessiert. Der junge Mann ist erst vor einigen Wochen aus diesem Drehna

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