Der Muttermörder mit dem Schal. Bernd Kaufholz
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Zuerst untersuchen die beiden Ermittler im Beisein des Staatsanwalts einige Bekleidungsstücke. An einigen stellen sie dunkle Flecken fest. „Möglicherweise ausgewaschenes Blut“, vermutet Thiele. Doch der Nachweis mit dreiprozentigem Wasserstoffsuperoxyd verläuft negativ. Lediglich an einer Schürze reagiert die Chemikalie leicht. Doch ist die Spur geringfügig und die Kriminalisten wissen, dass somit eine Blutgruppenbestimmung nicht möglich ist.
Bei der Hausdurchsuchung öffnen Kriminaltechniker Thiele und Sachbearbeiter Fechtner auch die Abstellkammer. Sie nehmen die Kastenmatratzeheraus. Sie wird ebenfalls untersucht. Doch auch an ihr gibt es keinerlei Blutanhaftungen. Ebenso wenig am Bettzeug im Schlafzimmer und der Oberbekleidung des Ehepaars.
Nachdem beinahe die gesamte Wohnung mit H 2 O 2 abgesprüht wurde, packen die Ermittler ihr kriminaltechnisches Material zusammen und gehen in die gewölbeartigen Kellerräume. Leutnant Thiele öffnet das Vorhängeschloss vom Keller der Brauers. Auf den ersten Blick macht der Boden des Bretterverschlags den Eindruck, als sei er fest. Thiele nimmt einen Spaten und sticht in regelmäßigen Abständen in die Erde. Plötzlich dreht er sich zu Fechtner um, der am Eingang wartet: „Hier stimmt was nicht. Hier ist der Boden ganz locker.“ Doch als er tiefer graben will, stößt der Bezirkspolizist auf etwas Hartes. Er kniet sich hin und scharrt mit den Händen. Die Steinplatte kommt zum Vorschein, gut einen Meter lang und über einen halben Meter breit. Fechtner hilft Thiele, die 60-Kilogramm-Platte an die Wand zu stellen. Wenig später kommt im lockeren Erdreich der linke Arm einer Leiche zum Vorschein. Es ist 16.20 Uhr.
Kreisstaatsanwalt Studzinski weist an, dass die Arbeit am Fundort eingestellt, der Keller gesichert und der Leiter der Mordkommission in Haldensleben verständigt wird.
Dort vernehmen Winter und Polizeileutnant Kühnhardt seit 15 Uhr Minna Brauer. Kurz zuvor war sie vorläufig festgenommen worden. Die 54-Jährige erzählt, dass sie „ständig sehr eifersüchtig gewesen“ sei. „Ich habe vermutet, dass Paul Verhältnisse mit anderen Frauen hat. Deshalb habe ich ihn öfter abgepasst, wenn er von der Arbeit bei der LPG kam.“ Man hätte ihr „gesteckt“, dass ihr Mann fremdginge, und das habe zu Streitereien geführt. Die Toilettenfrau, die über die dritte Klasse der Grundschule nicht hinausgekommen ist, räumt allerdings ein, dass sie selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen ist: „Mitte der 30er Jahre hatte ich selbst Beziehungen zu anderen Männern.“ Nach 1945 hätte sie sich mit ihrem Mann besser verstanden, obwohl sie immer noch eifersüchtig gewesen sei. „Aber ich gebe zu, dass ich keinen Grund dafür hatte.“
Dann berichtet die 54-Jährige, was sich Anfang November in ihrer Wohnung zugetragen hat. Dabei bricht sie immer wieder in Tränen aus und hält sich ihr Kopftuch vor das Gesicht. Einige Male schreit sie laut auf: „Er ist tot, er ist tot. Sperrt mich ein, macht mit mir, was ihr wollt. Ich will nichts mehr hören und sehen.“ …
Minna Brauer hat am 3. November Nachtschicht in der Zuckerfabrik. Seit einiger Zeit verdächtigt sie ihren Mann mal wieder, dass er eine Freundin hat. „Während ich nachts im Betrieb bin, besucht er das Flittchen bestimmt“, ist sich die Klofrau sicher. Und ihr fällt eine List ein, wie sie ihren Paul überführen kann. Dazu stellt sie seine Schuhe in den Kasten unter einem dafür umgebauten kleinen Tisch. Sie fragt ihren Mann: „Gehst du heute Abend noch aus dem Haus?“ – „Nee, nee, heute bestimmt nicht mehr“, antwortet er vom Sofa aus.
„Wenn morgen früh die Schuhe an einem anderen Platz stehen, war er noch unterwegs“, denkt Minna Brauer. Und tatsächlich, als sie am 4. November nach der Schicht nachsieht, stehen die Schuhe im Wohnzimmer neben der Nähmaschine. „Wusste ich’s doch“, ärgert sich die Frau. Sie macht auf dem Hacken kehrt und geht ins Schlafzimmer. Dort steht ihr Mann gerade auf. „Du bist ja doch noch fort gewesen“, schreit sie ihn an. Doch Paul Brauer brummt nur: „So’n Quatsch, ich war nicht weg.“ Damit lässt sich seine Ehefrau nicht abspeisen: „Du kannst aber lügen. Ich habe deine Schuhe extra in den Schuhkasten gestellt, jetzt stehen sie unter der Maschine.“ Dem Invalidenrentner ist die ganze Sache zu dumm. Er tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und lässt seine Frau stehen.
