Die Irrfahrten des Herrn Müller II. Florian Russi

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Die Irrfahrten des Herrn Müller II - Florian Russi

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fragte Daniel vorwurfsvoll. „In den Büchern, die ich gelesen habe, stand nur etwas über Glaubensgrundsätze und über die Zahl der Anhänger der verschiedenen Religionszweige.“

      „Da müssen Sie durch“, erwiderte Alexander ungerührt. Sie haben ja in meiner Anwesenheit bisher auch nicht gefurzt oder geniest. Halten Sie sich also auch zukünftig damit zurück. Im Übrigen gibt es Schulen, in denen man lernen kann, das Niesen oder Pupsen zu unterdrücken. Ono, der Gott, an den hier die meisten glauben, will es angeblich so.“

      „Glauben Sie auch an Ono?“, fragte Daniel den Fahrer.

      „Schon diese Frage ist eine Beleidigung“, erwiderte der. „Ono ist der Gott aller Menschen. Wer nicht an ihn glaubt, wird der Hölle verfallen.“

      „Jetzt wissen Sie, woran Sie sind“, erklärte Alexander und bat den Fahrer anzuhalten. „Ich muss Sie nun bald sich selbst überlassen“, sagte er zu Daniel und verließ mit ihm das Fahrzeug. „Wenn Sie der Straße weiter folgen, auf der wir uns befinden, werden Sie nach etwa 500 Metern einen grünen Torbogen sehen. Ich empfehle Ihnen, dort hineinzugehen. Es ist der Zugang zu einer Art Kloster, dem Zentrum einer größeren religiösen Gemeinde. Deren Mitglieder gelten als ziemlich fanatisch, aber sie leben zerstreut und deshalb können sie ihren Übereifer nur an den Festtagen austoben. Sagen Sie, dass Sie auf der Suche nach religiösem Halt wären und Ono verehren würden. Wenn Sie das befolgen und sich den Regeln der Gemeinde anpassen, bietet das Kloster ihnen Unterkunft und Schutz. Folgen Sie meinem Rat, sonst werden Sie schnell zwischen die Mühlsteine fanatischer Sekten geraten. Als Fremder würden Sie das kaum überleben.“

      „Uns gegenüber sehen Sie einen Uhrmacherladen“, setzte Alexander fort. „In wirklich wichtigen Fällen können Sie sich an dessen Besitzer um Hilfe wenden. Um sich ihm vorzustellen, benutzen Sie den Code, den ich Ihnen jetzt gebe.“

      Er übergab Daniel einen Zettel mit aufgedrucktem Code und einen Umschlag mit Gallonen-Scheinen, der Währung des Landes. Wenige Sekunden später war Alexander in einer Seitenstraße verschwunden.

      Daniel überfiel unbändige Angst. Langsam ging er die von Alexander empfohlene Strecke. Dann sah er vor sich den grünen Torbogen. Er betrat das Gelände, landete schließlich in einer offenen Gebetshalle. Er trat ein und stand vor einer respekteinflößenden Figur. ‚Das muss Ono sein‘, dachte er und begann plötzlich zu zittern.

      „Oh, ein frommer Mann“, hörte er über seinen Sprachcomputer eine Stimme sagen. Er drehte sich um. Von hinten kamen zwei Männer auf ihn zu. Sie trugen lange Bärte und Hauben auf ihren Köpfen. Es waren Priester des Ono. Das Zittern, so hatte er gelesen, war für sie ein Ausdruck von Gottesfurcht und tiefem Glauben.

      „Was suchst du hier, Fremder?“, fragte ihn einer der beiden Männer.

      „Ich suche nach dem wahren Gott“, antwortete Daniel, eingedenk des Rats, den ihm Alexander gegeben hatte.

      „Dann bist du bei uns richtig“, erwiderte der Mann. Der andere aber sagte: „Kenne ich dich nicht? Gehörtest du nicht auch zu den Schülern des ‚Alten vom Berge‘? Auch ich habe bei ihm studiert. Er war ein Heiliger. Ich hatte das Glück, noch seine Weihe zu erhalten. Kurz danach ist er leider verstorben, und viele andere, so wohl auch du, mussten ihre Ausbildung abbrechen. Willkommen bei uns. Wenn du willig bist, kannst du bei mir nachholen, was dir beim ‚Alten‘ entgangen ist.“

      Diese Worte des Priesters beruhigten Daniel und irritierten ihn zugleich. Er war ihm nie in seinem Leben begegnet. Hatte der fromme Mann ihn mit jemand anderem verwechselt, wollte er sich vor seinem Kollegen wichtigmachen, hatte ihn vielleicht sogar Alexander bestochen? Dem traute Daniel inzwischen jeden Ränkezug zu.

