Ketzerhaus. Ivonne Hübner

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Ketzerhaus - Ivonne Hübner

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dir so etwas“, beschied Elsa ihrer Schwester. Sie schämte sich für Siegtrauts ungezügelte Niedertracht und schämte sich gleichzeitig für ihren eigenen Hochmut, der sich in solchen Momenten in ihrem Herzen breitmachte.

      „Andres Hinterthur wird immer noch ausgerufen“, sagte Siegtraut jetzt in ruhigerem Ton.

      Katharina Mälzer nickte. Und dann geschah, was selten der Fall war, dass Elsa das Gefühl hatte, ihre Mutter schaue ihr direkt ins Herz und beschwor sie, sich in Acht zu nehmen.

      „Er ist ein Ketzer“, zuckte Siegtraut mit den Achseln und legte ihren Umhang ab.

      Das Nicken, das Katharina jetzt zeigte, war weder für die eine noch für die andere Tochter bestimmt. „Wir sind alle Ketzer“, sagte sie gedankenverloren. „Jeder von uns auf seine Weise. Wir legen, bequem und lasterhaft, wie wir sind, unsere Geschicke in Gottes Hände.“

      „Meinst du den Hunger oder das Armenhaus?“, murrte Siegtraut.

      „Danket dem Herrn“, murmelte die Mutter von ihrem Platz aus und ihre Finger falteten sich. „Danket dem Herrn und der Heiligen Jungfrau, dass Elsa ihre Stelle beim Brauer riskiert, um uns was zu essen zu bringen.“ Ein jugendliches Lächeln huschte über Katharina Mälzers Lippen in Elsas Richtung.

      Elsa wandte sich ab und drängte sich an der wie ein Bollwerk stehenden Schwester vorbei. Sie würde nach den jüngeren Mädchen Ausschau halten, um sich wenigstens von ihnen zu verabschieden. Sie fand Anneruth und die siebenjährige Irmel beim Saubermachen der Jakobskapelle; einem Dienst, der ihnen dereinst gutgeschrieben würde. Die Mädchen ließen die Besen fallen, rannten vor Freude quiekend auf die Schwester zu und fielen ihr in die Arme. Den Dreien blieb nicht viel Zeit, die neuesten Neuigkeiten auszutauschen. Es war Elsas ganze Freude, machte ihr aber auch das Herz ganz schwer, den beiden Mädchen dabei zuzusehen, wie sie den Wecken teilten und verspeisten. Elsa wollte sich pfleglich führen, damit sie die Stellung bei Reinhilde nicht verlor und den Mädchen ab und an Zuckerzeug bringen konnte.

       Und es scheint mir weder durch Vernunftsgründe,

       noch durch Gründe der Schrift erwiesen zu sein,

       dass sie außerhalb des Standes des Verdienstes,

       noch der Vermehrung an Liebe seien.

      Kaum war Elsa in die Neißgasse gebogen, sah sie von Weitem schon den Fichtenzweig draußen im Fass stecken. Stimmengewirr und gelegentliches Scheppern von Steinzeug war bis auf die Gasse zu hören. Elsa war auch auf dem Rückweg am Stadttor aufgehalten worden. Sie fürchtete sich vor Reinhildens Abreibung und Peternelles Schimpfen. Sie kalkulierte das Ausmaß ihrer Strafe. Peternelle würde den ganzen Abend nicht mit ihr sprechen. Warum auch? Sie hatte die Kiepe allein nach Hause wuchten müssen und jetzt, am Abend, den Ausschank zu versorgen: die großen Krüge und die kleineren Trinkgeschirre aus schwerem Waldenberger und Muskauer Steinzeug, dazu die Platten mit Brot und Zwiebeln. Elsa hatte noch nicht einmal die Betten der Herrschaften aufgeschüttelt. Die Reinhilde legte großen Wert darauf. Wegen des Ungeziefers. Elsa würde nicht unbemerkt am Tylike vorbei ins eheliche Gemach schlüpfen können.

      Im Obergeschoss brannte Licht. Dort bewirtete der Brauer seine privaten Gäste. Elsa würde Ärger bekommen, wenn Tylike ausgerechnet heut Ehrengäste hatte und die zweite Magd fehlte. Er war als Briuwer kein Gastwirt, legte aber dennoch Wert auf eine geschickte Bewirtung mit den kleinen Gaben, die dem Brauer erlaubt waren. Was Tylike nach seiner Brauberechtigung herstellte, hatte er selbst zu verantworten und im eigenen Haus feilzubieten. Was er nicht selbst ausschenkte, wurde für die Belieferung der Kretschame im städtischen Schankbereich verfügbar gehalten. Der Verkauf über die Straße war verboten. Ausnahmen stellten die Ratskür dar oder die Wahl des Erbrichters oder des Schützenkönigs. Tylike hatte sich nach den ihm zugeteilten Brau- und Schankzeiten zu richten und seine Mägde auch.

