Der Muttermörder mit dem Schal. Bernd Kaufholz
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Читать онлайн книгу Der Muttermörder mit dem Schal - Bernd Kaufholz страница 7
Bevor sie ihn fragen kann, was er auf dem Herzen hat, sagt Walter Buckow, dass er „einen erstochen“ hat. „Aber ich habe das nicht gewollt. Ich habe mich bloß gewehrt. Der andere wollte mich abwürgen.“
„Wer wollte dich abwürgen?“, fragt die Mutter. „Der Büntje“, so die Antwort. Anna Buckow glaubt zuerst, dass er „den alten Büntje aus Lübbars“ meint, und sie fragt nach. Doch vorerst bekommt sie keine Antwort. Walter schluchzt hemmungslos, wirft sich auf die Erde und wälzt sich hin und her: „Ich bin kein Mörder! Ich bin kein Mörder! Ich wollte ihn nicht erstechen. Ich wollte mich bloß wehren!“
Als er sich wieder etwas gefasst hat, sagt er seiner Mutter, dass er zur Polizei gehen will, um sich zu stellen. Die 59-Jährige hat Angst, dass Walter sich etwas antut und will ihn zurückhalten: „Lauf doch nicht gleich wieder weg.“ Sie will wissen, wo sich die Tragödie zugetragen hat. „In der Konsumkneipe“, antwortet ihr Sohn. Und er erzählt etwas von 5 Mark. Doch sie versteht den Zusammenhang nicht. Die Aufregung überträgt sich auf die Frau. Sie weiß sich keinen Rat. „Geh erstmal nach Hause“, rät sie ihm. Wie in Trance steht Walter auf und geht wortlos hinaus.
Anna Buckow legt sich wieder ins Bett. Fünf Minuten später hört sie unten auf dem Hof Geschrei. Sie erkennt die Stimme ihrer Schwiegertochter. Kurz darauf stehen ihr Sohn Walter, seine Frau Gerda und ihre Tochter Brigitte vor der Tür. Völlig aufgelöst berichtet Brigitte Peetz ihrer Mutter, dass sie gerade dazugekommen sind, als sich ihr Bruder unten auf dem Hof die Pulsadern aufschneiden wollte. „Da hat Gerda ihm das Messer weggenommen“, erzählt die Tochter. „Her damit!“, sagt die resolute 59-Jährige, und ihre Schwiegertochter Gerda gibt ihr das Taschenmesser.
Walter Buckow beginnt erneut zu jammern, dass er doch kein Mörder sei. Anna Buckows Tochter und Schwiegertochter sitzen dabei und weinen. „Ich stelle mich“, reißt sich der Täter zusammen. „Ich gehe vorher nur noch schnell nach Hause und ziehe mir saubere Sachen an.“ Frau und Schwester begleiten ihn auf die Straße.
Gegen 23 Uhr geht beim Polizeikreisamt in Salzwedel die Meldung ein, dass es nach einer Kneipenschlägerei in Fleetmark einen Toten gegeben hat. Das Opfer liege blutüberströmt vor der Konsumgaststätte.
Zehn Minuten später ruft Dorfpolizist Peetz von der Gaststätte beim Diensthabenden an und teilt mit, dass er am Tatort sei und das Opfer tot ist. „Ruf einen Arzt an, Genosse Peetz, und sichere mit VP-Meister Herms den Tatort“, lautet der Befehl aus Salzwedel. Gleichzeitig benachrichtigt das Polizeikreisamt den ABV des Nachbarortes Hauptwachtmeister Bierstedt. Er soll sofort zur Konsumgaststätte fahren.
Kriminaldienst im Salzwedeler Polizeikreisamt hat in dieser Nacht Polizeimeister Michel. Er und Kripo-Leutnant Drankmeister werden nach Fleetmark beordert. Dort erfahren sie in der Konsumgaststätte durch Oberwachtmeister Peetz, dass sein Schwager der Täter ist.
Inzwischen ist auch ABV Bierstedt verständigt, der für den Bereich Liesten zuständig ist. Als sein Telefon klingelte, war es 23.15 Uhr. Der Abschnittsbevollmächtigte, der schon geschlafen hatte, hatte sich angezogen und sich mit dem Moped ins knapp 10 Kilometer entfernte Fleetmark aufgemacht.
Es ist kurz vor Mitternacht, als er im Gastraum des Lokals auf den Arzthelfer Müller* sowie seine Kollegen, Oberwachtmeister Peetz, Meister Michel und Polizeileutnant Drankmeister aus Salzwedel, sowie den Wirt Selm trifft. Die Leiche liegt mit einem Mantel zugedeckt auf dem Dielenboden. Drankmeister sagt zu Bierstedt: „Der Täter ist ein gewisser Buckow, Walter Buckow. Fahr mit den Genossen Michel und Peetz los und nehmt ihn fest.“
Die drei Polizisten fahren mit dem Polizei-Wartburg zur Wohnung des Verdächtigen in die Mühlenstraße. Doch da ist er nicht. Sie treffen nur die Schwiegermutter an. Sie erzählt, dass Buckow kurz zu Hause war.