      „Mein Name ist Tamrud, und mein Bruder hier ist Selass. Sag uns nun auch, wie du heißt, Fremdling.“

      „Ich bin Lukas und stamme aus Gelsenkirchen in Deutschland“, sagte Daniel, so wie es in seinem neuen Pass stand.

      „Wir laden dich zum Essen ein“, fuhr Tamrud fort. „Wenn du willst, können wir dich auch beherbergen. Wir freuen uns immer über Gäste, vor allem, wenn sie auf dem Weg zu Ono sind. Sein Name sei allezeit gepriesen.“

      Daniel willigte ein. Er sah keine Alternative und war sich klar darüber, dass eine Falle über ihm zugeschnappt war.

      Alexanders Rat entsprechend verlegte er sich aufs Fragen. „Hat uns der ‚Alte vom Berge‘ nicht Mitleid gelehrt? Wieso wird einer, der nur versehentlich geniest hat, mit 24 Peitschenhieben bestraft?“

      „Wäre er einer von uns, so hätte er mit einer höheren Strafe rechnen müssen“, antwortete Selass. „Niesen ist zwar lange nicht so gotteslästerlich wie furzen oder der Beischlaf zwischen Unverheirateten, doch der Verurteilte soll es während einer Gebetsstunde getan haben. Beim Gottesdienst oder an Feiertagen ist das Niesen kaum verzeihlich.“

      „Was heißt das, dass er nicht zu euch gehört?“

      „Er ist ein Belite, so heißen die, welche vom wahren Glauben abgefallen sind.“

      „Ich habe über sie gelesen, und in dem Buch hat es geheißen, dass auch sie an Ono glauben, sich aber im 18. Jahrhundert von der alten Religion abgespalten hätten. Beli war der Prophet, der sie angeführt hat. Ich habe nicht recht verstanden, was der Grund für die Abspaltung war.“

      „Gott ist einzigartig und ist uns durch die alten Schriften unzweifelhaft als Ono – sein Name sei gepriesen – überliefert. Beli aber verstieg sich dazu, seinen Namen mit zwei ‚n‘, also ‚Onno‘ zu schreiben und auch so auszusprechen. Kann es eine schlimmere Verirrung geben? Ono ist allmächtig und allumfassend. Es gibt nur ihn. An ihm darf nicht gezweifelt werden. Er ist Ono und nur dies allein. Seinen Namen mit zwei ‚n‘ zu schreiben, ist anmaßend und eine schwere Sünde.“

      „Ich verstehe“, antwortete Daniel. „Es müsste aber doch möglich sein, eine Einigung zwischen den beiden Religionen zu finden.“

      „In den meisten Glaubensregeln stimmen wir überein“, erwiderte Selass. Doch auf das zweite ‚n‘ können wir uns nicht einlassen. Das wäre dann nicht mehr unser Gott.“

      „So bleibt’s unverbrüchlich bei Ono – sein Name sei gepriesen!“, erwiderte Daniel.

      „Wir verstehen uns“, stellte Tamrud fest, während sie mit dem gemeinsamen Mittagessen begannen, und Selass ergänzte: „Ja, Lukas, du befindest dich auf dem richtigen Weg.“

      Fürs Erste schien er gerettet. Er bat die beiden Priester, ihn im Glauben zu unterweisen und ihm eine Aufgabe zu übertragen. Sie kamen überein, dass er für die Ordnung im Gebetshaus die Verantwortung übernehmen sollte. Die bestand vor allem darin, dass die Räume sauber waren, nichts auf dem Boden herumlag, die heiligen Schriften nur den Priestern und ihren Schülern zugänglich waren, dass die Besucher der Sakralräume zum Spenden aufgefordert wurden, in allen Räumen Kerzen brannten und abends die Türen verschlossen wurden.

      Daniel standen zwei Bedienstete zur Seite. Die beiden Priester jedoch erschienen meist nur zum Gottesdienst. Sie hatten Frauen und Kinder und waren häufig unterwegs, um auch außerhalb des Gotteshauses den Glauben an Ono zu verbreiten oder zu stärken. So war Daniel immer mal wieder allein.

      Er fürchtete sich, in die Stadt zu gehen. Einen Monat wollte er warten, dann den Uhrmacher besuchen, um von ihm dann hoffentlich zu erfahren, dass die deutsche Polizei den Mörder von Frau Nelles ausfindig gemacht hatte. Immer wieder musste er an Ines denken. Ob sie Verständnis für ihn hatte? Und was dachten seine Eltern inzwischen? Sicher waren sie verhört worden,

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