Ketzerhaus. Ivonne Hübner

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Ketzerhaus - Ivonne Hübner

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der Schlote vermischte.

      Es war längst dunkel. Die stimmgewaltigen Diskussionen der Männergesellschaften aus Handwerkerkreisen brandeten auf und verloren sich mit dem Wind. Elsas Magen knurrte. Der Weg zum jüdischen Arzt war weit. Hätten die Juden nicht vor über hundertfünfzig Jahren die Brunnen vergiftet, hätten sie sich gewiss innerhalb der doppelten Stadtmauer ansiedeln dürfen. So aber war die Seuche nach Görlitz gekommen. Es ärgerte Elsa, dass sie das getan hatten und sie jetzt so weit gehen musste. Aus Rache für die Aussiedlung hatten sie vor kaum zehn Jahren die Pest abermals über die Stadt gebracht, fiel ihr jetzt ein.

      Über die Brücke ging Elsa nicht gern ohne Begleitung und schon gar nicht im Dunkeln. Die Bleichwiesen waren jetzt wieder leer. Die Wäsche trocknete in der feuchten Herbstluft ohnehin nicht mehr. Die Neißufer waren jetzt von den Fischern zurückerobert. Es roch durchdringend sauer und metallisch nach Gekröse und Blut. Weiter stromabwärts und außerhalb der Stadtmauern lebten die Ledermacher und Wirker. Dahinter kam nichts als die Armut. Die Ärmsten lebten im Schatten der Gerber und Färber und verdingten sich mit Leineweberei und als Zuarbeiter. Und immer, wenn Elsa in diese schlimme Gegend musste, hatte sie ein Einsehen, dass es ihrer Mutter und ihren Schwestern im Jakobsstift noch leidlich gut ging.

      Das Angelusläuten verhallte, als Elsa und Doktor Ismael zurück in die Stadt kamen. Sie hatte ihm weder Auskünfte über das Leiden noch über den Kranken selbst gegeben. Das stand ihr gar nicht zu. Über ihre Lippen war nichts gekommen, was sie bei der Reinhilde in noch größere Ungnade hätte bringen können. Die Geldkatze war leer. Elsa hatte Zoll und Verschwiegenheit bezahlt. Ein verschwiegener dünner Arzt begleitete sie durch die Dunkelheit.

      Völlig ausgehungert und durchgefroren ließ Elsa sich in der Schankstube und unter Peternelles beleidigtem Blick nieder, um ihre tauben Füße aus den Pantinen zu pellen. Der Dunst der gehäuteten Zwiebeln trieb Elsa das Wasser in die Augen. Auch der leidgeprüfte, von Tränen benetzte Augenaufschlag beeindruckte die andere nicht. „Du machst den Rest. Ich gehe zu Bett.“ Peternelle riss das Geschirrleinen von ihrer Hüfte und hängte es über das Bierfass, das heute noch geleert werden wollte.

      Elsa wusste, sie würde bis zur Sperrstunde Platten und Krüge schleppen, Speisen herrichten, Abfälle beseitigen und keine Sekunde ihre inzwischen wütend zwickenden Füße ausruhen. Während des Zapfens genehmigte sie sich eine rohe Zwiebel und den Rest einer verschmähte Kruste vom frischen Brot eines eben verabschiedeten Gastes.

      Weit nach der Sperrstunde, als sie die Schankstube gefegt, die Tische und Stühle gewischt und das Geschirr gesäubert hatte, fiel Elsa totengleich auf das Lager neben Peternelle. Sie hatte nicht einmal Zeit darüber nachzudenken, wie wohl Doktor Ismaels Krankenbesuch ausgegangen war und ob er wirklich so verschwiegen war, wie es die Dukaten hoffen ließen. Mutters Bergkristall würde sie heut nicht mehr in ihr eigenes Haar flechten.

      In dieser Nacht träumte sie vom Zerschundenen in der hinteren Dachkammer und von dem nackten Mädchen. Elsa wachte mit der Gewissheit auf, dass der eine mit der anderen etwas zu tun haben musste.

       Ebenso wenig scheint mir aber bewiesen, dass sie oder wenigstens alle, der Seligkeit sicher und gewiss seien,

       mögen wir dessen auch ganz gewiss sein.

      Zumindest die Carolina Müllerin war gefasst. Leider war es nicht Christian geglückt, die Gespielin des Teufels aufzuspüren, sondern einem anderen Gassenmeister. Der war jetzt um zwei Gulden reicher. Das Weibsstück hatte man erwischt, wie es mit einer Handvoll verdächtiger Papiere durch das Frauentor verduften wollte.