Die Polizisten vermuten, dass sich der Gesuchte versteckt. Peetz und Michel durchsuchen das Haus. Als sie ihn nicht finden, sagt Peetz, dass er möglicherweise bei der Mutter ist.
Die Polizisten fahren mit dem Dienstfahrzeug in Richtung Dorfmitte. Als sie um die Kurve am Ortseingang biegen, ruft Peetz: „Anhalten! Da sind sie“, und deutet auf zwei Frauen und einen Mann, die im Scheinwerferlicht auftauchen und in Richtung Tierarztpraxis gehen. Wenige Meter später hält der Wartburg vor dem Trio an. Es sind Walter Buckow, seine Ehefrau Gerda und seine Mutter Anna. Michel springt als Erster aus dem Fahrzeug und sagt zu Walter Buckow: „Sie sind vorläufig festgenommen. Steigen Sie ein!“
Gerda Buckow fällt ihrem Mann um den Hals und auch seine Mutter gibt ihm einen Kuss. Dann setzt sich der 29-Jährige wortlos auf die Hinterbank. Peetz versucht derweil die beiden Frauen zu beruhigen. Er begleitet sie nach Hause. Dabei erfährt er, dass Anna Buckow die Tatwaffe in der Wohnung hat. Der Hauptwachtmeister stellt das Messer sicher.
Bierstedt und Michel bringen den Messerstecher ins Dienstzimmer des ABV. Dort wird Buckow durchsucht. Die Waffe wird nicht gefunden. „Wo ist das Messer?“, will Michel wissen. „Ich habe es meiner Mutter gegeben“, antwortet er. Dann will der Polizeimeister wissen, wie sich die Sache zugetragen hat. Er erfährt, dass Büntje Buckow nach einem Streit in der Konsumgaststätte am Hals gewürgt habe. „Ich habe dann einfach zugestochen“, so Buckow.
Kurz nach 1 Uhr beginnen die Ermittlungen am Tatort in und vor der Konsumgaststätte, die unweit vom Ortseingang aus Richtung Rademin liegt. Bis 3.30 Uhr wird dokumentiert, fotografiert und die erste Leichenschau durchgeführt. In einem Aschenbecher findet die Polizei den zerrissenen Schuldschein. Kurz darauf erlässt das Kreisgericht Salzwedel Haftbefehl wegen Totschlagsverdachts.
Gut vier Stunden später wird Buckow vernommen. Er schildert, wie er den Vortag verbracht und danach wie sich die Tat aus seiner Sicht zugetragen hat: „Nachdem wir rausgegangen waren, haben wir uns gleich weitergeprügelt.“ Dabei vergisst er nicht zu erwähnen, dass Büntje größer war und „körperlich überlegen“. Es sei dem Stendaler gelungen, ihn auf den Boden zu werfen. Dabei sei er „leicht mit dem Hinterkopf aufgeschlagen“. Büntje habe auf ihm gelegen. „Ich habe mich unterlegen gefühlt und mit meiner linken Hand in meine linke Hosentasche gegriffen. Ich zog mein Taschenmesser heraus.“ Er habe die Waffe mit seiner Faust umklammert und „zwei-, dreimal“ gegen die rechte Körperseite des 22-Jährigen gestochen. Büntje sei „schlapp geworden“. Er habe ihn von seinem Körper heruntergeschoben. Der Leblose sei auf dem Bauch liegen geblieben. Als er mitbekommen habe, dass Büntje tot ist, sei er nach Hause gelaufen.
Kripo-Hauptmann Winter von der Bezirksmordkommission, der das Verhör leitet, will von dem Fleetmarker wissen, warum er ein Messer bei sich hatte?
„Ich war vor zwei Jahren bei einem Tanzvergnügen schon mal in eine Schlägerei verwickelt“, so Buckow. Jugendliche von außerhalb hätten ihn zusammengeschlagen und dabei ihre Motorradschlüssel benutzt, die sie sich zwischen die Finger geklemmt hatten. „So etwas sollte mir nicht noch einmal passieren. Darum habe ich seitdem immer das Messer bei mir.“
Er identifiziert das blutige Messer, das ihm vorgelegt wird, als sein Eigentum.
Dann macht ihn Winter auf einen Widerspruch in seiner Aussage aufmerksam: „Sie haben gesagt, dass Sie gegen die rechte Seite gestochen haben. Der Tote hat aber auch an anderen Stellen Verletzungen? Zum Beispiel an der linken Halsseite.“ Buckow darauf: „Ich möcht’ ja gern eine Erklärung abgeben, aber ich weiß nicht, wie es dazu kam.“
Das rechtsmedizinische Gutachten der Medizinischen Akademie Magdeburg sagt aus, dass Hans Büntje durch „Hirn- und Rückenmarklähmung bei Durchtrennung des Halsmarks nach Stichverletzung der Wirbelsäule“ gestorben ist. Der Stich sei sofort tödlich gewesen.
Oberarzt Dr. Friedrich Wolff und Assistenzärztin