      Als Elsa die gewölbte Hallendurchfahrt des Brauerhauses durch die ins zweiflügelige Tor eingelassene Mannpforte betrat, schlug ihr der typische säuerliche Geruch mit der feinen herben Note entgegen und der angespitzte Zeigefinger der Brauerin Reinhilde hart vor ihre Brust. „Wo bist du bloß gewesen!?“

      Verdutzt, Reinhilde in die Arme gerannt zu sein, als habe diese auf sie gewartet, stammelte Elsa ihre Entschuldigung, wurde jedoch barsch unterbrochen: „Du musst den Wundarzt holen.“ Reinhildes Flüstern überschlug sich am Kreuzgewölbe der Durchfahrtshalle. Sie schaute sich um wie eine Diebin, ob sie und Elsa belauscht wurden. Die Tür zum Ausschank war geschlossen. Über den Hof in der Mälzerei ging es fleißig zu. Niemand beobachtete sie, von dort, wo die gekeimte Gerste in Weichfässer umgefüllt werden musste, damit sie nach achtwöchiger Keimruhe zwei Tage lang aufweichen konnte. Es war Gunnars Aufgabe, die nach dem Weichen an der Saftoberfläche schwimmenden Reste wie Schalen und tote Körner abzuschöpfen.

      Eben, als Reinhilde Luft holte, um fortzufahren, wurde die Tür zum Schanksaal geöffnet. Die Frauen beobachteten, wie der Gast das Geld fürs Bier in der kleinen Wandnische hinterlegte, das Peternelle nachher abholen würde. Der Gast schob sich an Elsa vorbei durch die Mannpforte auf die Gasse.

      „Wer ist denn krank?“

      „Frag nicht!“ Reinhildes Zeigefinger durchstach die Luft. „Frag bloß nicht! Beeil dich!“

      Elsa nickte und machte auf dem Absatz kehrt. Ihre Füße hatten keine Gelegenheit gefunden, sich aufzuwärmen. Die Zehen waren ganz taub. Die grobe Wolle ihrer Strümpfe rieb am Holz der Schuhe.

      „Und sag dem Ismael“, wurde Elsa von Reinhilde am Arm aufgehalten. „Er möchte die Gerätschaft mitbring …“

      „Ismael?“, unterbrach Elsa die andere und schloss die Pforte wieder hinter sich. „Wieso zum Doktor Ismael?“ Ismael war der jüdische Arzt. Sein Haus stand auf der anderen Seite der Neiße, außerhalb der von den doppelten Mauern geschützten Stadt. Die Leute misstrauten den Juden. Elsa misstraute den Juden. „Soll ich nicht lieber den Doktor Joppener holen? Das geht schneller. Der wohnt doch in der Krebsgass …“

      „Kschhh!“, machte Reinhilde und ihre Augen drohten überzulaufen, als ergriffe sie eine kleine Panik: vielleicht die Angst davor, die brave Magd sei gar nicht so brav und würde sich weigern, den Juden zu holen. „Nicht den Stadtphysikus! Der muss nicht wissen, was hier los ist.“

      Elsas Gedanken flogen sogleich zum Dachboden. „Was ist denn hier los? Ist einer der Schankgäste verletzt? Gab es eine Rauferei?“ Sie stellte sich absichtlich dumm. Sie war neugierig, ob Reinhilde sich und ihren geheimen Gast verriet.

      „Nein! Hol einfach den Ismael. Ihm sagst du, er soll dieses Ding mitbringen, das er den Leuten umbindet, wenn sie sich einen Arm gebrochen haben. Los doch!“

      „Wer hat sich einen Arm …“ In Elsa wurden sogleich die Worte des Kohlbauern wach. Hatte er nicht erzählt, Ketzer hätten verkrüppelte Gliedmaßen?

      „Du sollst nicht fragen, hab ich gesagt!“ Die Reinhildin schob Elsa in den Sturmwind hinaus wie eine hungrige Katze, die sich ihr Futter allein suchen sollte.

      Elsa stemmte sich mutig in die Tür. „Einen gebrochenen Arm, so wie damals der Andres?“ Andres Hinterthur war der einzige Mensch, den Elsa kannte, der sich einen Arm gebrochen hatte. Und Elsa entging nicht, wie Reinhildes Unterlider zuckten.

      Die machte

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