      Der Torwächter, ein Dummkopf ohnegleichen, hatte die Papiere ins Feuer geworfen, sodass nicht zweifelsfrei herauszufinden war, ob jene Schriften vom Index Librorum Prohibitorum, der Liste verbotener Bücher, stammte oder nicht. Immerhin aber hatte man eine verdächtige Person erwischt. Eine die keine Görlitzerin war und auch keinen Bürgen nennen konnte – oder wollte. Und wenn sich ein Mädchen in den Klauen der Torwache keinen Bürgen einfallen ließ, ja, dann war sie schon per se verdächtig, fand Christian.

      Zu gerne wäre er dabei gewesen, als der Torwächter das Mädchen bloßgestellt hatte. Noch an Ort und Stelle war die Teufelsbuhlerin nackend vor die Wachstube gebunden und der Öffentlichkeit preisgegeben worden. Zum Glück war Markttag und das Tor – wie wohl alle Tore dieser Tage – verstopft. So konnten der Läuterung wegen besonders viele brave Bürger der Sünderin ansichtig werden. Sich auf die Spiele des Teufels einzulassen, hatte noch niemandem gutgetan.

      Als man die Dirne des Satans in die Büttelei gebracht hatte, hatte sie freilich ihre Kleider wieder angehabt. Aber auch so war zu sehen, wie der Teufel ihre Gestalt und ihr Antlitz verführerisch geformt hatte. Nur so war es ihr möglich gewesen, die ehrbaren Studenten Weidner und Hinterthur in ihre ketzerischen Machenschaften zu verstricken. Einem jeden schönen Weibe wohnte der Teufel inne. Das wusste selbst Christian.

      Die Büttelei wurde Stockhaus genannt. Noch bis vor Kurzem, bevor man Käfige mit Schlössern hineingestellt hatte, waren die Delinquenten an Holzpflöcken – Stöcken – festgekettet worden, damit sie nicht ausreißen konnten. Dieses Stockhaus lag hinter dem Fischmarkt. Es war ein in der Tiefe lang gezogenes, windschiefes, bis an die südliche Stadtmauer reichendes Gebäude. Das nach der Büttelei benannte Stockgässel war so eng, dass hier nur eine Person gehen konnte. Aus diesem Grund und weil man nicht ins Stockhaus eingesperrt werden wollte, mied man diese Stockgasse im Allgemeinen.

      Es war Christian Vollhardt als Gassenrichter zwar gestattet, die Büttelei so ohne Weiteres zu betreten, nicht aber die Gefangenen zu besuchen. Die besonders ansehnliche Gefangene hätte er sehr gern näher betrachtet. Das Mädchen, das man für die gesuchte Carolina Müller hielt, schwieg beharrlich. Man war darin geübt, eine Teufelsbuhlerin zum Sprechen zu bringen und das mit Sicherheit nicht mit der Zankgeige. Da kannte man andere Hilfsmittel. Görlitz war berüchtigt für seine wirksamen Methoden. Dennoch hielten der Bürgermeister und der Züchtiger Alfons Sieder an der Reihenfolge fest. Ordnung musste sein. Da hatte sogar Christian Vollhardt ein Einsehen. Die Satansbraut musste zuerst auf dem Ring vorgeführt werden, danach musste sie einem Gericht und dann, wenn sie weiterhin schwieg, dem Scharfrichter zur peinlichen Befragung überführt werden.

      Christian kam wegen all dieser Aufregungen erst spät aus der Büttelei nach Haus. Er war froh, dass er nicht mit dem Trupp der Stadtdiener ein weiteres Mal durch die Gassen ziehen musste, um nach den übrigen beiden Ketzern zu suchen.

      Sein Mädchen hatte beobachtet, wie Vollhardt in seinem Haus verschwunden war, dann erst schlich es an der dicht um den Klosterplatz gedrängten Häuserzeile entlang und klopfte an die Tür des Schwertfegers. Drinnen tat sich zunächst nichts. Als die junge Frau schon längst ihre zweite Bettelrunde zum Neuen Markt fortsetzen wollte, hörte sie den Gassenrichter die Stiege herunterkommen.

      Er riss die Türe auf und stutzte. „Hatten wir uns nicht für nächste Woche verab …, was willst du?“ Christian schaute sich um. Die Stadt war in diesen Tagen wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen.

      „Die Leute geben nichts, weil sie dem Stadtschreier zuhören und mit ihren Einsetzen beschäftigt sind.“

      Christian hatte von den Wetten gehört. So etwas konnte er nicht gutheißen. Er zog das Mädchen in die Eingangsnische vor der Tür. Ins Haus ließ er sie aber nicht. Dass sich das Mädchen der Verabredung widersetzte, behagte ihm nicht. Er war der Mann! Er hatte die Zügel in der Hand! Er stellte die Bedingungen. Einmal wöchentlich! Alles andere war zu auffällig und würde ihn in Verruf bringen – und bankrott machen. „Was willst du?“

      „Sie

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