Der Muttermörder mit dem Schal. Bernd Kaufholz

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Der Muttermörder mit dem Schal - Bernd Kaufholz

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ist, trinkt an der Theke weiter – drei Schnäpse. Dabei beginnt er Streit mit Kurt Olaf*, der am Tresen sein Bier trinkt. Beide stehen sich mit geballten Fäusten gegenüber und es hat den Anschein, als wollen die Männer gleich aufeinander los gehen. Doch der Wirt tritt dazwischen und schlichtet die Auseinandersetzung.

      Buckow setzt sich an den Tisch von Hans Büntje – nun geht es um eine neue Runde, die bestellt werden soll. Buckow hat kein Geld mehr und Büntje gibt ihm einen Fünfmarkschein. Doch Buckow holt kein Bier und Schnaps von der Theke. Das ärgert Büntje. Besonders deshalb, weil er ein gebranntes Kind ist. Er hatte einem Kollegen in Stendal 40 Mark geliehen, sie jedoch nicht wiederbekommen. Erst als er geklagt hatte, zahlte der Kollege seine Schulden.

      Dem will Büntje diesmal von vornherein aus dem Wege gehen. Er verlangt von der Wirtin Gertrud Selm* einen Zettel und schreibt auf das Stück liniiertes Papier: „Am 22. 12. 62 habe ich dem Walter Buckow 5 DM geborgt und bitte diese zurückzubekommen. Unterschrift:“

      Doch Buckow denkt gar nicht daran, den „Schuldschein“ zu unterschreiben. Er zerreißt das Papier und wirft es in den Aschenbecher. Doch Büntje schreibt einen neuen Schein und hält ihn Buckow wenig später unter die Nase. Darüber geraten die beiden in Streit. Erst schreien sie sich an, dann schubsen sie sich gegenseitig. Büntje fällt dabei vom Stuhl. Buckow will sich auf den Liegenden stürzen, aber er bekommt einen Tritt in den Unterleib. Zum zweiten Mal an diesem Abend geht der Wirt zwischen zwei Kampfhähne: „Hier wird sich nicht geprügelt! Habt ihr das verstanden? Wenn ihr was miteinander auszumachen habt, geht auf die Straße!“, schreit Selm. Das scheint die Männer zur Besinnung zu bringen. Der Stendaler klopft dem Fleetmarker auf die Schulter und sagt: „War nicht so gemeint.“

      Doch kurz darauf flammt erneut ein Streit auf. Walter Buckow legt sich mit zwei anderen Gästen an. Wieder droht eine Schlägerei. „Jetzt ist aber Schluss!“, so der Wirt. „Du kriegst jetzt auch nichts mehr“, knöpft sich Selm den Betrunkenen vor. Das ärgert Buckow. Er zieht sein Taschenmesser und hält es dem Gaststättenleiter mit der abgewandten, achteinhalb Zentimeter langen Klinge vors Gesicht. Doch der sagt nur: „Steck das Ding weg!“, wendet sich ab und geht in den Nebenraum, um Abendbrot zu essen.

      In der Zwischenzeit bedient seine Ehefrau weiter. Und erneut gibt es Streit um den „Schuldschein“. „Was willste, 5 Mark von mir?“, hört Gertrud Selm vom Tresen aus Buckow blubbern. „Du kriegst gleich 5 Mark. Komm mit raus, da kriegst du 5 Mark. Aber frag nich wie.“ Dann gehen Buckow und Büntje aus dem Lokal.

      Was sich in den nächsten drei Minuten im Schummerlicht vor dem Fachwerkbau zuträgt, ist bis heute nicht hundertprozentig sicher. Die Einzigen, die den Hergang der Bluttat aufhellen könnten, sind dazu nicht in der Lage: Hans Büntje stirbt auf der dünnen Schneedecke vor der Eingangstür der Konsumgaststätte, und Walter Buckow will oder kann sich später aufgrund seiner Trunkenheit an Einzelheiten nicht mehr genau erinnern. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit kommt der Tathergang, so wie er vom Magdeburger Bezirksgericht Mitte 1965 dargestellt wird, der Wahrheit am nächsten.

      Büntje, mit über 1,80 Metern größer als Buckow und betrunkener als der 29-Jährige, öffnet die Tür des Gastraums und bedeutet Buckow mit einer Geste, dass er vorangehen soll. Dann taumelt er selbst in den Flur des Hauses. Dort lässt Buckow dem Dunkelblonden den Vortritt ins Freie. Doch kaum ist er über die zwei niedrigen Eingangsstufen hinweggestolpert, geht er auf Büntje zu. Der greift ihn am Kragen und fragt: „Was willst du denn von mir?“ Buckow stößt ihn zurück, aber der Stendaler geht erneut auf ihn zu. Bukow hält den 22-Jährigen mit der rechten Hand fest, greift mit der linken in die Hosentasche, holt sein Taschenmesser heraus und öffnet es zwischen Daumen- und Zeigefinger ein Stückchen. Dann streicht er mit der Waffe an seinem linken Filzstiefel entlang und klappt sie so völlig auf. Unmittelbar danach sticht er dreimal in die rechte Seite des Stendalers. Ein Stich verletzt die Lunge. Büntje krümmt sich nach rechts. Diese Gelegenheit nutzt Buckow, um ihm einen kräftigen Stich in die linke Halsseite zu versetzen. Der Stendaler bricht zusammen und fällt in die Knie. Er ist auf der Stelle tot. Der Täter hält sein Gegenüber unter den Achseln fest, schüttelt ihn und ruft „Hansi, Hansi! Steh auf! Was ist denn …?“ Dann wird ihm klar, dass er einen Toten in den Armen hält. Er lässt ihn langsam zu Boden gleiten und läuft nach Hause.