Minna Brauer geht in die Küche und wäscht sich. Dann legt sie sich im Schlafzimmer ins Bett. Doch sie kann nicht einschlafen. Zu sehr beschäftigt sie das vermeintliche Lügen des 64-Jährigen. Sie steht wieder auf, um nachzusehen, was ihr Mann macht. Er hat sich in der Stube auf das Sofa gelegt. Wortlos macht sie kehrt und legt sich auch wieder hin.
Gegen Mittag wacht sie auf. Sie stellt fest, dass Paul inzwischen das Wohnzimmer geputzt und geheizt hat. Seine Frau würdigt er keines Blickes.
Am Nachmittag stopft Minna Brauer in der Stube Strümpfe. Ihr Mann sitzt auf dem Sofa, liest Zeitung, hört Radio und trinkt eine Flasche Bier. Auch seine Ehefrau hat sich eine Flasche aufgemacht, trinkt sie jedoch nicht ganz aus. Ihr Zorn ist inzwischen abgeflaut. Sie versucht, mit Paul ins Gespräch zu kommen. Doch auch als sie ihm anbietet: „Lass uns doch wieder vertragen“, winkt er nur ab.
Gegen 17 Uhr legt sich Paul Brauer auf das Sofa und schläft sogleich ein. Zwei Stunden später wacht er auf. Der 64-Jährige ahnt nicht, dass seine Frau inzwischen den Entschluss gefasst hat, ihn umzubringen. Sie hat im Rest Bier, der noch in der Flasche ist, Schlaftabletten aufgelöst. Nachdem sich Paul aufgesetzt hat, reicht sie ihm die Flasche mit dem „Elrodorm“. „Habe ich extra für dich aufgehoben.“ Der Mann trinkt die Neige auf einen Zug aus, schüttelt sich und sagt: „Schmeckt aber bitter.“ Minna Brauer antwortet: „Meins hat auch so bitter geschmeckt.“ Nach ein paar Minuten fallen dem 64-Jährigen die Augen zu. Er legt sich wieder hin und ist nach einer halben Stunde eingeschlafen.
Darauf hat seine Ehefrau nur gewartet. Sie nimmt ihren grauen Seidenschal mit den roten Blüten und windet ihn ihrem Mann, der auf dem Rücken liegt, um den Hals. Sie macht vorne einen Knoten und zieht zu. Ein ersticktes Stöhnen ist die einzige Reaktion des Strangulierten. Sie hält die Schalenden etwa fünf Minuten fest. Paul Brauer regt sich nicht mehr.
Sie löst den Schal vom Hals der Leiche und setzt sich an den Stubentisch. Sie bleibt die ganze Nacht wach. Hin und wieder geht sie durch die Wohnung. Am Morgen zieht sie den Toten vom Sofa und legt ihn in die Abstellkammer.
Minna Brauer gibt auch zu, den angeblichen Brief ihres Mannes selbst geschrieben zu haben. Das Geständnis wird durch das Gutachten des Schriftsachverständigen der Bezirkspolizeibehörde untermauert. Er hat inzwischen Brief und Vergleichsschrift untersucht. Polizeioberleutnant Schönebein hatte neben dem Brief einen Fragebogen für Kampagnehelfer in der Landwirtschaft, den Minna Brauer ausgefüllt hat, und einige Schriftstücke mit der Handschrift ihres Ehemanns Paul Brauer zur Verfügung gehabt. Der Kriminaltechniker kommt zu dem eindeutigen Schluss, dass der angeblich von Paul Brauer geschriebene Brief nicht mit den Originalschriftstücken des Mannes übereinstimmt. Zwar gebe es eine gewisse Ähnlichkeit in der Buchstabenformung, doch sei das lediglich durch die Schriftart begründet. Die Schrift des von Minna Brauer bei der Polizei geschriebenen Vergleichsbriefes stimme hingegen mit dem Brief überein. Besonders deutlich sei das am kleinen „a“ und in den Anfangszügen der Kleinbuchstaben „b“, „s“ und „w“ zu erkennen. Der Schriftexperte verweist auf zehn weitere individuelle Merkmale, die aufdecken, dass Minna Brauer den Brief gefälscht hat.
Das Kreisgericht Haldensleben erlässt am späten Vormittag des 16. November wegen Mordverdachts Haftbefehl. Vor Haftrichter Mitzenheim gibt sie erneut zu, ihren Ehemann vorsätzlich getötet zu haben, weil sie eifersüchtig war. Anders als vor der Mordkommission sagt sie jetzt, dass sie bereits um 15 Uhr Schlaftabletten in der Apotheke besorgt habe, um den 64-Jährigen „einzuschläfern“, damit er sich nicht wehren könne. „Ich habe drei ‚Elrodorm‘ im Bier aufgelöst.“
Sie habe geglaubt, die Tat würde nicht aufgedeckt, wenn sie erzählt, dass ihr Mann sie verlassen hat. „Zumal wir ja im Grenzgebiet wohnen.“
Am selben Tag wird die Weferlinger