      Im Lokal geht die Frau des Wirtes in den Nebenraum, wo Fritz Selm Abendbrot isst: „Komm doch mal rüber“, fordert sie ihn auf, „Buckow und Büntje sind nach draußen gegangen. Wenn man da nichts passiert.“

      Als er die Gaststube betritt, hört er gerade, wie seine Ehefrau dem Grenzsoldaten Herbert Off* bittet: „Geh doch mal raus nachsehen, was die beiden treiben.“ Und der Angehörige des 23. Grenzregiments in Gardelegen, der auf Urlaub in Fleetmark weilt, geht aus dem Gastraum. Es ist gegen 22.45 Uhr, als der Grenzer Büntje auf dem Rücken liegen sieht – direkt vor dem Eingang, gleich neben der Seuchenmatte mit den Sägespänen.

      Off fühlt den Puls des Mannes, kann ihn jedoch nicht finden. Auch ein zweiter Gast, Wilfried Fließ*, bemüht sich um Büntje. Sie schütteln den Leblosen. Ohne Erfolg. Inzwischen ist auch Gastwirt Selm nach draußen gekommen. Er hört, wie der Grenzer sagt: „Das hat keinen Zweck.“

      Dann laufen die drei wieder in die Gaststätte. Off ruft schon von der Tür: „Der Büntje ist tot. Alles ist voller Blut!“ Fließ telefoniert mit dem Abschnittsbevollmächtigten der Polizei und dem Roten Kreuz.

      Gerda Buckow* hat an diesem Abend nicht mit dem Abendbrot auf ihren Mann gewartet. Er hatte ihr schon beim Mittagessen gesagt, dass es später werden kann, weil noch Getreidewaggons zu entladen seien. Die 29-Jährige war bei ihren Eltern zum Fernsehen gewesen und hat sich gerade hingelegt, als jemand an der Türklinke rüttelt. Gerda Buckow wundert sich, denn ihr Mann weiß, dass der Schlüssel im Fenster liegt, damit er aufschließen kann, wenn er später nach Hause kommt.

      Sie geht an die Tür und öffnet. Ihr Mann steht zitternd und weinend in der Veranda: „Das habe ich nicht gewollt. Das nicht. Das habe ich nicht gewollt“, sagt er immer wieder. Gerda Buckow fragt: „Um Gottes willen, was ist denn passiert?“ Doch ihr Ehemann stammelt nur: „Ich konnte mich doch nicht erwürgen lassen. Und jetzt ist er tot.“ Wer denn tot sei, will seine Frau wissen. „Der Büntje aus Lübbars.“

      Die Hausfrau ahnt, dass etwas Schreckliches passiert sein muss und ihr Mann darin verwickelt ist. Ihr wird schwarz vor Augen und sie muss sich am Tisch festhalten. Als sie sich wieder etwas gefangen hat, fällt ihr auf, dass der blaue Schlosseranzug ihres Mannes auf dem Rücken voller Straßenschmutz und Sägespäne ist.

      „Ich bin nur gekommen, um mich zu verabschieden“, sagt der Lagerarbeiter. Dann fragt er nach seiner Mutter.

      Die Hausfrau holt ihren Mantel und sagt: „Komm, wir gehen zu ihr.“ Unterwegs will Buckow plötzlich wieder zurück und seine Tochter noch einmal sehen. Doch die Ehefrau bittet ihn, das Kind schlafen zu lassen.

      Das Paar geht am Haus der Schwägerin vorbei. Ihr Ehemann ist Polizist. Gerda Buckow ruft nach Brigitte Peetz*. Die Schwester ihres Mannes zieht sich im Schlafzimmer den Morgenmantel über und geht an die Tür. Gerda Buckow erzählt ihr, was passiert ist. Währenddessen geht Walter Buckow die letzten Meter bis zur Wohnung seiner Mutter allein.

      Oberwachtmeister Horst Peetz* zögert nicht lange. Er schlüpft in den Trainingsanzug und läuft zur Konsumgaststätte. Dort sieht er direkt vor dem Eingang einen Mann auf dem Rücken liegen, das Gesicht voller Blut. Der Polizist öffnet das Hemd und fühlt nach Herzschlägen. Doch auch er kann keine feststellen. Der Körper ist schon fast kalt.

      Peetz geht ins Lokal. Die Gäste wissen Bescheid. Er erfährt, dass die Polizei bereits alarmiert ist. Der Oberwachtmeister winkt Herbert Off und Wilfried Fließ heran. Gemeinsam mit ihnen trägt er den Toten in die Gaststube. Dabei sieht er die Stichwunde am Hals.

      Anna

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